Eckpunkte für Neuorganisation - Berliner Senat plant grundlegende Verwaltungsreform

Di 29.11.22 | 20:59 Uhr
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Symbolbild: Bürgeramt, Rathaus Spandau, Carl-Schurz-Straße (Quelle: dpa/Bildagentur-online)
Audio: rbb24 Inforadio | 29.11.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa/Bildagentur-online

Der Berliner Senat hat am Dienstag über Eckpunkte beraten, um die Verwaltungsstrukturen neu zu organisieren und die Landesbehörden besser aufzustellen. IT- und Verwaltungsstaatssekretär Ralf Kleindiek (SPD) kündigte am Dienstag an, dass sich der Senat bis Januar auf Eckpunkte für entsprechende Gesetzesänderungen verständigen wolle. Kleindiek sprach vom weitreichendsten Reformvorhaben seit der Bezirksreform von 2001.

Einheitliche Standards für Dienstleistungen

Ein Ziel der Reform sei es, klare Verantwortlichkeiten zu schaffen, betonte der Staatssekretär. So müsse genau definiert werden, für welche Aufgaben das Land allein zuständig sei. Daneben gebe es Aufgaben von gesamtstädtischer Bedeutung, die nach einheitlichen Standards von den Bezirken im Auftrag des Landes wahrgenommen werden sollten. Dazu zählten die Dienstleitungen der Bürgerämter. "Reine" Bezirksaufgaben wären in dieser Systematik etwa Leistungen im Jugendbereich oder in der örtlichen Kulturpolitik, die die Bezirke nach lokalen Bedarfen eigenverantwortlich erbringen könnten.

In diesem Zusammenhang betonte Kleindiek, dass als Grundprinzip gelten müsse: Wer Aufgaben übernehme, bekomme dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel. Die Verwaltung brauche insgesamt eine "neue Kultur" des Möglichmachens. Kleindiek nannte hier das Instrument der "Genehmigungsfiktion". Wenn ein Amt nicht innerhalb einer gesetzten Frist eine angefragte Genehmigung erteile, dann gelte diese Genehmigung automatisch als erteilt.

Verfassungsänderung nur mit Opposition machbar

Für diesen Teil seiner Reformvorschläge seien lediglich einfache Gesetzesänderungen notwendig, zeigte sich Kleindiek optimistisch. Die rot-grün-rote Koalition hat unter anderem verabredet, dafür das Allgemeine Zuständigkeitsgesetz (AZG) anzupassen beziehungsweise zu ersetzen. Für weitergehende Verbesserungen müsste die Verfassung des Landes geändert werden. Dazu braucht es die Opposition, da nur so die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zusammenkommt.

Als Beispiel für weitreichende Änderungen nannte der IT- und Verwaltungsstaatssekretär die Richtlinienkompetenz für Bezirksbürgermeister und die Einführung des politischen Bezirksamts. Im politischen Bezirksamt würde die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auch das Bezirksamt wählen – genau so wie das Abgeordnetenhaus den Senat wählt. Derzeit ist das Bezirksamt ein Kollegium, in dem alle großen Fraktionen in einer BVV anteilig Mitglieder haben.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nannte das politische Bezirksamt einen "echten Game-Changer", weil dann klarer werde, wer in den Bezirken für die jeweilige Politik die Verantwortung trage.

Lob vom IHK-Präsidenten

Kleindiek sprachtsich auch dafür aus, dem Senat eine umfassende Fachaufsicht über die Bezirke zu geben. Damit könnten Prozesse deutlich beschleunigt werden und reine Managementaufgaben "entpolitisiert" werden, begründet er seinen Vorschlag. Erforderlich wäre dafür ebenfalls eine Änderung der Verfassung.

Lobende Worte für das Reform-Paket kamen aus der Wirtschaft. "Endlich lässt der Senat Mut zu einer echten Verwaltungsreform erkennen und nimmt die Berliner Landesverfassung mit in den Blick", sagte der Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer, Sebastian Stietzel.

Nicht zufrieden zeigt sich dagegen die oppositionelle FDP. "Der rot-grün-rote Senat frickelt weiterhin am Status Quo herum", kritisierte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.11.2022, 19:30 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    "Gleichzeitig stellt der Staat aber unverdrossen weiter immer neue Gesetze und Regelungen auf, die die Verwaltungen weiter belasten. "

    Warum tun Reichsbürger o.ä. immer so als wäre "der Staat" eine feindlich anmutendes abstraktes Gebilde? Davon abgesehen haben sie recht damit dass die Verwaltung ein Monstrum geworden ist welches hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist.

    In Berlin kommt noch hinzu dass 20 lang der ÖD bis fast zum Ruin kaputtgespart wurde. Der Bankenskandal lässt grüßen.

  2. 9.

    Hört sich ja alles gut an aber daß dieses schon 2001 in Anlauf genommen werden soll verstehe ich nicht wieso dieses so lange dauert. Soll dadurch die Verwaltung etwa Bürgerfreundlicher werden.

  3. 8.

    Nein, Berlin hat sehr wohl ein massives Verwaltungsproblem, so wie im Übrigen der Rest der Republik auch. In Berlin kommt nur erschwerend hinzu, dass es massiv an Personal mangelt, um das weiterhin zu kaschieren. Gleichzeitig stellt der Staat aber unverdrossen weiter immer neue Gesetze und Regelungen auf, die die Verwaltungen weiter belasten. Und so lange die diversen Behörden weiterhin jeweils ihre eigenen Datenbestände haben und diese nur intern pflegen, wird sich das Problem auch nicht bessern. Wenn man auch weiterhin für einen Antrag bei Behörde A erst mal diverse Unterlagen von den Behörden B, C und D einholen muss, dreht sich das Beamtenbeschäftigungskarussell munter weiter und die Berge in den Behörden wachsen und damit die Wartezeiten. Das ist inzwischen ein enormer Wettbewerbsnachteil und kostet Wohlstand.

  4. 7.

    Solch Sätze wie "So müsse genau definiert werden, für welche Aufgaben das Land allein zuständig sei. " oder "Die Verwaltung brauche insgesamt eine "neue Kultur" des Möglichmachens." macht das bisherige unstruktuierte schon mal mehr als deutlich.
    Der gesamte Beitrag läßt, die letzten Jahre zurückblickend, noch überhaupt nicht an Änderungen, und Verbesserungen schon gar nicht, glauben.

  5. 6.

    Zu halbherzig und Besitzstandswahrung. Struktur schlägt das Schaffen...

  6. 5.

    Wer nicht mindestens 20 Jahre in einem Ordentlichen Beruf gearbeitet hat dürfte keinen Senatsposten bekleiden, damit wären die Grünen schon mal raus und bei der Linken herrscht doch Immer noch das Prinzip der Oberste gibt alles vor und alle anderen müssen machen, wie in der DDR.

  7. 4.

    Die Berliner Verwaltung reformieren ??

    Hört sich gut an aber allein mir fehlt der Glaube, dass es wirklich so gemeint ist und überhaupt bei der RGR-Koalition klappen könnte.

    Denn dazu hätte der Berliner Senat schon lange genug Zeit gehabt.

    Das ist schlichtweg WAHLKAMPFGETÖSE
    und wenn die Wahl vorbei ist und die RGR-KOALITION weiter im Amt sein sollte - dann geht die Wurschtelei genauso weiter - WETTEN ???

  8. 3.

    Der Artikel zielt nicht auf eine funktionierende oder nicht funktionierende Verwaltung ab. Das ist nur der Leierkasten mit Wahlkampfgedöns. Damit soll dem Bürger suggeriert werden, dass man den Laden jetzt (also zum 251. Mal) revolutionieren wolle und auch noch wisse, wo das Karnickel im Pfeffer hockt. Kleiner Hinweis: nicht an den beschriebenen Stellen ! Aber darum geht es dem Erfinder auch nicht sondern nur ums gewählt werden.

  9. 2.

    "Allerdings haben ein Großteil der Probleme Berlins mit der Verwaltung zunächst mal nur wenig zu tun. "

    Sehe ich komplett anders: Die meisten Probleme resultieren aus einer nicht funktionierenden Verwaltung.

  10. 1.

    Aus dem Artikel:
    "Wenn ein Amt nicht innerhalb einer gesetzten Frist eine angefragte Genehmigung erteile, dann gelte diese Genehmigung automatisch als erteilt."
    Klingt auf den 1. Blick gut.
    Aber wer profitiert davon? Womöglich nur Lobbygruppen, die die finanziellen Möglichkeiten haben, mit Antragsfluten bzw. juristischem Beistand ihre Ziele und Vorhaben umzusetzen.
    Oder wie kann ich das verstehen?
    Offenbar springt man jetzt voll auf Wegners CDU-Thema rauf???
    Offenbar braucht man für das im Winter ausfallende Klimathema jetzt einen neuen Wahlkampfschlager.
    Allerdings haben ein Großteil der Probleme Berlins mit der Verwaltung zunächst mal nur wenig zu tun.
    Berlin hat wohl andere Probleme: Armut, Wohnungsnot usw.

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