Bundesverdienstkreuz - Tierärztin behandelt kostenfrei Hunde von mittellosen Herrchen und Frauchen

So 01.10.23 | 12:45 Uhr
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Hundedoc Jeanette Klemmt im Einsatz. (Foto:Stefan Oberwalleney/rbb)
Video: rbb24 | 01.10.2023 | Material: Stephan Oberwalleney | Bild: Stefan Oberwalleney/rbb

Wer kein Geld hat, schiebt eine notwenidge ärztliche Behandlung für den Hund schonmal auf. Tierärztin Jeanette Klemmt behandelt deswegen Hunde auch kostenfrei. Stefan Oberwalleney war einen Tag beim Hunde-Doc.

"Mensch Uwe, warum ist der Hund so fett? Du hast ihn doch erst seit einem Jahr": Mit diesen deutlichen Worten begrüßt Tierärztin Jeanette Klemmt ihren letzten Kunden vor der Sozialstation am Bahnhof Lichtenberg. Mit ihrer mobilen Einsatzpraxis behandelt sie die Tiere mittelloser Menschen.

Ohne Hund geht für viele nicht

Uwe ist ein alter Bekannter bei der Hunde-Doc. Er hat, wie fast alle hier, wenig Geld. Hunde hat er seit 36 Jahren. "Ich brauch das", sagt er. "Ohne Hund, geht gar nicht." Wenn Hunde-Doc nicht wäre, müsste seine Hündin auf die dringend notwendige Tollwut-Impfung so lange verzichten, bis Uwe das Geld für einen regulären Tierarztbesuch zusammengekratzt hätte. "Das ist viel Geld für mich und nicht leicht", sagt er und zupft an seinem langen grauen Bart. Die zwei Stufen in die mobile Hundearzt-Praxis fallen Hund und Herrchen sichtlich schwer, Uwe fast noch ein bisschen schwerer als seiner übergewichtigen Hündin.

Hundedoc Jeanette Klemmt im Einsatz. (Foto:Stefan Oberwalleney/rbb)
Jeanette Klemmt hat für jedes Tier ein Händchen. | Bild: Stefan Oberwalleney/rbb

Hündin bekommt Tollwut-Spritze

Jeanette Klemmt prüft die Papiere des Hundes, trägt die Impfung ein und setzt die Spritze. Die Hündin zuckt mit keiner Wimper. Aber damit ist es nicht getan. Neben der dringend notwendigen Diät - "Uwe, die muss fünf Kilo abnehmen, Minimum" - hat die Hündin auch noch hartnäckigen Zahnstein. Der lässt sich nicht mal so eben wegkratzen. Hier ist ein weiterer Termin fällig.

Außerdem bekommt Uwe noch eine umfangreiche Belehrung in Sachen Ausgeh-Verhalten. Einmal am Tag, das sei definitiv zu wenig und ausgesprochen ungesund für den Hund, befindet die Tierärztin. "Und den Ernährungsplan befolgst du bitte!", ermahnt sie ihn. Uwe versucht kurz gegenzuhalten, gibt sich dann aber kleinlaut geschlagen.

Niemand mit aktutem Problem soll abgelehnt werden

Fünf Behandlungen hat die Hunde-Doc an diesem Donnerstag vor dem Kontaktladen "Enterprise" in der Eitelstraße 86 in Lichtenberg. Termine werden direkt bei den teilnehmenden Organisationen gebucht, so dass auch nur Bedürftige kommen. Aber niemand, der spontan mit einem akuten Problem erscheint, soll abgelehnt werden.

Als "TÜV" bezeichnet Jeanette Klemmt ihr tierärztliches Angebot. Das umfasst Beratung, tiermedizinische Grundversorgung sowie kleinere Behandlungen und Eingriffe. Für Operationen und Kastrationen gibt es gesonderte Termine nach Absprache - auch dann soll eine kostenlose Behandlung ermöglicht werden. Nur in Ausnahmefällen wie zum Beispiel bei einer Dauermedikation sollen sich die Halter:innen, wenn irgendwie möglich, an den Kosten beteiligen.

Hundedoc Jeanette Klemmt im Einsatz. (Foto:Stefan Oberwalleney/rbb)Mal schnell eine Spritze aufgezogen.

Herrchen und Frauchen haben wenig Geld

Schon bevor die Tierärztin anrückt, warten die Menschen geduldig mit ihren Hunden. Unter ihnen ist auch Tini mit Hündin Kira. Der junge Hund laufe "komisch", sagt Tini, trippelt und hüpft immer wieder auf drei Beinen. "Liegt es vielleicht am Wachstum?", mutmaßt sie. Auf jeden Fall will sie das von Jeanette Klemmt checken lassen.

Die beiden kennen sich seit mehreren Jahren. Als die Tierärztin die Hündin laufen sieht und anschließend die Kniegelenke überprüft, ist die Diagnose schnell klar. Mit Wachstum hat es wenig zu tun. Bei Kira sitzt die Kniescheibe extrem locker und springt immer wieder raus. Ein angeborener Fehler, der eine Operation notwendig macht.

Auch hier unterstützt Hunde-Doc mit einem OP-Termin in einer Tierarztpraxis, die auch einmal ein Auge zudrückt. Die Tiere der Menschen, die zur Hunde-Doc kommen, sind in keinem anderen Zustand, als die der zahlenden Kundschaft in den normalen Tierarztpraxen, sagt Jeanette Klemmt ohne zu zögern.

Was sie allerdings unterscheide: Ihre Herrchen und Frauchen haben wenig oder gar kein Geld. Deshalb würden notwendige Behandlungen aufgeschoben. Außerdem sei es den Menschen unangenehm, darauf angesprochen zu werden, zu lange mit dem Tierarztbesuch gewartet zu haben.

Hundedoc Jeanette Klemmt im Einsatz. (Foto:Stefan Oberwalleney/rbb)Wie sieht es in den Hundeöhrchen aus?

Projekt wird zu 100 Prozent aus Spenden finanziert

Bei allem Einfühlungsvermögen, das sie bei der Behandlung gegenüber ihren Klient:innen ausstrahlt, das Tierwohl steht bei Jeanette Klemmt, so wirkt es, immer an erster Stelle. Das Projekt "Hunde-Doc" muss - so sieht es die Tierärztin - auf jeden Fall fortgeführt werden. Der Bedarf sei riesig und werde eher noch größer. Wie lange sie das selbst noch machen wird, da bleibt sie vage.

Seit 23 Jahren ist sie im Einsatz und am 25. September wurde sie für ihre Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Aber 23 Jahre sind eine lange Zeit und letzten Endes gehe es ihr auch ums Überleben. Sie persönlich komme mit ihren Einsätzen kaum über die Runden und das Projekt selbst ist zu 100 Prozent auf Spenden angewiesen. Keine Spenden, das bedeutet Jeanette Klemmt zufolge: kein Hunde-Doc.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 01.10.2023, 19:30 Uhr

29 Kommentare

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  1. 28.

    Dieses super Engagement der Tierärztin erinnert mich stark an die Frau Gräfin von Maltzan, denn diese außerordentlich bemerkenswerte Frau hatte sich im späteren Lebensalter überwiegend mit benachteiligten Randgruppen beschäftigt. Sie war damals in ganz Westberlin bekannt dafür als sozial engagierte Tierärztin.

  2. 27.

    Na Sie wissen aber richtig Bescheid. Von einer Stunde zur anderen war mein Kater Todkrank. 2 Monate intensivste Behandlung in der Uniklinik und ca. 6.000 Euro waren da fällig. Bitte nicht so überheblich urteilen.

  3. 25.

    Danke für Ihre tolle Arbeit, Frau Klemmt! Möge es Nachfolger geben! Stand leider nicht im Artikel, aber hier kann man spenden:
    Das Projekt HundeDoc wird ausschließlich durch Spenden finanziert. Deswegen sind wir für jegliche Zuwendungen – egal in welcher Höhe – dankbar. Sie können auf folgendes Spendenkonto überwiesen werden:
    spendenKonto
    Stiftung SPI

    Bank für Sozialwirtschaft
    IBAN: DE65100205000003112105
    BIC: BFSWDE33BER
    Bitte geben Sie unbedingt als Verwendungszweck „Spende HundeDoc“ an.

  4. 24.

    Einfach mal ein riesengroßes Lob!
    Solche Leute sind die wahren Aktivisten.

  5. 23.

    Na da wäre ich mir nicht so sicher, denn Tiere, egal ob Katze, Hund oder Nacktschnecke stellen keine Forderungen oder vorverurteilen nicht. Sie sind einfach für einen da. Auf die, oft aufgezwungene, Gesellschaft von Menschen kann ich meistens gern verzichten.

  6. 22.

    Und oft sind Tiere einfach die besseren Begleiter. Mitmachen sind meistens unzuverlässig und oft eher lästig.

  7. 21.

    Viele Senioren leben in Einsamkeit, da ist eine Katze oder ein Hund wichtig für sie. Manche haben eine kleine Rente, sie teilen die Kosten der Grundnahrung mit einem Tier. Ich finde es toll! Der Ärztin gebührt mehr als ein Orden, sie ist noch Mensch geblieben. Davon sollte sich manche Arztpraxis ein Beispiel nehmen, die sich mit Privat-Patienten bereichern.

  8. 20.

    Klasse, die Auszeichnung hat sie verdient.
    Denn gerade für den Personenkreis sind die Tiere der letzte Halt im Leben.

  9. 19.

    Hochachtungsvoll bedanke ich mich für Ihre Arbeit.

    Die Gesellschaft sollte sich eben einmal fragen, warum es Menschen gibt, die kein Geld für ihre treuen Begleiter haben ... statt dessen wird nach "unten" getreten, ohne Herz und Verstand. Ist auch einfacher, anstatt mal nach "oben" zu rufen und zu fragen, wo das Geld bleibt, was die einfachen Menschen hier erwirtschaften. Stimmt der Aktionär muss ja seinen goldenen Kaffeelöffel behalten dürfen, der einfache Mann aber nicht sein Haustier.

    Bravo Deutschland!

  10. 18.

    Seit 36 Jahren hält der Mann Hunde, und dann hat er (immer) noch keine Ahnung, wie oft und lange er mit dem Tier rausgehen muss und wieviel Futter dem Hund gut tut und was nicht? Au backe.... Das spricht nicht fr eine verantwortungsbewusste Haltung.

  11. 17.

    Es gibt Gründe, warum manche Menschen lieber Kontakt zu Tieren, als zu anderen Menschen haben. Spenden sind freiwillig. Viele Menschen geben gern und grosszügig. Das hat nichts mit "sich freikaufen" zu tun.
    Sie selbst helfen lieber Menschen, andere Menschen helfen den Tieren, wieder andere Menschen helfen Mensch und Tier...
    Es bringt nichts, anderen Menschen, die eigene Meinung "aufzwingen" zu wollen. Besser ist zuhören, über Gehörtes nachdenken... Frieden...

  12. 16.

    Wäre schön, wenn sich alle, die jetzt so mit den Tieren mitfühlen, sich im gleichen Maße um deren Besitzer kümmern würden. Menschen gegen Einsamkeit ist nämlich deutlich besser als Hund oder sonstiges Getier als einziger Ansprechpartner. Der Artikel wirbt zwar ausdrücklich für Spenden. Aber mit einer Spende für den Tier-Doc kann man sich nicht von der Fürsorge für die armen Tierbesitzer freikaufen.

  13. 15.

    Mein allerhöchsten Respekt für diese selbstlose Arbeit! Hier Spende ich gerne.

  14. 14.

    Hunde sind so wunderbare Wesen. Sie lieben einfach. Mensch dagegen...
    Gut, dass es Ärzte / Ärztinnen gibt, die den Tieren kostenfrei helfen... Danke, im Namen der Tiere und ihrer Besitzer.

  15. 13.

    „ Woher soll man bei Anschaffung wissen was da evtl. auf einen zukommt.“
    Wie bitte? Tiere sind keine Spielzeuge sondern Lebewesen und können krank werden. Das Tierärzte Geld kosten, weiß doch wohl jeder! Vorher nachdenken wäre hilfreich!

  16. 12.

    Und, was auch gerne vergessen wird ist, dass jeder Mensch, der Tiere hat, durch Schicksalsschläge, Krankheit oder unverschuldet Arbeitslosigkeit auch in Not geraten kann. Dafür kann kein Tier in Obhut etwas und jeder, der sein Tier nicht abgibt, sollte auch mit Respekt behandelt werden.

  17. 11.

    Hiermit möchte ich anmerken, das nicht nur ein Hund des Menschen bester Freund ist, sondern auch eine Katze. Eigentlich jedes Haustier.

  18. 10.

    Für diese Menschen sind es aber treue Begleiter, soziale Kontakte wird es nicht so viele geben. Man sollte sowas nicht unterschätzen, auch wenn es (zugegeben auch mir) oft schwer fällt, wenn ich Menschen mit Hund auf der Straße sitzen sehe und um eine kleine Spende bitten.
    Wir haben selbst zwei Katzen, und es ist einfach unglaublich, was diese einem geben können einfach durch ihr Schnurren, wenn sie bei dir liegen und sich ankuscheln. Das lässt soviel Anspannung und Stress des Tages vergessen.

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