Interview | Versicherungsberaterin - Was tun bei Unwetter-Schäden?
Nach dem Unwetter in Brandenburg an der Havel hat der Oberbürgermeister Hilfe zugesagt. Doch die unabhängige Versicherungsberaterin Petra Kauffmann warnt vor falschen Erwartungen. Viel wichtiger sei der eigene Versicherungsschutz, betont sie.
Petra Kauffmann ist seit vielen Jahren unabhängige Versicherungsberaterin in Brandenburg an der Havel, sie selbst ist vom Unwetter betroffen. Bei ihr melden sich nach dem schweren stürmischen Gewitter vom Dienstagabend viele verunsicherte Bürger.
Im Gespräch mit rbb|24 erklärt sie, welche Versicherungen bei Unwetterschäden zahlen – und ob städtische Hilfsangebote tatsächlich schnelle Hilfe bedeuten.
rbb24: Frau Kauffmann, Sie leben und arbeiten in Brandenburg an der Havel - wie haben Sie das Unwetter am Dienstagabend erlebt?
Petra Kauffmann: Bei mir lief das Wasser durch Starkregen in den Keller, das war wirklich extrem. Es kam aus mehreren Rohren, sogar aus der Waschmaschine. Ich habe mich dann in eine Ecke gesetzt und dem Wasser zugeguckt, wie es weiter gestiegen ist.
Später habe ich mir dann bei der Verbraucherzentrale das kostenlose eBook "Unwetter-Gebäude-Check" [verbraucherzentrale.de] angeschaut und mich schlau gemacht, was ich jetzt im Gebäude tun kann. Ich werde jetzt mein Haus überprüfen, insbesondere die Rückstauklappe, warum die nicht funktioniert hat. Diesen Ratgeber kann ich jedem Hausbesitzer nur empfehlen, um das eigene Haus fit gegen Unwetter zu machen. Das Ereignis hier in Brandenburg an der Havel sollte jeden von uns wachrütteln, denn hier hätten wir mit sowas nie gerechnet.
Daneben sollte man natürlich seinen Versicherungsschutz genau überprüfen. Denn nach Zahlen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft sind weniger als 50 Prozent der Deutschen gegen Starkregen und Hochwasser versichert. In Bremen sind es gerade mal 23 Prozent, in Baden-Württemberg 94, weil dort so etwas öfter passiert, die haben eben schon aus ihren Erfahrungen gelernt.
Die zentrale Versicherung für Hausbewohner ist ja die Wohngebäudeversicherung. Pflicht ist die in Deutschland ja nicht, aber natürlich sollte sie jeder Betroffene abgeschlossen haben. Schützt die klassische Gebäudeversicherung denn nicht automatisch auch gegen Starkregen?
Nein, die klassischen Risiken sind Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel. Dann gibt es zusätzlich Bausteine wie die Elementarversicherung, aber selbst da gibt es zwischen den Versicherungen Unterschiede. Selbst wenn man eine Elementarversicherung abgeschlossen hat, muss man schauen, welche Risiken da tatsächlich versichert sind. Bei Rückstau zum Beispiel beispielsweise muss man schauen, ob der Versicherer eine Prüfung der Rückstauklappe alle zwei Jahre zur Bedingung gemacht hat.
Falls das jetzt bei der eigenen Versicherung noch nicht enthalten ist, kann man diesen Baustein nachträglich hinzubuchen?
Genau. Viele Leute haben bisher gesagt, so etwas brauche ich nicht, weil das bei uns ja gar nicht vorkommen kann. Es ist absolut wichtig, sich intensiv mit dem Elementarschutz zu beschäftigen und einen Policencheck zu machen. Der Preis für diesen Zusatz steht in keinem Verhältnis zu dem, was passieren kann.
Welche Risiken sollten also auf jeden Fall mitversichert sein?
In unserem Brandenburg-Fall waren das wirklich Rückstau und Starkregen. Der Sturm ist im Regelfall versichert, Überschwemmung auch. Aber eben nicht immer Rückstau und Starkregen.
Nun hat der Oberbürgermeister von Brandenburg an der Havel Hilfsangebote gestartet - Bürger können ihre Schäden per Mail bei der Stadt melden, dann werde der Kommunale Schadensausgleich das prüfen und möglichst schnell helfen. Dabei geht es ja vordergründig um umgeknickte Bäume, die von Gehwegen aus auf Häuser und Grundstücke gefallen sind. Können Betroffene damit aufatmen?
Nun ja, jeder Bürger, der ein Wohngebäude hat, hat Sicherungspflichten. Auch die Stadt hat die Pflicht, Gefahren durch Bäume für Gebäude abzuwehren oder zu mindern oder eben gar nicht erst auftreten zu lassen, Stichwort Versicherungs- und Überwachungspflicht. Die Stadt muss sich ab und zu die Bäume angucken. Wenn die Bäume nicht krank sind, dann ist es höhere Gewalt. Ich hafte prinzipiell nur in dem Fall, wenn ich dafür verantwortlich gemacht werden kann. Und wenn gesunde Bäume entwurzelt werden durch Sturm oder andere Ereignisse, dann haftet dafür die Stadt nicht. Die Stadt ist nur versichert, wenn sie am Ereignis schuld ist, weil sie diesen Baum nicht regelmäßig inspiziert hat.
Also müsste jetzt zuerst jeder einzelne umgeknickte Baum untersucht werden, bevor die Versicherung eine Entscheidung treffen kann? Mit schneller Hilfe hätte das ja wenig zu tun.
Ja, schnell geht das nicht. Wichtig ist, dass von den Bäumen Bilder gemacht wurden, denn ohne hat man die Schwierigkeit zu beweisen, dass dieser Baum schon schadhaft war. Oder die Stadt muss nachweisen, wie oft im Jahr sie ihre Bäume untersucht hat, doch diesen Schritt erreicht man als Betroffener meist nur per Klageverfahren.
Aber wie lange müssen Betroffene jetzt auf tatsächliche finanzielle Hilfe warten?
Das kann ich nicht prognostizieren, das ist von Versicherung zu Versicherung ganz unterschiedlich.
Letztlich kann die Kommune nichts für Witterungsereignisse, sie kann ja auch nicht vorsorglich jeden Baum fällen. Also bleibt für den Bürger nur die Eigenversorgung über die eigene Versicherung, heißt mindestens Teilkasko für Auto, und die Gebäudeversicherung. Und die Hausratversicherung. Wenn meine ganzen Möbel beschädigt sind, dann ist das ein Fall für die Hausratversicherung.
Und was macht man, wenn das Haus durch so ein Unwetter unbewohnbar geworden ist und man vorübergehend aus dem Haus oder aus der Wohnung muss - welche Versicherung kommt dafür auf?
Die Gebäudeversicherung. Und auch die Hausratversicherung, die all das übernimmt, was aus einem Gebäude herausfallen würde, sobald man es auf den Kopf stellt. Je nach Versicherungspolice wird der Aus- und Wiedereinzug ins Haus bezahlt, die Ersatzunterkunft und die Lagerung der Möbel. Da gibt es ganz unterschiedliche Versicherungsbedingungen. Die einen heißen Basis, die anderen Komfort. Der Kostenunterschied der beiden ist so klein, aber die Leute nehmen immer die Billigvariante. Aber ist es das wirklich wert, im Jahr zehn Euro zu sparen?
Frau Kauffmann, Sie haben ja schon vorhin gesagt, niemand kann vorhersagen, wie schnell Versicherungen die Schäden letztlich regulieren. Aber was mache ich, wenn jetzt das Dach schnell ausgebessert werden muss? Die Kosten auslegen?
Dann meldet man den Schaden, macht Bilder, und dann muss der Dachdecker natürlich erstmal eine Notversorgung durchführen. Dann kommt der Kostenvoranschlag für die eigentlichen Dacharbeiten, und der wird dann bei der Versicherung eingereicht. Dann kommt der Stempel drauf: Ja, Du kannst anfangen. Und dann wird die Rechnung beglichen. Natürlich muss man der Versicherung einräumen, nochmal einen Gutachter vorbeizuschicken, falls die Bilder merkwürdig aussehen, also beispielsweise darauf Vorschäden erkennbar sind.
Kommen wir noch zum Schluss zu einem Thema, zu dem unsere Redaktion viele Zuschriften erreicht haben: Blitzableiter und Blitzschutz von Häusern. Welche Rolle spielt das bei Versicherungen?
Eine Blitzschutzpflicht besteht grundsätzlich nicht, aber in Versicherungspolicen gibt es durchaus Obliegenheiten. Im Vertrag kann geregelt sein, welche Sicherungsmaßnahmen zwingend erforderlich sind, damit der Versicherungsschutz überhaupt in Kraft tritt.
Also sollte man besser auch beim Thema Blitzschutz nachrüsten?
Da verweise ich wie schon anfangs auf die kostenlose Broschüre der Verbraucherzentrale, da wird auf 83 Seiten aufgeklärt, wie ich mein Haus besser gegen Starkregen, Blitzschlag und Hagel schützen kann. Ich war bis jetzt ja auch nachlässig, aber wenn das Haus abbrennt, ist alles zu spät. Also nicht wegen der Versicherung, sondern eigentlich müsste es ja mein ureigenstes Interesse sein. Denn emotionale Geschichten ersetzt Dir niemand.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Frank Preiss.