#wiegehtesuns? | Der Straßenmusiker - "Ich würde das Spielen am U-Bahnhof jedem Einsteiger, aber auch Profi empfehlen"
Livemusik in den Berliner U-Bahnhöfen hat eine 36-jährige Tradition. Doch mit dem Beginn der Corona-Pandemie hatte die BVG das Musizieren verboten. Nun geht es wieder los. Mit dabei ist Musiker Reinhard Michel, trotz kalter Finger. Ein Gesprächsprotokoll
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Reinhard Michel macht seit 20 Jahren Musik an unterschiedlichen Orten in Berlin. Am liebsten spielt er privat mit Freunden auf Hochzeiten. Das Musizieren an den U-Bahnhöfen ist für ihn ein Hobby, um in Übung zu bleiben. Nach dem Verbot während der Pandemie, können Musiker seit Donnerstag wieder an Berliner U-Bahnhöfen musizieren.
Ich habe angefangen an U-Bahnhöfen zu spielen, weil mir beim Gitarre spielen das Publikum gefehlt hat. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass man in Bahnhöfen ein großes Publikum erreichen kann, weil die Leute immer rotieren. Mir hat vor allem gefallen, dass ich mich auch mal verspielen konnte und es in der nächsten Runde dann besser machen konnte. Als ich dann regelmäßig gespielt habe, fingen einige Menschen auch an, mich für Privatveranstaltungen zu buchen.
"Ich habe das Gefühl, dass die Menschen sich darüber freuen, hier wieder Musik zuhören."
Als man dann wegen der Pandemie nicht mehr spielen durfte, war das auf jeden Fall eine Umstellung für mich. Aber zum Glück war es finanziell kein Drama, weil ich berufstätig bin und im Homeoffice arbeiten konnte. Ich habe die Zeit zu Hause dann genutzt, um Youtube Videos aufzunehmen und mir andere speziellere Musikstücke vorzunehmen.
Trotzdem muss ich zugeben, dass ich es vermisst habe an den U-Bahnhöfen zu spielen. Umso mehr hat es mich gefreut meine Genehmigung heute abzuholen. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen sich auch sehr darüber freuen, hier wieder Musik zuhören. Ich merke das vor allem am Umsatz.
Ich glaube viele Musiker:innen haben es noch nicht mitbekommen, dass man an den Bahnhöfen wieder spielen darf. Es waren gerade mal vier Menschen bei der Anmeldung. Aber es kann auch sein, dass es ihnen einfach noch zu kalt ist. Ich muss mich auch zwischendurch in einem Café mit einem heißen Tee aufwärmen. Gerade das Gitarre spielen fällt einem echt schwer, wenn die Finger kalt sind. Länger als drei Stunden halte ich es nicht aus.
Mein Lieblingsort, den ich mir immer gern reserviere, ist Stadtmitte. Hier kommen immer viele Menschen vorbei und es wird nie langweilig. Nur die Lautsprecher-Durchsagen und das Einfahren der Züge stört zwischendurch.
Meiner Erfahrung nach, ist die beste Zeit zwischen 15 und 17 Uhr. Wenn die Menschen Feierabend und gute Laune haben. Noch besser ist es kurz vorm Wochenende. Vormittags laufen hier die meisten sehr grimmig vorbei und wollen am liebsten gar nichts hören.
"Das Publikum ist so vielfältig und man bekommt gutes Feedback"
Ich würde das Spielen am U-Bahnhof jedem Einsteiger, aber auch Profi empfehlen. Das Publikum ist so vielfältig und man bekommt gutes Feedback. Natürlich gibt es auch mal schlechte Erfahrungen. Manchmal laufen Jugendliche zum Beispiel extra laut vorbei oder Kinder greifen einfach ins Geld und rennen weg. Das gehört alles mit dazu. Dennoch überwiegen die positiven Aspekte.
Das Gespräch führte Kelly Boachie
Sendung: Radio Fritz, 09.02.2023, 16:40 Uhr