Keine Löwin in Kleinmachnow - Ein Ort hat Schwein

Sa 20.07.24 | 08:10 Uhr | Von Anna Bordel
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Archivbild: Im Garten eines Rentners aus Spremberg (Brandenburg) steht ein Wildschwein. (Quelle: dpa/Pleul)
Video: rbb|24 | 20.07.2024 | Material: Archiv | Bild: dpa/Pleul

Vor einem Jahr wurde eine Löwin um Kleinmachnow gesucht, aber nur Wildschweine gefunden. Diese Suchaktion gab den Blick frei auf ein Schauspiel, das weiterhin aktuell ist: Wie geht die Gemeinde mit täglichen Wildschweinbesuchen um? Von Anna Bordel

Wie schön muten Pfingstrosen hinter Stacheldraht an? Schadet es Blüten, wenn sie an Strom stoßen? Fragen, die Anwohner:innen in der Kleinmachnower Waldsiedlung im Kampf gegen ungebetene Wildschweinbesuche im eigenen Garten umtreiben dürften. Dort reiht sich ein Traumhaus plus Märchengarten an das andere. Manche herrschaftlich mit Säuleneingang und doppelter Garage, andere familiär mit Rutsche und Lampions im Garten und wieder andere eher bäuerlich mit Fachwerk-Fassade.

Elektrozaun in Kleinmachnow. (Quelle: rbb/Bordel)
Bild: rbb/Bordel

Sehr viele Grundstücke sind umzäunt. Einige haben bis zur Straße hin brusthohe Metallzäune um ihr Grundstück gebaut. Andere haben die Vorgärten mit kniehohem Elektro- oder Stacheldrahtzaun umfriedet. Und wieder andere belassen es bei Buchsbäumen. Und das mit dem Zaun ist in Kleinmachnow keine Beliebigkeit. Das Thema Zaun ist hier ein Politikum, das Kleinmachnow in mindestens zwei Lager spaltet.

Wühlen, kacken, rempeln

Seit Jahren leben in den Wäldern, die an Kleinmachnow grenzen, Wildschweine. Und die werden immer forscher und – wenn man den Kleinmachnowern glaubt – auch immer mehr. Vor einem Jahr sollte sogar eine Löwin durch die Gegend streifen, die dann aber doch bloß ein Wildschwein gewesen ist, wie sich nach 30 Stunden, einem 100.000-Euro-schweren Polizeieinsatz und zahllosen Medienberichten bis hin nach New York herausgestellt hat. Während die Löwin also schnell wieder verschwand, ist die Wildsau offenbar geblieben.

Die Wildschweine kommen zu jeder Tageszeit in das Wohngebiet, wie einige Anwohner erzählen, kacken auf die Straßen, wühlen sich durch die Gärten und versuchen Mülltonnen umzuschmeißen, so die Berichte von Anwohnern. "Es ist grausam", sagt einer der Anwohner, "die Gemeinde tut einfach nichts". Ihm zufolge hat der Bürgermeister die Einwohner per Brief aufgefordert, ihre Gärten selbst mit einem Elektrozaun zu schützen. Angeblich soll ein Vertreter einer Nachbargemeinde sogar dazu aufgefordert haben, die Tiere mit Pfeil und Bogen selbst zu vertreiben, so der Anwohner. Selbstjustiz im Kleinmachnower Vorgarten also.

Schweine ohne Scheu

An diesem sommerlich warmen Julinachmittag, sind es vor allem Schmetterlinge, die sich durch die Vorgärten arbeiten. Aber einige Wegesränder sind umgegraben, frische Erde liegt zuoberst und in einigen Vorgärten sind Teile von Rasenflächen zerwühlt. "Früher kamen die Wildschweine ein Mal im Jahr in den eigenen Garten, jetzt kommen sie alle paar Wochen zu uns", sagt eine weitere Anwohnerin, und sie seien nicht scheu. Als sie zuletzt welche in ihrem Vorgarten gehabt hat, habe sie die Tiere mit einem Wasserschlauch verscheuchen müssen. Auch sie fordert den Abschuss von mehr Wildschweinen von der Gemeinde. Es müssten ja nicht alle sein.

Wenn sie die Kinder auf dem Spielplatz überraschen, dann retten die sich nach oben auf die Rutsche.

Anwohnerin aus Kleinmachnow

So sehen das aber nicht alle, die in Kleinmachnow wohnen. "Es sind die, die keinen Zaun haben, die sich beschweren", sagt eine Anwohnerin, die jeden Tag mit ihrem Hund durch die Wälder der Umgebung streift, so wie auch heute. Dabei habe sie schon oft Wildschweine gesehen. "Sie sind sehr zutraulich, auch die Kleinen schon", berichtet sie. Manchmal suche sie die Tiere sogar, "Sie wissen ja, Wildschweine riechen nach Maggi". Oft kämen die Tiere sehr nah an sie und ihren Hund heran. "Wer es sich leisten kann, hier ein Haus zu bauen, der kann auch einen Zaun bezahlen. Ich bin ja extra hierher gezogen, weil ich in die Natur möchte", findet sie.

Jagd an neue Pächter vergeben

Nicht alle sehen das Zusammentreffen mit den Wildschweinen so entspannt und es ist nicht bloß die Sorge um den Vorgarten, den einige umtreibt. Eine Anwohnerin erzählt, dass sie Angst um ihre Kinder hat, wenn die morgens zur Schule gehen. "Die Wildschweine kommen fast jeden Tag. Wenn sie die Kinder auf dem Spielplatz überraschen, dann retten die sich nach oben auf die Rutsche. Das ist nicht schön", sagt sie.

Ein Zaun um ihren Garten hilft ihr bei ihren Sorgen also nicht weiter. Als die Gemeinde Anfang des Jahres bei einer Treibjagd mehrere Tiere erlegt hat, sei es einige Zeit ruhiger gewesen, meint sie. Jetzt sei das aber wieder vorbei.

Wildschweinspuren in Kleinmachnow. (Quelle: rbb/Bordel)

Und die Gemeinde selbst? Hat die Jagd im Frühjahr in die Hände von zwei neuen Pächtern gelegt, wie sie Ende Juni mitteilt. Die wollen die Wildschweine nun gezielt aus den Wohngebieten in den Wald locken und dort "waidgerecht" bejagen, wie es weiter heißt. Außerdem sollten einige Problemschweine ausgemacht werden, die jede Scheu vor den Menschen verloren hätten und dieses Verhalten auch an ihre Jungen weitergeben würden.

Die Wildschweine sollten sich im Wald wohl fühlen, dafür sollten vor allem Hundebesitzer ihre Hunde anleinen. Und andersherum: Sie dürften sich in Wohngebieten nicht mehr so wohl fühlen. Dafür müssten um Gärten und Mülltonnen laut der Gemeindemitteilung vor allem eines aufgestellt werden: Zäune.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.07.2024, 7:00 Uhr

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Beitrag von Anna Bordel

21 Kommentare

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  1. 21.

    Wir sollten alle Tiere in Ruhe lassen und auch durch die Städte und Gemeinden laufen lassen,da wir ihnen doch ihren Raum weg genommen haben..dort wo die Wildschweine ständig vorbei kommen war früher alles Wald gewesen den wir abgeholzt haben und Häuser zu bauen..

  2. 20.

    Weniger offener Müll, weniger Nahrung für die Wildtiere im urbanen Raum. Gleich ob Wildschwein, Fuchs, Waschbär. Für den Garten hilft der Zaun.

  3. 19.

    Also ich wohne dort, schon was länger. Mir sind schon so viele Schweinderl begegnet. Keines war grantig. Mein Garten hat/braucht KEINEN Zaun. Nur ein einziges Mal musste ich einen Einzelgänger zurück zur Straße geleiten, im Nachthemd. Gab ne Ansprache meinerseits, und das Tier hat's dann auch verstanden, als ich bis zur Straße an seinen Fersen blieb. Gut, ich habe einen 240 l Innenmüllsack in der Restmülltonne, im geschlossenen Kompost landet nur Gartenabfall. In der gelben Tonne nur ausgespülte Verpackungen, alles in 50 l Müllsäcken. Mir wurde noch nie der Müll umgekippt, aber wenn ich umgekippte Tonnen sehe: davon kann Brot für die Welt eine Woche leben!
    Abends schauen wir uns derzeit gerne die Rotte an, die Frischlinge sind sehr süß :-) und so viele!

  4. 18.

    17. Sachse Dresden Samstag, 20.07.2024 | 19:51 Uhr
    15. Sachse Dresden Samstag, 20.07.2024 | 17:22 Uhr
    10. Sachse Dresden Samstag, 20.07.2024 | 14:36 Uhr
    Wenn hier einer nicht lesen kann, dann doch wohl Sie. Aber gute Idee - dabei kommt sws nichts sinnvolles raus.

  5. 17.

    Wahrscheinlich können Sie nicht so besonders gut lesen, zum verstehen meines Kommentars äußere ich lieber nicht.

  6. 15.

    Leider muss ich Sie enttäuschen, ich schreibe aus Brandenburg und Sachse muss nicht unbedingt etwas mit dem Bundesland zu tun haben, genauso so wenig wie Müller den Beruf eines Müllers ausüben muss .

  7. 14.

    Danke für diesen köstlichen Artikel. Ich verstehe die Anwohner sehr wohl und zutiefst. Jedoch, ich gestehe ein bei der Wortfindung des Redakteurs herzhaft aufgelacht zu haben. Ich habe unsere Rotten erfolgreich vergrämt. Ohne Waffe, ohne Chemie. Die Mädels gehen mit ihrem Kindergarten woanners lang.

  8. 12.

    Was sagt übrigens Herr Schulz, Fred-Werner zum Jahrestag?
    Er hat doch bestimmt einen passenden Lateinspruch auf Lager.

  9. 10.

    Dann aber Müsli werfen welches nicht Milch von Tieren enthält oder mit Honig gesüßt wurde.

  10. 9.

    So "einfach" ist das aber nicht. Setzen sie sich mal bitte mit der Problematik "Jagd im befriedeten Bezirk" auseinander. Der Begriff "befriedeter Bezirk" ist allerdings anders bzw. umfangreicher als bspw. im Nachbarschaftsrecht definiert. Von der erforderlichen Sondergenehmigung für die Jagd in Wohngebieten mal ganz abgesehen. Auch haftungsrechtliche Fragen spielen eine große Rolle. Kurz, auf der einen Seite sind ein paar umgestaltete Gärten, die kann man wildsicher machen, auf der anderen Seite die mögliche Gefährung von Menschenleben durch den Waffeneinsatz. Jagdmunition ist schon ziemlich speziell und einen "Abpraller", nach einem möglichen Durch- oder Fehlschuß, will niemand abbekommen. Selbst eine Bejagung mit Fallen, Lebendfallen, würde sofort "Tierschützer" auf den Plan rufen und vom Aufwand her indiskutabel sein. Kleinmachnow "einzäunen" und "Gatekeeper" einstellen wäre einfacher.

  11. 8.

    Wildschweine sind bekanntlich Allesfresser. Wirklich gefährlich werden sie, falls sie sich bedroht fühlen. Am schlimmsten sind dabei führende Bachen, wenn sie ihre Frischlinge gefährdet wähnen. Dies kann unter den beengten Verhältnissen eines Siedlungsraumes schnell vorkommen.
    Es wird auf Dauer auch für Kleinmachnow keine andere Möglichkeit geben, als ein paar zuverlässige Stadtjäger zu engagieren. Im Zusammenwirken mit den Jagdpächtern und Eigenjagdinhabern muss dann eine nachhaltige Bestandsreduzierung erfolgen.

  12. 7.

    , Natur sein lassen. Und die Parameter so verschieden dass die Wildschweine den Wald bevorzugen. Die verhaltensweisen der Population ist bekannt. Solange sie, die Wildschweine, lernen in der Siedlung gibt es Futter und es ist sicher, bleiben die dort. Wie war das noch drei Monate,drei Wochen & drei Tage ist die Zeit des tragens.

  13. 6.

    Lesen Sie doch einfach den verlinkten Artikel vom 24.07.2023 über die Hintergründe. Dann brauchen Sie Ihre Glaskugel für Vermutungen nicht.

  14. 5.

    Die Kleinmachnower tun mir sooo richtig leid (bloß gut, dass andere Gegenden kein ganzjähriges Schweineproblem haben). Bei dem ganzen Gejammer kommt bei mir ein Bauchgefühl auf, dass besagt - die angenommene Löwin in 2023 war nur eine tolle (Fotoshop-) Erfindung um Aufmerksamkeit zu erhaschen.

  15. 4.

    "Veganer an die Front, es gibt viel zu tun."
    Und? Was sollen die machen? Müsliwerfend die Grasnarbe verteitigen?

  16. 3.

    Gefühlt jeder zweite Kleinmachnower hat ein oder mehrere Raubtiere zu Hause (also Fleischfresser! Hund, Katze) und exakt null Berührungsängste.
    Wildschwein sind nun keine Raubtiere, sie wollen exakt nichts vom Menschen erbeuten, sondern nur in Ruhe gelassen werden. Vielleicht sollte man den Einwohnern beibringen, wie man friedlichen Umgang mit Wildschweinen pflegt, ohne gleich angstschreiend bis zum Horizont zu rennen.
    Und ihnen vor allem beibringen, daß Zäune ausreichen, um Gärten zu schützen, und Mülltonnen wegzusperren sind. Noch haben die Wikdschweine nicht gelernt, Türklinken zu bedienen - obwohl: so schlau wie die sind... sie haben ja auch gelernt, daß sie im Ort nicht bejagt werden (was wohl ziemlich wichtig für sie ist, glaub ich jedenfalls, wäre es jedenfalls für mich), und so einiges anderes....

  17. 2.

    Leider ist es hier in Teltow das gleiche Drama. Zu jeder Tageszeit trollen sich die Wildschweine im Wohngebiet. Die Stadt macht leider gar nichts. Ich fürchte es muss erst ein Kind verletzt werden. Dann wird man sich fragen wie das passieren konnte.

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