#Wiegehtesuns? | Bestattungsunternehmer - "Trauer in der Gemeinschaft ist einfacher"
Etwa jeder dritte Tote in seinem Bestattungsinstitut sei Covid-Patient gewesen, schätzt Andreas Dieckmann. Er ist Bestattungsunternehmer in Brandenburg an der Havel. In der Corona-Pandemie hat sich seine Arbeit verändert - und es sind neue Probleme entstanden. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Schutzanzüge und FFP2-Masken liegen mittlerweile standardmäßig in den Bestattungswagen von Bestattungsunternehmer Andreas Dieckmann aus Brandenburg an der Havel. Er will seine Mitarbeiter schützen, falls sie einen Menschen abholen müssen, der an oder mit dem Coronavirus gestorben ist. Aktuell sei etwa jeder dritte Tote in seinem Bestattungsinstitut Covid-Patient gewesen, sagt er. Beratungen finden nun häufiger telefonisch oder per Videokonferenz statt. Auch die Trauerfeier bedeutet für die Bestatter mehr Aufwand als sonst – selbst wenn sie jetzt im kleinsten Kreis stattfinden muss. Die Maskenpflicht gilt trotzdem, und auch Kontaktlisten müssen geführt werden.
Wenn die Klinik uns über die Infektion informiert, ziehen wir gleich einen Vollschutz an. Der zeitliche Aufwand ist schon enorm: Schutzkleidung an, Schutzkleidung aus usw.. Das ist mittlerweile richtig groß geworden, das sind etliche Minuten, die wir mehr Aufwand haben. Und dann muss das danach auch wieder so im vollen Schutz ausgezogen werden. Entsorgt wird die Schutzkleidung nicht im Hausmüll, sondern sie wird chemisch verbrannt, damit das Virus keine Chance hat. In vielen Fällen ist es auch schon so gewesen, dass wir später informiert wurden nach der Abholung, dass derjenige infektiös war, deswegen schützen wir uns.
Ich rate den Angehörigen auch bei Corona-Fällen dazu, sich bewusst zu verabschieden. Dieses "Behalten Sie ihn/sie so in Erinnerung" ist manchmal der schlechteste Weg. Man kann eine Verabschiedung auch unter Einhaltung der Hygieneregeln durchführen, am offenen Sarg oder am geschlossenen. Je nachdem, wie die Familie es möchte oder wie man es als Bestatter anbietet. Verabschiedungen sind immer wichtig, denn viele Familien konnten nicht mehr in die Kliniken rein, konnten nicht mehr denjenigen im Altenheim besuchen. Da ist es wichtiger denn je, nochmal das letzte Mal Lebewohl zu sagen.
Man merkt, dass die Leute den Friedhof nach der Trauerfeier einfach nicht mehr verlassen wollen. Die klassische Kaffeetafel ist ja im Moment nicht möglich. Restaurants haben nicht offen, können keine Trauertafel ausrichten, sodass man danach sang und klanglos auseinandergeht. Diese Trauerbewältigung ist aber wichtig, das Zusammensitzen, den Lebensabschnitt ordentlich zu beenden. Der neue Abschnitt beginnt ohne Oma, ohne Opa. Und das macht was mit den Leuten, auf jeden Fall.
Trauer ist keine Krankheit, aber Trauer kann krank machen, wenn sie nicht durchlebt ist. Und eine Trauer in der Gemeinschaft ist einfacher. Es könnte eine Entwicklung sein, dass sich die Leute auch künftig nur noch im Familienkreis verabschieden möchten. Aber auch das kann Langzeitfolgen haben. Dass man sich später rechtfertigen muss: Was macht denn Mutter eigentlich? - Die ist doch vor zwei Jahren schon gestorben. Wir haben es nur im Familienkreis durchgeführt. Ich glaube, das ist etwas, was kommen kann. Aber was nicht gut ist.
Manchmal geht es in diesen Corona-Zeiten auch um Gewissenskonflikte: Nachdem zum Beispiel in einem Fall die Ehefrau gestorben war, hatte die Familie den Ehemann in ein Altenheim gebracht. Dort war er gut untergebracht, fühlte sich auch wohl. Aber er starb dort jetzt an den Folgen von Corona. Und da kommen bei den Angehörigen natürlich die Vorwürfe: Hat man das richtig gemacht? Ist das das richtige Heim gewesen? Hat man den Vater alleingelassen? Andersherum muss man auch sagen, es wäre zuhause nicht mehr gegangen. Auch das müssen wir begleiten.
Es gibt auch Dinge, bei denen man selbst an Grenzen kommt, wo man sagt: Mein Gott, was ist das eigentlich? Wie bei einem 23-Jährigen, der nach Covid-19 verstorben ist. Auf der anderen Seite betreuen wir auch die Angehörigen von "Querdenkern" und anderen, die diese Krankheit erst im Nachhinein begriffen haben. Da gab's einige Beispiele. Die Krankheit ist allgegenwärtig, das Virus ist allgegenwärtig - und die Familie, die Angehörigen müssen das jetzt ausbaden.
Gesprächsprotokoll: Amelie Ernst
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