Streit in Brandenburg - Geflüchteten-Unterbringung reißt in Koalition alte Gräben auf
Die Brandenburger Landesregierung kündigt in der Erstaufnahme für Geflüchtete bis zu 3.000 neue Plätze an. Gleichzeitig aber flammt der Streit wieder auf, welche Flüchtlinge wo und wie untergebracht werden sollen. Die Fronten verhärten sich. Von Andreas B. Hewel
Stolz hat Michael Stübgen (CDU) die neuen Aufnahmeplätze für Geflüchtete präsentiert. 1.500 neue Container-Plätze erstmal bis Sommer und wenn möglich bis Ende des Jahres noch einmal 1.500. Damit wäre der Brandenburger Innenminister seinem Auftrag aus der Koalition nachgekommen, 3.000 neue Plätze in der Erstaufnahme zu schaffen.
Das soll die Kommunen entlasten. Denn Geflüchtete werden in diesen neuen Unterkünften nicht mehr nur bis maximal sechs Monate bleiben, bis sie an Kommunen weitergeleitet werden, sondern bis zu 18 Monate. Entsprechend später kommen sie in die Kommunen.
Umstrittene Übergangseinrichtungen
So weit, so gut für den Koalitionsfrieden. Doch Innenminister Stübgen verfolgt offenbar noch einen weiteren Plan. Denn wenn es um den Umgang mit Geflüchteten geht, die keine große Bleibeperspektive haben, will er diese am liebsten gar nicht an die Kommunen weiterleiten. Eine Übergangseinrichtung würde er gerne für sie einrichten, die hatte er auch schon einmal Obhuts-Einrichtung genannt.
Die aber hatten SPD und Grüne erst im März in der Koalition abgelehnt. Sie wollen auch Geflüchteten mit geringer Bleibeperspektive eine Chance geben, sich hier zu integrieren und eine Ausbildung oder Arbeit zu finden. Das sei in Kommunen viel besser zu erreichen als in großen Kasernen und Gemeinschaftsunterkünften.
Der CDU-Innenminister aber legt nun nach. In der Erstaufnahme werde nun ein modifiziertes Projekt umgesetzt, sagt Stübgen. "Wir wollen dort das machen, was wir auch in der Landesübergangseinrichtung getan hätten", sagt der Minister, "nämlich verstärkt auf Qualifikation, Deutschkurse, Ausbildung beziehungsweise Arbeitsmarktzugang trainieren und fördern."
Das klingt nach Übergangseinrichtung durch die Hintertür. Entsprechend verschnupft regieren die Grünen, so gut sie die Hilfen für Flüchtlinge auch finden. Überhaupt kämen die jetzt angekündigten 3.000 zusätzlichen Unterbringungsplätze Plätze zu spät. "Was der Innenminister heute vorgelegt hat", moniert Petra Budke, die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, "ist nicht neu und es ist vor allem kein Konzept. Die Entlastung der Kommunen wird so nicht gelingen. Wir brauchen eine kurzfristige Erweiterung der Erstaufnahme jetzt und nicht erst im Oktober. Nun rächt es sich, dass der Innenminister die Plätze in Doberlug-Kirchhain ohne Not aufgegeben hat." In Doberlug-Kirchhain waren rund 1.000 Plätze in der Erstaufnahme geschlossen worden.
Innenminister "nur bedingt konstruktiv"
Die Grünen dagegen wollen für Geflüchtete mit nur geringer Bleibeperspektive in kleineren Unterkünften in den Kommunen unterbringen und ihnen dort mit Deutschkursen und Ausbildungs- oder Arbeitsangeboten eine Chance auf einen sogenannten Spurwechsel geben, also die Bleibeperspektiven zu erhöhen. Dafür wollen sie Modelleinrichtungen in den Kommunen schaffen.
Bislang aber ist man noch auf der Suche nach Gemeinden, die mitmachen wollen. Einen Zwischenbericht muss die grüne Sozialministerin Ursula Nonnemacher noch an diesem Freitagabend der Staatskanzlei vorlegen. Am kommenden Dienstag soll sich dann das Kabinett damit befassen.
Genüsslich schätzt Innenminister Stübgen schon im Voraus die Zwischenbilanz der Sozialministerin ein. "Schon bei der Abfrage bei der letzten Landrätekonferenz hat sich niemand gefunden, das zu tun. Ich weiß nicht, wie der jetzige Stand ist. Da werden wir dann am Dienstag nächster Woche mehr wissen."
Das wiederum will Budke nicht auf der grünen Sozialministerin sitzen lassen. "Das öffentliche Zögern der Kommunen ist auch verständlich, wenn man bedenkt, dass der Innenminister hier nur bedingt eine konstruktive Rolle spielt." Eine klare Kante gegen Stübgen. Und Budke legt nach. "Eine Landesinobhutnahme-Einrichtung durch die Hintertür wird es mit uns nicht geben."
Auch die jetzt erstmal für den Sommer angekündigten 1.500 neuen Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen seien kein allzu großer Wurf. Denn fast alle diese Plätze sind in Containerbauten. Das habe 2015/16 der damalige Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) deutlich schneller hinbekommen, tönt es aus dem Sozialministerium.
Linke wirft Landesregierung Planlosigkeit vor
Der Streit in der Koalition ist für die Linken ein gefundenes Fressen. So schlägt Sebastian Walter, Fraktionschef der Linken im Landtag, in dieselbe Kerbe. "Der Innenminister verkauft schon seit über einem halben Jahr, dass die Krise da ist und er sich kümmern wird. Jetzt verkauft er 1.500 neue Plätze in Containerdörfern als großen Erfolg. Das ist kein Erfolg. Das zeigt die Planlosigkeit dieses Innenministers und der ganzen Landesregierung."
Der Knatsch also ist da in der Koalition. Die Fliehkräfte unter den Regierungsfraktionen in der Flüchtlingspolitik werden gerade neu ausgelotet. Wie groß sie sind, wird sich nächsten Dienstag zeigen, wenn alle zusammen wieder am Kabinettstisch in der Staatskanzlei sitzen.
Sendung: rbb Brandenburg aktuell, 14.04.2023, 19:30 Uhr