Weniger Bürokratie und Wartezeit - Hygge heiraten in Dänemark statt Standesamtfrust in Berlin
Wer in Berlin heiraten will, braucht viele Papiere und gute Nerven. Die Strukturen bringen vor allem interkulturelle Paare zur Verzweiflung. Viele von ihnen geben sich deshalb das Ja-Wort in Dänemark - dort läuft es oft schneller und unbürokratischer. Von Jenny Barke
Langsam steigt die Aufregung bei Andrés*. Die bestellten Ringe sind eingetroffen, das Auto ist gemietet, der Termin steht: Der 32-jährige Kolumbianer heiratet seinen Berliner Partner. Allerdings nicht in Berlin, sondern in Dänemark. Sie heiraten aus Liebe, aber auch aus Zeitnot, denn Ende Oktober läuft Andrés' Aufenthaltsgenehmigung aus, mit der er nach seinem Masterabschluss anderthalb Jahre in Deutschland bleiben durfte. In dieser Zeit musste er einen Job in seinem Fach finden. Doch mehrere Bewerbungsanläufe scheiterten und die Aufenthaltsgenehmigung kann nicht verlängert werden.
"Viele Unternehmen befürchten, dass sie für meine Aufenthaltsgenehmigung verantwortlich sind. Dass sie ein Arbeitsvisum sponsern müssen", erklärt Andrés auf Spanisch. Das habe seine Arbeitssuche erschwert. Ein Teufelskreis: So lange er keine qualifizierte Arbeit hat, bekommt er keine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Ohne diese aber wollten ihn viele nicht einstellen. Es ist nur ein Beispiel von vielen, das den deutschen Bürokratendschungel im Migrations- und Aufenthaltsrecht skizziert.
Andrés hat sich in Berlin in den vergangenen vier Jahren ein Leben aufgebaut, arbeitet in der Gastronomie, lernt Deutsch und lebt mit seinem Freund zusammen. Er möchte bleiben. Also entscheidet sich das Paar für einen Schritt, den es ohne Druck wohl erst später getan hätte. Andrés und sein Partner wollen sich das Ja-Wort nach einem Jahr Beziehung geben. Doch wer in Berlin auf schnelle Standesämter hofft, hat schon verloren.
Es fehlen Stellen in den Bürgerämtern aller zwölf Bezirke
Schon um neugeborene Kinder anzumelden, brauchen Berliner:innen zum Beispiel vielerorts einen langen Atem: Teils dauert die Ausstellung der Geburtsurkunden bis zu vier Monate. In Berlins Osten müssen Angehörige ein Vierteljahr darauf warten, dass ein Tod amtlich wird.
Die Lage hat sich seit Ende 2022 nochmal verschärft, als das geänderte Personenstandsrecht in Kraft getreten ist. Seitdem ist es möglich, Dokumente digital über ein Verwaltungsportal einzureichen. In Berlin hat das wegen der Umstellung die Vorgänge zunächst eher verlangsamt als beschleunigt. Hinzu kommt das neue Namensrecht und Selbstbestimmungsgesetz, mit dem künftig leichter Geschlecht und Vorname im Pass umgetragen werden können.
Schon im Sommer 2022 haben die zwölf Bezirke einen Bedarf von insgesamt 90 zusätzlichen Vollzeitstellen beim Senat angemeldet. Im Berliner Doppelhaushalt 2024/2025 finden sich diese Stellen aber nicht. Deshalb priorisieren nun viele Standesämter bestimmte Vorgänge. Anmeldungen zur Eheschließung gehören dazu, nicht aber Trauungen.
Standesämter trauen oft nicht mehr samstags
In Reinickendorf sind jüngst die Hochzeitstermine am Samstag eingestellt worden, andere Bezirke wie Charlottenburg-Wilmersdorf oder Mitte bieten sie seit Jahren nicht mehr an.
Den Wunschtermin im Wunschstandesamt zu bekommen, die Trauung anzumelden und durchzuführen ist schon für gemeldete Berliner Paare mit deutscher Staatsbürgerschaft ein nervenaufreibender Verwaltungsakt. Für interkulturelle Paare nimmt das Verfahren oft kafkaeske Züge an - nicht nur wegen der Personalnot, sondern auch wegen der deutschen Bürokratie.
Im Onlineforum Reddit tauschen User:innen ihre Erfahrungen aus. Ein US-amerikanisch-deutsches Paar schreibt beispielsweise, dass die vom US-Ministerium ausgestellte Geburtsurkunde nicht den exakten Geburtsort, sondern nur den County (Landeskreis) vermerkt - und das deutsche Standesamt deshalb eine neue Geburtsurkunde verlangt. Ein weiterer Eintrag lautet: "Meine Freundin (Albanerin mit noch befristetem Aufenthaltstitel) und ich (Bio-Deutscher) wollen heiraten." Es wird ein Ehefähigkeitszeugnis verlangt, was das albanische Standesamt aber nicht ausstellen würde.
Viele Kommentator:innen unter den jeweiligen Blog-Einträgen raten zu einer Hochzeit in Dänemark, wie "cbruegg": "Habe in Dänemark meine Frau (Chinesin) geheiratet, war super easy. Auch die Eintragung ins Eheregister in Deutschland war kein Problem, da wir in Kopenhagen die Eheurkunde automatisch in mehreren Sprachen bekommen haben."
Dänemark verlangt keine Geburtsurkunde
Der in Berlin lebende Kolumbianer Andrés wusste um die deutschen Komplikationen, als er sich mit seinem Freund dazu entschied, zu heiraten. "Wir haben gar nicht erst versucht, uns hier für einen Termin anzumelden. Der Zeit- und Bürokatieaufwand erschien uns zu groß."
Für Andrés gab es zwei schlagende Argumente für eine Trauung in Dänemark: Es wird keine Geburtsurkunde benötigt und im Schnitt dauert der Prozess zwei Monate. "In Deutschland braucht man so viele unnötige Papiere. Zum Beispiel diese Geburtsurkunde: Warum muss ich denn von Kolumbien dieses Dokument ausstellen und notariell beglaubigen lassen, wenn der kolumbianische Staat mir einen Reisepass ausgestellt hat, der beglaubigt, woher ich komme und wann ich geboren wurde?", fragt er sich.
Auch die kurze Wartezeit war für Andrés existenziell: Hätte er, wie in Berlin oft erwartbar, lange auf einen Trauungstermin warten müssen, hätte es sein können, dass seine Aufenthaltsgenehmigung zuvor erlischt. Manche interkulturelle Paare wollen auch innerhalb der dreimonatigen Frist heiraten, die einem der Aufenthalt als Tourist in Deutschland gewährt. In Berlin ist das schier unmöglich.
Fünf Tage Wartezeit nach Anmeldung
Das liberale Heiratsgesetz in Dänemark hat eine lange Tradition: "Seit den 1960er Jahren heißt Dänemark internationale Paare willkommen, zu heiraten", heißt es auf der Tourismus-Webseite Dänemarks. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten diese Möglichkeit vor allem viele US-amerikanisch-deutsche Paare genutzt. Bis heute gilt: Die dänische Behörde für Familienrecht, dänisch "Familieretshuset" (AFL), ist verpflichtet, Anträge innerhalb von fünf Werktagen zu bearbeiten. Die dänische Ehe gilt auch vor dem deutschen Gesetz, eine Anerkennung gelingt leicht: Nach der Trauung bekommt das Paar eine internationale Heiratsurkunde in Dänisch, Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch ausgestellt. Ehen zwischen Männern und Frauen werden weltweit anerkannt - gleichgeschlechtliche Ehen je nach Gesetzlage im Land der Meldeadresse.
Schleuser liebten diesen Trick
Doch nicht nur liebende Paare nutzen die unbürokratischen Wege, vor dem Gesetz verheiratet zu sein und damit ein sogenanntes abgeleitetes Freizügigkeitsrecht zu bekommen. Immer wieder werden Scheinehen aufgedeckt, regelmäßig geht die Bundespolizei gegen Agenturen vor, die arrangierte Ehen in Dänemark mit deutschen Staatsbürgern vermitteln. Auch Arrangements zwischen südosteuropäischen Partner:innen und Nicht-EU-Bürger:innen gehören zum Geschäft. Dänemark hat das Problem erkannt und seine Gesetze zum 1. Januar 2019 verschärft.
Inzwischen müssen nach Anmeldung bei der dänischen Familienbehörde AFL alle Anträge beim dänischen Familiengericht darauf geprüft werden, ob es sich wirklich um eine Liebesbeziehung handelt. Die Standesämter können die Trauung ohne Genehmigung des Gerichts nicht mehr vornehmen. 2023 wurden den dänischen Behörden zufolge etwa zehn Prozent der Anträge abgelehnt, rund 2.000 internationale Eheschließungen bei 20.500 Entscheidungen, die das Familiengericht zu treffen hatte.
Heiraten in Dänemark: Trend setzt sich fort
Dennoch: Die Zahl der Anträge auf Hochzeiten in Dänemark wächst kontinuierlich. Waren es 2019 noch 11.163, so stieg die Zahl bis 2023 auf 20.467 Anmeldungen. Auf rbb-Anfrage teilt das Familienministerium mit, dass dabei keine Nationalitäten registriert werden. Unklar bleibt also, ob auch das Interesse aus in Deutschland lebenden Menschen steigt.
Ein genereller Trend ist in jedem Fall erkennbar. Allein in Kopenhagen beim "Wedding Office" lag die Zahl internationaler Eheschließungen 2023 doppelt so hoch wie die von dänischen Paaren, teilt das Kopenhagener Rathaus auf rbb-Anfrage mit.
Heiratsagenturen bieten "Mayday-Service"
Durch die verschärften Gesetze hat sich auch die Wartezeit auf einen Hochzeitstermin bei Andrés und seinem Berliner Partner unerwartet verlängert, wie der Kolumbianer sagt: "Leider haben die Behörden unseren Fall nicht direkt genehmigt, sondern weitere Informationen und Beweise für unsere Beziehung eingefordert."
So reichten sie alles ein, was ihre Liebe beweisen konnte, seit sie sich vor einem Jahr in einer Neuköllner Bar kennenlernten: Fotos, Chatverläufe, gemeinsamer Mietvertrag. Die Bearbeitung dieser Beweise dauerte sieben lange Monate, eine nervenaufreibende Zeit für den Kolumbianer, dessen Aufenthaltsrecht langsam ablief. "Das war alles nicht besonders leicht für uns, unser Privatestes öffentlich zu machen. Aber gut, ich habe mich für das Spiel entschieden und musste die Spielregeln akzeptieren." Gleichzeitig versteht Andrés auch, dass es notwendig ist, Betrug und Scheinehen zu verhindern.
Weil ihr Fall schließlich doch komplizierter wurde als anfangs gedacht, schaltete das deutsch-kolumbianische Paar schließlich eine Heiratsagentur ein, die auf Trauungen in Dänemark spezialisiert ist. Sie hakte bei der zuständigen Behörde nach, die schließlich der Anmeldung zur Hochzeit stattgab.
Unzählige dieser Heiratsagenturen finden sich im Internet, die Preise reichen von etwa 300 Euro bis zum Rundum-Sorglos-Paket für bis zu 1.000 Euro. Den individuellen Bedürfnissen ihrer Kund:innen angepasst, gibt es Agenturen mit speziellen Paketen wie dem "Mayday-Service", wenn es besonders schnell gehen muss.
Trauung nur zu zweit
Andrés kann sich inzwischen auf die anstehende Hochzeit in Dänemark freuen, auch wenn es wegen der Verzögerungen nicht die geplante Sommerhochzeit wird. Er hofft, im Anschluss mit seinem neuen Aufenthaltsstatus auch schneller einen Job in seinem Beruf als Marketing-Experte zu finden. Dann könnte er seine jetzige Arbeit in der Gastronomie aufgeben.
Jetzt lässt bei dem Paar aber erstmal die Anspannung nach, denn ab jetzt geht es nicht mehr um Papiere, sondern um ihre Liebe. Zelebrieren werden sie die Hochzeit allerdings nur zu zweit, direkt nach der Trauung kehren sie am gleichen Tag zurück nach Berlin. "Viele Freunde wollten uns nach Dänemark begleiten, aber wir haben entschieden, allein zu heiraten und die große Feier dann in Berlin zu planen." Denn bei allen Vorteilen, die Dänemark bietet: Günstige Preise und Mieten für Restaurants, Unterkünfte und Feier-Locations gehören nicht dazu.
* Name und Alter auf eigenen Wunsch zur Wahrung der Anonymität geändert.