Neues Jagdgesetz in Brandenburg auf der Kippe - Forstminister Vogel allein im Wald
Der Wald in Brandenburg ist so kaputt wie nie. Helfen könnte ein neues Jagdgesetz, mit dem der Umbau zu einem klimaresistenten Wald gelingen soll. Doch der Umweltminister verzweifelt an der Jagdlobby – und seinen Koalitionspartnern. Von Markus Woller
Für Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Grüne) war es sicher einer der schwersten Auftritte dieses Jahres. Im Mai stand er beim Jägerfest in Potsdam auf der Bühne – vor ihm ein bis auf den letzten Platz mit Jägerinnen und Jägern gefüllter Konferenzraum. Ziemlich kleinlaut verkündete er damals, dass er seinen Vorschlag für ein neues Jagdgesetz zurückziehen werde. Bei den Jägern herrschte an diesem Tag Feierstimmung.
Neuer Anlauf: Wald vor Wild
Dass Vogel in dieser Legislatur - geschweige denn in diesem Jahr - noch einen zweiten Anlauf für ein Jagdgesetz starten würde, das hielten Beobachter eigentlich für ausgeschlossen. Hatte er sich doch bei den eigenen Koalitionspartnern eine derbe Abfuhr für den Referentenentwurf geholt.
Nun aber ist es doch so gekommen, und die grundsätzliche Ausrichtung hat sich auch diesmal nicht geändert: Wald vor Wild heißt weiter die Devise. Vor allem, um dem drängenden Problem des Verbisses von Jungbäumen Herr zu werden. Laut Bundes-Wald-Inventur werden in Brandenburg rund die Hälfte alle Jungbäume von Hirschen, Damwild, vor allem aber von Rehen abgefressen. Experten sagen, dass mit dieser Quote weder der Umbau zum klimafreundlichen Mischwald, noch generell eine Waldverjüngung möglich ist. Laut Umweltministerium sei bei den aktuellen Wildzahlen perspektivisch sogar mit einem Rückgang der Baumarten um 75 Prozent zu rechnen.
Mehr Mitsprache von kleineren Waldbesitzern angedacht
Die Lösung des Ministeriums: Im Brandenburger Wald soll mehr geschossen werden. Dafür soll in dem neuen Jagdgesetz vor allem kleineren Waldbesitzern mehr Mitspracherechte eingeräumt werden als bisher. Bisher müssen sich Waldbesitzer in sogenannten Jagdgenossenschaften zusammenschließen, die mindestens 150 Hektar Fläche aufweisen. Der durchschnittliche Brandenburger Waldbesitzer nennt aber gerade einmal sechs Hektar sein Eigen. Die Folge bisher: Er hat wenig Mitspracherechte. Wie viel Wild in der Genossenschaft geschossen wird, hängt von den mit der Mehrheit der Flächenbesitzer verabredeten Abschuss-Zielen und vom Jagdwillen der Jagdpächter ab. Zeigen die kein Interesse daran, mehr Wild zu schießen, haben es kleine Waldbesitzer bislang schwer, ihre Ziele beim Waldumbau umzusetzen.
Flächenhalbierung in Diskussion
Der aktuelle Referentenentwurf aus dem Juni sieht unter anderem vor, dass die Mindestfläche auf 75 Hektar gekürzt und Begehungsscheine für kleine Waldbesitzer eingeführt werden, wenn sie mit der Arbeit des für ihre Waldflächen beauftragten Jägers unzufrieden sind.
Jagdverband reagiert reserviert
Brandenburgs großer Jagdverband sieht das als Angriff auf die Jagdtradition und gewachsene und aus ihrer Sicht funktionierende Strukturen. Hier zweifelt man an, dass ein Übermaß an Wild für den Verbiss zuständig ist. Das Problem: Bislang lässt sich das auch nur indirekt belegen, weshalb im neuen Referentenentwurf auch ein besseres Schadens-Monitoring im Wald vorgesehen ist.
Viele traditionelle Jäger, aber auch Brandenburgs Bauern fürchten, mit einem neuen Gesetz aus dem Brandenburger Umweltministerium werde ein Präzedenzfall geschaffen, der deutschlandweit an den gelernten Strukturen der Jagd rütteln könnte. Sie machen mobil, versuchen den Druck auch über den Bundesjagdverband aufzubauen. Mit eigenen Veranstaltungen und persönlichen Terminen in den Kreistagsbüros vieler Landtagsabgeordneter wollen sie die Stimmung zu ihren Gunsten beeinflussen.
Koalitionspartner vom Referentenentwurf nicht angetan
Das konservative Lager aus CDU und SPD hat sich die Argumentation der Mehrheit der Jäger zu eigen gemacht. CDU-Fraktionschef Redmann sagt, er habe starke Zweifel, dass mit dem Entwurf zukünftig ein funktionierendes Jagdwesen in Brandenburg aufrechterhalten werden könne. Er habe zudem Sorge, dass es auf den Flächen mit zu vielen Jagdberechtigten unübersichtlich, sogar gefährlich werden könnte, wenn zum Beispiel eine Nachsuche von angeschossenem Wild auf fremden Flächen nötig werde, so Redmann. Außerdem hätten aktuelle Abschusszahlen gezeigt, dass das Problem nicht so groß sei, wie es wissenschaftliche Studien zeigten.
Daniel Keller, Fraktionschef der SPD im Landtag, macht Umweltminister Vogel Vorwürfe. Er habe es nicht geschafft, einen konsensfähigen Entwurf vorzulegen. Man brauche ein Gesetz, das nicht gegen den ländlichen Raum gerichtet sei, so Keller. Dazu müssten alle Akteure in die Gesetzentwicklung einbezogen werden. Es müsse vor allem darum gehen, die funktionierenden Jagdgenossenschaften zu erhalten.
Schlechte Chancen für Vogel
Viel Gegenwind: Und so musste Umweltminister Vogel jüngst bei der Vorstellung des Waldzustandsbericht dann auch einräumen, dass es wohl am Ende nichts werden wird mit der Verabschiedung eines neuen Jagdgesetzes in Brandenburg. Und das trotz deprimierender Zahlen: Nur acht Prozent der Bäume seien gesund, der Waldumbau ein wichtiges Instrument, das den Wald langfristig klimaresistenter und gesünder machen könne.
Ein neues Jagdgesetz sei eine Möglichkeit den Verbiss einzudämmen und damit die Chancen für Mischwälder zu erhöhen, so Vogel. Aber: Solange nicht erkennbar sei, dass die anderen Koalitionspartner den Weg beim Jagdgesetz mitgingen, habe ein neues Jagdgesetz eben keine Chance. Größere Änderungen am Entwurf wies Vogel aber zurück: "Ein Placebo-Gesetz braucht niemand."
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, wie viel Wild geschossen wird, entscheide allein der von der Genossenschaft bestimmte Jagdpächter. Tatsächlich gibt es Abschussziele, die von der Mehrheit der Flächenbesitzer vereinbart werden. Die entsprechende Passage wurde geändert.