Coronavirus und Arbeitsrecht - "Der Arbeitnehmer kann sagen: Nein, da möchte ich nicht hin"
Die Ausbreitung des Coronavirus macht auch vor dem Arbeitsplatz nicht halt. Arbeitnehmer stellen sich nun die Frage, welche Rechte sie haben und wie sie reagieren müssen. Fachanwalt für Arbeitsrecht Ulf Weigelt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Das Coronavirus breitet sich weltweit immer stärker aus - auch in Deutschland. Auch in Berlin gibt es seit Sonntag den ersten bestätigten Fall einer Infektion.
In stark betroffenen Regionen wie Norditalien ist das öffentliche Leben inzwischen stark eingeschränkt: Ortschaften wurden abgeriegelt, Infizierte und mögliche Infizierte unter Quarantäne gestellt und Unternehmen vorübergehend geschlossen.
Was würden solche Maßnahmen für Arbeitnehmer in Deutschland bedeuten? Wie müssen Sie sich im Falle des Ausbruchs der Krankheit am Arbeitsplatz oder in der Kita verhalten? Was steht Ihnen zu? rbb|24 hat dazu den Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht Ulf Weigert gefragt.
rbb|24: Herr Weigelt, was ist, wenn mein Betrieb dicht gemacht wird?
Ulf Weigelt: Wenn der Arbeitgeber sich entscheiden sollte, dass Unternehmen wegen des Ausbruchs des Virus zu schließen, ist das seine Entscheidung. Der Arbeitnehmer muss aber in voller Höhe vergütet werden.
Auch im Fall einer Krankmeldung oder Quarantäne bekommt der Arbeitnehmer weiter sein Gehalt gezahlt.
Eine einvernehmliche Freistellung durch den Arbeitgeber ist natürlich auch möglich. Aber wie wir Arbeitsrechtler sagen, ist der Arbeitnehmer ja in diesem Fall bereit, seine Arbeit zu vollbringen. Indem der Arbeitgeber das nicht wahrnimmt, gerät er in Verzug. Das muss also vergütet werden.
Darf mich mein Arbeitgeber auf Dienstreise in betroffene Gebiete schicken?
Da muss man erstmal in seinen Vertrag schauen. Kann ich woanders eingesetzt werden? Außerdem tritt in diesem Fall die Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers in Kraft. Da muss man abwägen, was wichtiger ist: das Wohl des Arbeitnehmers oder der Vorteil des Unternehmens. Der Arbeitnehmer kann dann unter diesen Umständen trotzdem sagen: 'Nein, da möchte ich nicht hinreisen.' Ich denke, ein Arbeitsgericht wird aufgrund der Fürsorgepflicht eine solche Reise für unzulässig erklären.
Darf ich zu Hause bleiben, wenn die Kita oder Schule meines Kindes geschlossen ist?
Die Betreuung der Kinder ist eine Sache der Arbeitnehmerschaft, die in Absprache mit dem Arbeitgeber zu Hause zu gewährleisten ist. Der Arbeitnehmer wird dann aber nicht bezahlt. Es muss zu einvernehmlichen Absprachen kommen, sonst bedeutet ein Nicht-Erscheinen das unentschuldigte Fehlen vom Arbeitsplatz.
Angst vor Viren in Bus und Bahn: Ist das ein Grund, nicht in die Arbeit zu kommen?
Nein, das ist es nicht. Das Thema ähnelt hier einem Streik. Jeder muss selbst dafür Sorge tragen, wie er zu seinem Arbeitsplatz kommt.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber trotz eines Krankheitsfalles nicht die Einrichtungen schließt und auf die Anwesenheit der Arbeitnehmer besteht?
Bei milder Symptomatik, zum Beispiel einem Schnupfen, geht der Arbeitnehmer einfach zum Arzt. Eine Schließung des Unternehmens ist nicht notwendig. Bei schwerwiegenderen Fällen, greift das Infektionsschutzgesetz und sieht vor, wie sich Arbeitgeber und -nehmer zu verhalten haben. In dem Fall kann eine Schließung der Einrichtung erzwungen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Efthymis Angeloudis, rbb|24
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