Neues Jagdgesetz in Brandenburg auf der Kippe - Forstminister Vogel allein im Wald

Mi 21.12.22 | 20:05 Uhr | Von Markus Woller
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Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen), Forstminister von Brandenburg, betrachtet bei einem vor Ort Termin durch einen Brand geschädigte Kiefern im Landeswald Seddin. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)
Bild: Monika Skolimowska/dpa

Der Wald in Brandenburg ist so kaputt wie nie. Helfen könnte ein neues Jagdgesetz, mit dem der Umbau zu einem klimaresistenten Wald gelingen soll. Doch der Umweltminister verzweifelt an der Jagdlobby – und seinen Koalitionspartnern. Von Markus Woller

Für Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Grüne) war es sicher einer der schwersten Auftritte dieses Jahres. Im Mai stand er beim Jägerfest in Potsdam auf der Bühne – vor ihm ein bis auf den letzten Platz mit Jägerinnen und Jägern gefüllter Konferenzraum. Ziemlich kleinlaut verkündete er damals, dass er seinen Vorschlag für ein neues Jagdgesetz zurückziehen werde. Bei den Jägern herrschte an diesem Tag Feierstimmung.

Neuer Anlauf: Wald vor Wild

Dass Vogel in dieser Legislatur - geschweige denn in diesem Jahr - noch einen zweiten Anlauf für ein Jagdgesetz starten würde, das hielten Beobachter eigentlich für ausgeschlossen. Hatte er sich doch bei den eigenen Koalitionspartnern eine derbe Abfuhr für den Referentenentwurf geholt.

Nun aber ist es doch so gekommen, und die grundsätzliche Ausrichtung hat sich auch diesmal nicht geändert: Wald vor Wild heißt weiter die Devise. Vor allem, um dem drängenden Problem des Verbisses von Jungbäumen Herr zu werden. Laut Bundes-Wald-Inventur werden in Brandenburg rund die Hälfte alle Jungbäume von Hirschen, Damwild, vor allem aber von Rehen abgefressen. Experten sagen, dass mit dieser Quote weder der Umbau zum klimafreundlichen Mischwald, noch generell eine Waldverjüngung möglich ist. Laut Umweltministerium sei bei den aktuellen Wildzahlen perspektivisch sogar mit einem Rückgang der Baumarten um 75 Prozent zu rechnen.

Mehr Mitsprache von kleineren Waldbesitzern angedacht

Die Lösung des Ministeriums: Im Brandenburger Wald soll mehr geschossen werden. Dafür soll in dem neuen Jagdgesetz vor allem kleineren Waldbesitzern mehr Mitspracherechte eingeräumt werden als bisher. Bisher müssen sich Waldbesitzer in sogenannten Jagdgenossenschaften zusammenschließen, die mindestens 150 Hektar Fläche aufweisen. Der durchschnittliche Brandenburger Waldbesitzer nennt aber gerade einmal sechs Hektar sein Eigen. Die Folge bisher: Er hat wenig Mitspracherechte. Wie viel Wild in der Genossenschaft geschossen wird, hängt von den mit der Mehrheit der Flächenbesitzer verabredeten Abschuss-Zielen und vom Jagdwillen der Jagdpächter ab. Zeigen die kein Interesse daran, mehr Wild zu schießen, haben es kleine Waldbesitzer bislang schwer, ihre Ziele beim Waldumbau umzusetzen.

Flächenhalbierung in Diskussion

Der aktuelle Referentenentwurf aus dem Juni sieht unter anderem vor, dass die Mindestfläche auf 75 Hektar gekürzt und Begehungsscheine für kleine Waldbesitzer eingeführt werden, wenn sie mit der Arbeit des für ihre Waldflächen beauftragten Jägers unzufrieden sind.

Jagdverband reagiert reserviert

Brandenburgs großer Jagdverband sieht das als Angriff auf die Jagdtradition und gewachsene und aus ihrer Sicht funktionierende Strukturen. Hier zweifelt man an, dass ein Übermaß an Wild für den Verbiss zuständig ist. Das Problem: Bislang lässt sich das auch nur indirekt belegen, weshalb im neuen Referentenentwurf auch ein besseres Schadens-Monitoring im Wald vorgesehen ist.

Viele traditionelle Jäger, aber auch Brandenburgs Bauern fürchten, mit einem neuen Gesetz aus dem Brandenburger Umweltministerium werde ein Präzedenzfall geschaffen, der deutschlandweit an den gelernten Strukturen der Jagd rütteln könnte. Sie machen mobil, versuchen den Druck auch über den Bundesjagdverband aufzubauen. Mit eigenen Veranstaltungen und persönlichen Terminen in den Kreistagsbüros vieler Landtagsabgeordneter wollen sie die Stimmung zu ihren Gunsten beeinflussen.

Koalitionspartner vom Referentenentwurf nicht angetan

Das konservative Lager aus CDU und SPD hat sich die Argumentation der Mehrheit der Jäger zu eigen gemacht. CDU-Fraktionschef Redmann sagt, er habe starke Zweifel, dass mit dem Entwurf zukünftig ein funktionierendes Jagdwesen in Brandenburg aufrechterhalten werden könne. Er habe zudem Sorge, dass es auf den Flächen mit zu vielen Jagdberechtigten unübersichtlich, sogar gefährlich werden könnte, wenn zum Beispiel eine Nachsuche von angeschossenem Wild auf fremden Flächen nötig werde, so Redmann. Außerdem hätten aktuelle Abschusszahlen gezeigt, dass das Problem nicht so groß sei, wie es wissenschaftliche Studien zeigten.

Daniel Keller, Fraktionschef der SPD im Landtag, macht Umweltminister Vogel Vorwürfe. Er habe es nicht geschafft, einen konsensfähigen Entwurf vorzulegen. Man brauche ein Gesetz, das nicht gegen den ländlichen Raum gerichtet sei, so Keller. Dazu müssten alle Akteure in die Gesetzentwicklung einbezogen werden. Es müsse vor allem darum gehen, die funktionierenden Jagdgenossenschaften zu erhalten.

Schlechte Chancen für Vogel

Viel Gegenwind: Und so musste Umweltminister Vogel jüngst bei der Vorstellung des Waldzustandsbericht dann auch einräumen, dass es wohl am Ende nichts werden wird mit der Verabschiedung eines neuen Jagdgesetzes in Brandenburg. Und das trotz deprimierender Zahlen: Nur acht Prozent der Bäume seien gesund, der Waldumbau ein wichtiges Instrument, das den Wald langfristig klimaresistenter und gesünder machen könne.

Ein neues Jagdgesetz sei eine Möglichkeit den Verbiss einzudämmen und damit die Chancen für Mischwälder zu erhöhen, so Vogel. Aber: Solange nicht erkennbar sei, dass die anderen Koalitionspartner den Weg beim Jagdgesetz mitgingen, habe ein neues Jagdgesetz eben keine Chance. Größere Änderungen am Entwurf wies Vogel aber zurück: "Ein Placebo-Gesetz braucht niemand."

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, wie viel Wild geschossen wird, entscheide allein der von der Genossenschaft bestimmte Jagdpächter. Tatsächlich gibt es Abschussziele, die von der Mehrheit der Flächenbesitzer vereinbart werden. Die entsprechende Passage wurde geändert.

Beitrag von Markus Woller

19 Kommentare

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  1. 19.

    Offensichtlich hatte es sich in ein überflüssiges "t" gesetzt, das Jagdgesetz ;)

    Danke für Ihren Hinweis! Ist korrigiert.

  2. 17.

    @rbb24 Bitte berichtigen:in Keine Chancen für Vogel
    Wo hat sich denn das Jagdgesetzt hingesetzt?

  3. 16.

    Ist es nicht so,daß Herr Mehl (ÖJV) eine Drückjagd abgehalten hat mit 0 ( NULL) Kreaturen auf der Strecke.
    Wieso bezeichnet sich der ÖJV eigentlich als ökologischer Verein, wenn er doch die ökonomischen Interessen der Großgrundbesitzer ( Graf Schwerin) vertritt.
    Und das mit Unterstützung von einer grünen Partei, unglaublich!

  4. 15.

    Die Gesellschaft erlaubt Jagd und Besitz von Waffen unter 3 Hauptgründen:
    1. Eindämmung von Wildschäden auf ein erträgliches Maß (siehe Sauen und Maisacker aber auch Waldverjüngung und Rehverbiss)
    2. Gesundheit der Tiere (siehe Seuchenprävention bei der Afrikanischen Schweinepest aber auch bei Rehen und Co. Absenkung der Dichte und damit der Verminderung der Weitergabe von Krankheiten und Parasiten)
    3. Naturschutz: Eine zu hohe Dichte einer Population geht zu Lasten vieler anderer Arten. Im Falle von Reh und Co. zu Lasten der Zukunft eines ganzen Ökosystems - dem Wald.

    Ohne Jagd bei fehlenden Beutegreifern vermehrt sich eine Art (z. B. Reh) bis an die aktuelle Kapazitätsgrenze des Lebensraums (Nahrungsangebot). Es zerstört dabei aber mittelfristig seinen eigenen Lebensraum. Wir brauchen dringend eine adäquate Jagd, die Wildschäden im Wald wieder auf ein normales Maß begrenzen.

  5. 14.

    Ja, das Wild, das den Wald zerstört...... Diese Märchen sind sowas von sinnleer. Sie sind eher nur die scheinheilige Begründung, schussgeil durchs Gehölz zu stromern. Ein Schuss, ein Treffer und drei Tropfen in der Hose.....

  6. 13.

    "... unser Wild ist ist aktuell nicht mehr bemerkbar"? Wo haben Sie denn Ihre Augen? Nach mehr als 20 Drückjagden in diesem Jahr kann ich nicht sagen, dass unsere Wälder wildleer wären. Aber es grünt an vielen Stellen nicht so richtig. Die Kampagne gegen die Jagdreform ist ein Akt dreister Realitätsverweigerung.

  7. 12.

    Man stelle sich vor, die Afrikaner würden in der Serengeti das Wild abschaffen, um dort dem Wald dort eine Chance zu geben.
    Was gäbe das für einen Protest... unser Wild ist aktuell nicht mehr bemerkbar. Kein Reh, kein Hirsch, kein Schwein mehr da.
    Alles im Rahmen des Naturschutzes.
    Der Wald hat es bis heute auch so geschafft, grün zu bleiben. Es gab auch schon erfolgreiche Umbauprojekte - Siehe August Bier in Sauen. Aber immer alles mit Geduld und Vertrauen auf die Zukunft und nicht mit Ruck Zuck.

  8. 11.

    Primärer Grund der Jagd ist die Fleischgewinnung, nicht die von Ihnen unterstellte Lust am Töten.

  9. 10.

    Ist das wirklich war? Andere sollen machen weil „könnte helfen“ zu einer Entscheidung führt? Wahnsinn wie Entscheidungen getroffen werden. Mit „Ich finde...“ und „könnte“. Irre...

  10. 8.

    Eigentlich war doch bisher der Zweck der Jagd, den Wildbestand zu regulieren. Wenn nun der Bestand auf Grund veränderter Bepflanzung reguliert wird und sich Jäger darüber beschweren, weniger schießen zu können, bestätigt das nicht, das die Lust am Töten das stärkere Motiv einer Jagd ist?

  11. 7.

    Der Mensch ist überhaupt nicht in der Lage evolutionsgerecht alle Populationen der Waldbewohner (Pflanzen und Tiere) zu stabilisieren, auch wenn es immer wieder behauptet wird.
    Langfristig fehlt dafür hier der Wolf. Aber die Menschen sind wie üblich schlauer als Millionen Jahre Evolution. Das Ergebnis können wir überall bewundern und die Probleme werden exponentiell in ihrer Komplexität und Auswirkungen wachsen.

  12. 6.

    Warum soll nicht jeder Grundeigentümer auf seinem Land auch jagen dürfen? Die Einzelheiten könnten einvernehmlich mit den Jagdverbänden und der Jagdbehörde abgesprochen werden!

  13. 5.

    @Alfred Neumann Sie sagen es, in einem Nationalpark in den USA. Wir haben hier aber im Brandenburg Kulturlandschaft mit Siedlungen und teils Weidehaltungen. Das sind völlig andere Bedingungen! Da hat der Wolf keinen Platz, vor allem nicht in der völlig ausufernden Anzahl an Rudeln, Einzelgänger und Pärchen...

  14. 4.

    Das Problem ist alt. Aufgrund knapper Finanzen werden Jungbaumschonungen nicht mehr eingezäunt, bis die Bäume so groß wäre, daß sie Verbiss ertragen können. Wenn man in Altbeständen nachpflanzt, ist eine Umzäunung natürlich nicht realistisch.
    Damwild wurde ebenso wie Mufflons etwa im 18. Jahrhundert zur Jagd eingebracht, diese Arten sind nicht heimisch. Wie Parkgeflügel (Mandarinenten, Brautenten, Fasane) wurden sie zur Jagdbefriedigung höfischer Gesellschaften "eingeführt".
    Man kann sich nun aussuchen, an welchen Traditionen Jäger und Bauern hier festhalten wollen. Daran, und an der Trophäenzucht haben sich schon Horst Stern und andere richtige Naturschützer die Zähne ausgebissen.
    Wenn man nun auf die Gefahren schaut, die kleinere Gebiete und deren Bejagung mit sich bringen, sei auf den früheren Leiter Steigerwalds und Nürnberger Reichswalds Sperber verwiesen: Er empfahl die Drückejagd, um die übrige Zeit für Wild, Wald und Mensch ruhig zu halten

  15. 3.

    Mehr Wölfe! Entweder reguliert der Mensch den Bestand in ausreichenden Maß oder er nuss der Natur freien Lauf lassen. In einem Nationalpark in den USA haben sich die Baumbestände erholt als auf natürliche Art der Bestand an Hirschen nach Wiederabsiedlung von Wölfen abgenommen hatte. Das wollen die Jäger und Landwirte aber auch nicht.

  16. 2.

    Nun, eine Reduzierung der Flächengröße für eine Eigenjagd auf 75 Hektar stände keineswegs im Gegensatz zu jagdlichen Traditionen, sondern würde die Regeln in Brandenburg an das übrige Bundesgebiet angleichen.

  17. 1.

    Ist das hier Journalismus oder Meinungsmache?

    Diese Aussage ist schlicht falsch!: "Wie viel Wild geschossen wird, entscheidet allein der von der Genossenschaft bestimmte Jagdpächter [...]"

    Es wäre so einfach zu recherchieren: https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=abschussplan+brandenburg

    Der Abschussplan für Rot-, Dam-, Muffel-, und Schwarzwild ist vom Jagdausübungsberechtigten in jedem Jagdjahr unter Angabe aller notwendigen Daten im Einvernehmen mit der Jagdgenossenschaft bzw. dem Inhaber eines Eigenjagdbezirkes aufzustellen und der Unteren Jagdbehörde bis spätestens am 01.04. des laufenden Jahres einzureichen. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, wird der Abschussplan im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat bestätigt. Ansonsten erfolgt eine gebührenpflichtig (siehe Gebührenordnung) Festsetzung, z.B. wenn Unterlagen nicht/nicht fristgemäß oder in unzureichender Qualität eingereicht werden.

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