Berlin-Charlottenburg - Pläne für Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke liegen offen

Mi 09.08.23 | 13:51 Uhr | Von Marcus Latton
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Pläne für den Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke in Berlin im August 2023. (Quelle: © Leonhardt, Andrä und Partner, LAP)
Audio: rbb24 Inforadio | 09.08.2023 | Marcus Latton | Bild: © Leonhardt, Andrä und Partner, LAP

Die Rudolf-Wissell-Brücke in Berlin-Charlottenburg ist eine der meistbefahrenen Autobahnbrücken Deutschlands. Nun soll sie komplett neu gebaut werden. Bis zum 9. Oktober können sich Interessierte in das Planungsverfahren einbringen. Von Marcus Latton

  • Etwa 180.000 Fahrzeuge nutzen die Rudolf-Wissell-Brücke täglich
  • Beginn des Neubaus ab 2025, Fertigstellung voraussichtlich 2031
  • Geschätzte Kosten für Neubau: 270 Millionen Euro
  • Dreieck Charlottenburg, Dreieck Funkturm und Westendbrücke sollen im selben Zeitraum erneuert werden

Gebaut wurde sie in den 1960er Jahren für täglich 20.000 Autos. Heute passieren knapp 180.000 Fahrzeuge pro Tage die Rudolf-Wissell-Brücke. Die Konstruktion ist dafür nicht geeignet und soll deshalb neu errichtet werden - in Form von zwei Brücken, die nebeneinander verlaufen, eine für jede Fahrtrichtung. Das Großprojekt wird seit vielen Jahren geplant. Federführende Behörde ist das Fernstraßen-Bundesamt in Leipzig. Bauherrin ist die Planungsgesellschaft Deges, an der der Bund sowie mehrere Bundesländer beteiligt sind.

Karte: Hier verläuft die neue Rudolf-Wissell-Brücke in Berlin-Charlottenburg
Karte: Hier verläuft die neue Rudolf-Wissell-Brücke in Berlin-Charlottenburg | Bild: © Leonhardt, Andrä und Partner (LAP)

Planfeststellungsverfahren Wissell-Brücke beginnt im September

Nun beginnt der öffentliche Teil des Planfeststellungsverfahrens, bei dem Anlieger, Bürger und Vereine ihre Kritik formulieren können - persönlich im Bezirksamt Charlottenburg oder in Amt Schenkenländchen (Dahme-Spreewald). In dieser Gemeinde werden die Ausgleichspflanzungen für das Bauprojekt in den Boden gesetzt. Zudem stehen die Pläne bis zum 7. September online beim Fernstraßen-Bundesamt und beim Umweltprüfungsportal des Bundes. Bis zum 9. Oktober können Einwendungen gegen die Pläne per Brief oder qualifizierter De-Mail eingebracht werden.

Rudolf-Wissell-Brücke, Teil der A100, in Berlin-Charlottenburg

Bekannte Kritikpunkte an Wissell-Brücken-Neubau

Wird es zu vielen Beschwerden kommen? "Ich erwarte keine großen Überraschungen", sagt Charlottenburgs Stadtrat für Stadtentwicklung Christoph Brzezinski (CDU). Die Kritikpunkte an dem Bauprojekt seien längst bekannt: Dutzende Kleingärten müssen temporär und dauerhaft der neuen Konstruktion weichen.

Außerdem sei das Konzept eines doppelten Brückenbaus fragwürdig, weil dadurch mehr Raum eingenommen wird. "Beim Neubau eines Autobahnbauwerks sollte nicht mehr Fläche beansprucht werden als es ohnehin schon der Fall ist."

Visualisierung der neuen Rudolf-Wissell-Brücke
Visualisierung der neuen Rudolf-Wissell-Brücke | Bild: © Leonhardt, Andrä und Partner (LAP)

Ab 2025 sollen die Bagger rollen

270 Millionen Euro soll der Neubau nach bisherigen Schätzungen kosten. Faktoren wie Material- und Personalmangel oder Inflation sind dabei nicht mit einberechnet. Es könnte also noch deutlich teurer werden. Geplanter Beginn der Arbeiten ist das Jahr 2025. Nach bisherigen Plänen soll es während der gesamten Bauzeit drei Spuren in beide Richtungen geben. Die Bauphase wird in jedem Fall eine Herausforderung für den Verkehr im gesamten Bezirk.

Visualisierung: Fahrt über die neue Rudolf-Wissell-Brücke
Visualisierung: Fahrt über die neue Rudolf-Wissell-Brücke | Bild: © Leonhardt, Andrä und Partner (LAP)

Stadtrat Brzezinski verweist auf parallel geplante, größere Baumaßnahmen: Auch das Dreieck Charlottenburg, das Dreieck Funkturm und die Westendbrücke sollen ungefähr im gleichen Zeitraum generalüberholt werden. "Am Ende wird viel davon abhängen, wie diese Bauabschnitte aufeinander abgestimmt werden", sagt Brzezinski. Viele befürchten, dass sich der Verkehr in die Stadtstraßen verlagern und regelmäßig für Chaos sorgen könnte. Über viele Jahre hinweg. Denn ob die Rudolf-Wissell-Brücke 2031 fertig wird, so wie von der Deges geplant, bleibt unklar.

Info

Fakten & Zahlen - Die Rudolf-Wissell-Brücke

  • Gesamtlänge: 2,4 Kilometer
  • längstes Brückenbauwerk Berlins
  • Verkehrsbelastung 2019: 180.000 Autos innerhalb von 24 Stunden (1960: 20.000 Kfz pro 24 Stunden)
  • drittmeist befahrener Autoabschnitt Deutschlands
  • Spannbetonwerk mit sechs Fahrstreifen
  • frühester Baubeginn des Neubaus: Herbst 2024
  • mehr Infos unter deges.de

 

ADAC fordert mehr Ausweichmöglichkeiten für Pendler

Enorme Einschränkungen für den Autoverkehr aufgrund der vielen Baumaßnahmen an der A100 und der A111 befürchtet auch der ADAC Berlin-Brandenburg. Der Verband empfiehlt: Pendler auf dieser Strecke sollten künftig Fahrgemeinschaften bilden, mehr auf den öffentlichen Nahverkehr setzen und ihre Autos in den Außenbezirken abstellen.

Verbandssprecherin Sandra Hass erkennt allerdings auch viele Probleme: "Es fehlen Park-and-Ride-Plätze, die den Autoverkehr abfangen können. Da muss man auch kreativ werden."

Der ADAC schlägt deshalb vor, den stillgelegten Flughafen Tegel zu einem großen Park-and-Ride-Platz umzuwandeln. Shuttle-Busse könnten von dort die Pendler zur S-Bahn bringen. Zudem brauche es für die Rudolf-Wissell-Brücke und den künftig langsamer fließenden Verkehr ein gutes Baustellenmanagement. Heißt: Digitale Leitsysteme für Havarien und Unfälle – damit der Verkehr nicht aufgrund einer kleinen Panne zum Erliegen kommt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.08.2023, 06:45 Uhr

Beitrag von Marcus Latton

77 Kommentare

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  1. 77.

    Ja, dolle "Entwicklung" - wa'?

  2. 76.

    Mit dem Wahlkampfthema, "den Deckel drauf" ließen sich alle Parteien 2021 wählen. Er wäre sogar möglich, schon von den Geländehöhen. Aber fordert Berlin - der Senat "einen/den Deckel"? Nicht dass, ich da was verpasst hätte. Denn dort hätte man Einkaufszentren zur Nahversorgung, Sport- und Spielflächen, Parkanlagen usw einordnen können - klar großer Baumbestand wäre leider nicht drin gewesen , aber Westend mit Charlottenburg wieder vereinen, dass will man in Berlin offensichtlich nicht. Und wartet es ab, wenn die Bahn AG dann 'unten' loslegt, die haben auch noch noch einiges in petto!
    Nicht nur bei Loriot heißt's "die Ente bleib!" , sondern auch, die Zäsur bleibt. Man will keine Nägel mit Köpfen machen, dabei wäre die Chance mit einem integrierten Stadtentwicklungskonzept möglich gewesen: Ping- pong, ping-pong, ping-pong....

  3. 75.

    Sie irren. Von den derzeit 5 möglichen Autobahnab-/-auffahrten werden nur 3 bleiben! Und zwar ersatzlos! Sämtl. Schleichwege, die den Berlinern bekannt sind, werden gnadenlos geschlossen. Den Schaden haben dann die Wohngebiete, in denen dann die 3 Ast's liegen: Hohenzollerndamm, Bismarckstr. über die Knobeldorffbrücke zur Königin-Elisabeth-Str. und Knobeldorffstr. Richtung Schloss-Str. sowie Spandauer Damm u. durch die Sophie-Charlotte-Str. etc. Eine 7,50m hohe Schallschutzwand ist ledigl. f. Dernburgstr. gedacht. Ob die auf dem derzeit. Straß-niveau aufsetzt o. in den 'little' Hang (Gärten) gesetzt wird, ist unklar. LärmSch-Fenster wird es nicht geben, zu teuer. Derzeitiger Stand. Das Autofahren verlangt uns echt viel ab: Dresselsteig, Rognitzstr./Saldernstr. Spiegelweg.
    "Ist schön gewesen" - Geschichten aus der Großen Stadt!

  4. 74.

    "Die "kleine Schweiz" ist überflutet von Durchgangsverkehren anderer Länder,...."
    Aha, und Deutschland? Wir sind das größte Transitland innerhalb der EU!
    Es wurden auch schon andere Tunnel gebaut, z.B. der Tiergartentunnel, da sollte es doch möglich sein die "kleine" Spree zu untertunneln. Dann könnte die Fläche neben der Spree z.B. für Gärten, Grünanlage etc. sinnvoll genutzt werden, außerdem wäre der Verkehrslärm von täglich ca. 180 000 Fahrzeugen "verschwunden"!

  5. 73.

    " ... wo die Physik nunmal eindeutig das Design vorgibt."

    Wo der Gedanke der Effizienz das landschaftsgleichgültige Design vorgibt. Die Physik ist dabei nur eine Handhabe.
    So ist es auch hier. Das Wesentlichste ist in meinen Augen, das AB-Dreieck Charlottenburg überhaupt aufzugeben und eine AB-Abfahrt in Richtung Virchow-Klinik anzulegen, mit niedrigerer Kapazität.

    Windräder werden mit hoffentlich landschaftsbezogenerer Gestalt auch in 50 Jahren noch Teil der Energiegewinnung sein, weil die Energie auch in 50 Jahren so und in ähnlicher Weise gebraucht wird; eine Stadtautobahn, die ein Denken der 1950er, 60er und 70er Jahre repräsentiert, aber nicht schon in 30 Jahren beerdigt zu haben, klingt m. E. nach Lernunwilligkeit. Deshalb bin ich hier für einen Bau mit geringstmöglichstem Aufwand.

  6. 72.

    aber nur für Fahrradfahrer die Steuern zahlen und Kennzeichen haben."
    Da bleiben schon noch ein paar Fragen offen:
    Ab welchem Alter soll denn die Steuerpflicht gelten? Sollen also auch Dreiräder für unsere Kleinsten schon besteuert werden?
    Und was ist mit Rollatoren? Sind dann Rollatoren im Sinne der Besteuerung wie Fahrräder zu behandeln?

  7. 71.

    Mensch Driver, alles richtig beschrieben, bei welcher Firman bist Du?

  8. 70.

    Was haben Autobahnausfahrten mit Maut zu tun? Dann werden halt alle 3-5km Mautsäulen aufgestellt. Mautsäulen für LKW decken auch jeden kostenpflichtigen Meter ab.

  9. 69.

    Warum?
    Das fragen Sie der bei Windrädern von fehlender Ästhetik spricht und sich dort mehr architektonisches Geschick wünscht, wo die Physik nunmal eindeutig das Design vorgibt.
    Ich finde die Bilder sprechen eindeutig dafür sowas unsichtbar unter die Erde zu legen.
    Die Mehrkosten sind sicher diskussionswürdig aber warum man sowas verschwinden lassen sollte, ist doch offensichtlich.
    Ist ja keine Brooklyn-Bridge o.ä.
    In Hamburg diskutiert man noch über einen Tunnel als Alternative zum Nachfolger der aktuellen Köhlbrandbrücke, die immerhin ein Wahrzeichen der Stadt ist.
    In Stuttgart verbuddelt man einen ganzen Bahnhof und zig Bahnkliometer unter die Erde um innerstädtisch Raum zu gewinnen.
    In 20 Jahren wird wahrscheinlich niemand mehr über die hohen Kosten reden.
    In Berlin erneuert man dagegen die von Ihnen genannten Fehler der 60er Jahre.
    Das man da einen Tunnel bauen kann zeigt 50 Hertz ja gerade, wenn auch in anderer Richtung.

  10. 68.

    Autobahnausfahrten sind in der Schweiz, in Frankreich oder in Polen 15 - 20 km voneinander entfernt, in Deutschland oft genug nur 3 - 5 Kilometer. Da gibt es zumindest für Privat-Kfz. unzählige Möglichkeiten, die Maut zu umgehen.

    Das Weitere ist das unhaltbare Versprechen an bayerische Stammtische, die Geldbeutel der Ausländischen anzuzapfen, die Geldbeutel der "Oanhamischen" aber per 1 : 1 - Rückvergütung zu schonen. Dieser Ungleichbehandlung hat der EuGH einen Riegel vorgeschoben, trotz aller anderslautender kosmetischer Versuche.

  11. 67.

    Die "kleine Schweiz" ist überflutet von Durchgangsverkehren anderer Länder, sowohl auf der Straße als auch sonst und setzt bei der Lösung davon sowohl auf Straßendurchbrüche als auch auf den Schienenverkehr, der in der Schweiz sowieso eine gute Basis hat.

    Warum aber in Berlin eine Stadtautobahn mit noch mehr Aufwand sogar unterhalb von Gewässern verlegt werden soll, wo sie sich schon mehrfach als Irrtum der 1960er und 70er Jahre erwiesen hat, das mag wissen, wer will. Über einen Deckel wie in Hamburg ließe sich auf Teilstücken sehr wohl reden, denn es ist ja geradezu ein Zeichen, dass die A 100 recht brachial durch Charlottenburg und Friedenau führt, Neukölln aber glücklicherweise - per Tunnel durch trockenes Gelände - schont.

  12. 66.

    Nachtrag: Der 16. Bauabschnitt der A100 zieht sich auch deshalb in die Länge, da dort der ehemalige Güterbahnhof Treptow lag. Mit diversen Altlasten aus Nachkriegs- und DDR-Zeiten im Baugrund. Das ist gerade in Berlin ein enormer Zeiträuber und Preistreiber, denn niemand weiss heute mehr, was vor 70 Jahren im Baugrund verklappt wurde. Kann auch in der Planungsphase nicht zu 100% ergründet werden, das ist immer ein finanzielles Risiko.

  13. 65.

    Die Betontechnologie entwickelt sich immer weiter, das ist eine absolut spannende Wissenschaft. Das Hauptbestreben ist es, den Zementanteil immer weiter zu reduzieren, denn Zement ist der teuerste Bestandteil im Beton, durch die CO-intensive Produktion. Sie glauben gar nicht, was im Beton von heute so alles enthalten ist: Zemente mit langsamer Festigkeitsentwicklung, mit mittlerer oder schneller, für jede Jahreszeit. Flugasche als anorganischer Füller, Betonzusatzmittel wie Verflüssiger, Verzögerer, Fliessmittel, Brauchwasser aus der Recyclinganlage des Betonwerkes. Und Betonagen dauern unter anderem deshalb sehr lange, da massive Bauteile, wie Fundamente, Bodenplatten, Widerlager nicht einfach mal so in einem Guss betoniert werden können, Stichwort Hydratationswärme beim Abbinden. Das betonierte Bauteil würde sofort wieder reissen. Daher betoniert man in Abschnitten. Und Recyclingbeton ist auch teurer als normaler Beton, denn die Aufarbeitung des RC-Materials kostet ja auch Geld.

  14. 64.

    Die Baufirmen konnten bis vor kurzen immer (Fachkräftemangel, Materialengpässe) auch schneller bauen, aber eine Beschleunigung kostet immer Geld, die die öffentliche Hand nicht zahlen will. Also wird auch nur von 07:00 -16:00 gebaut, ohne Überstunden, denn die zahlt ja der AG nicht.

  15. 63.

    "ZDF Mediathek: "Warum bremst sich Deutschland selbst aus?" Da wird auch Genua erklärt, nur zu empfehlen."
    Danke für den Hinweis, interessanter Bericht!

  16. 61.

    Der Gotthardtunnel wird u.a. über die Maut refinanziert, eine Maut, die in Deutschland nicht existiert.

  17. 59.

    "Eine Autobahn unter der Erde würde ein Vielfaches kosten.
    Wer will, kann oder soll das bezahlen."
    Aha, das kann sich die 4. größte Volkswirtschaft der Erde also nicht leisten?
    Da frag ich mich doch wie es die kleine Schweiz schafft in 10 Jahren eine zweite Röhre auf einer Länge von 16,9 km durch den Gotthard zu bauen? Merkwürdig was in anderen Ländern so alles möglich ist!

  18. 58.

    Das Warum wurde letztens in einer sehr guten Doku beschrieben, ZDF Mediathek: "Warum bremst sich Deutschland selbst aus?" Da wird auch Genua erklärt, nur zu empfehlen.

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