Geflüchtete in Brandenburg - Stübgen will Erstaufnahme-Standorte mit Containerdörfern erweitern
Die Erstaufnahme von Geflüchteten belastet die Kommunen in Brandenburg. Innenminister Stübgen will 1.500 neue Container-Plätze schaffen, die Koalition muss noch zustimmen. Die Grünen zeigen sich wenig begeistert.
- Innenminister Stübgen will bestehende Erstaufnahme-Standorte mit Container-Dörfern erweitern
- Ein schneller Ausbau sei nur an den schon bestehenden Standorten möglich
- Koalitionspartner Grüne sieht in dem Vorschlag "kein Konzept" und nennt Rolle Stübgens "nur bedingt konstruktiv"
- Auch Schließung der Erstaufnahme-Einrichtung in Doberlug-Kirchhain steht erneut in der Kritik
Zur Unterbringung der zahlreichen Flüchtlinge will der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) die Hauptstandorte der Erstaufnahme mit Containerdörfern erweitern.
An den Standorten in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree), Frankfurt (Oder) und Wünsdorf (Teltow-Fläming) sollen nach Stübgens Konzept so jeweils 500 und damit zunächst 1.500 weitere Plätze geschaffen werden, wie das Innenministerium am Freitag mitteilte. Dieser Ausbau wäre den Angaben zufolge in drei bis fünf Monaten realisierbar.
Dafür hat das Innenministerium beim Finanzministerium für dieses Jahr überplanmäßige Mittel in Höhe von gut 19 Millionen Euro beantragt. "Wir werden den Antrag kurzfristig und wohlwollend prüfen", sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Ingo Decker, der Deutschen-Presse-Agentur.
Kabinett könnte am Dienstag über Ausbau beraten
"Der Bedarf ist dem Grunde nach nicht von der Hand zu weisen und das Brandenburg-Paket steht für diese Zwecke grundsätzlich zur Verfügung." Allerdings müsse auch noch der Finanzausschuss des Landtags zustimmen. Mit dem zwei Milliarden Euro starken Brandenburg-Paket will die Landesregierung die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine abmildern.
Das nun beantragte Geld werde langfristig aber nicht ausreichen, sagte Stübgen rbb24 Brandenburg aktuell. Man brauch schließlich auch über 2024 hinaus zusätzliches Personal. Man hätte nun eine "Mischkalkulation" gemacht - dies sei möglich, aber unter den aktuellen Haushaltsbedingungen auch schwierig.
Der schnelle Ausbau der Unterkünfte sei nur an den Hauptstandorten der Erstaufnahme und im Wesentlichen mit Containern möglich, sagte Stübgen. Nun hoffe er auf eine schnelle Einigung innerhalb der Landesregierung. "Dann können wir im Juli damit anfangen, vor allem abgelehnte Asylbewerber nicht mehr in die Kommunen zu verteilen", kündigte der Minister an. Es wird erwartet, dass das Kabinett bereits am Dienstag darüber berät.
Die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen im Landtag hatten davor gewarnt, dass es eine zu große Konzentration an Geflüchteten in Ostbrandenburg geben könnte. Stübgen betonte, dass es eine Kabinettsentscheidung gewesen sei, nun erstmal kurzfristig 3.000 neue Plätze zu schaffen.
Eine Übergangseinrichtung auf Kreisebene sei aber ein anderes Thema, sagte Stübgen. Dies liege in der Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums. Ministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) habe "heute" (Freitag) noch Zeit, "ihren Bericht zu liefern" sagte Stübgen dem rbb. Dies werde dann bei der nächsten Kabinettssitzung kommenden Dienstag beraten.
Grüne Koalitionspartner sehen in Stübgens Vorschlag "kein Konzept"
Der grüne Koalitionspartner zeigte sich nicht überzeugt. "Was der Innenminister heute vorgelegt hat, ist nicht neu und es ist vor allem kein Konzept. Die Entlastung der Kommunen wird so nicht gelingen. Wir brauchen eine kurzfristige Erweiterung der Erstaufnahme jetzt und nicht erst im Oktober", sagte die Fraktionsvorsitzende Petra Budke dem rbb auf Anfrage. Nun würd es sich rächen, dass der Innenminister die Plätze in Doberlug-Kirchhain ohne Not aufgegeben habe, hieß es weiter.
Innenministerium erwartet 26.000 Ankommende in diesem Jahr
Mit dem Ausbau sollen in den Erstaufnahmen auch 17 weitere Arbeitsstellen geschaffen werden, unter anderem für Sozialarbeiter, Arbeitsvermittler und Psychologen. Denn die Flüchtlinge sollen künftig mindestens bis zu 18 Monate in der Erstaufnahme bleiben und nicht auf die Kommunen verteilt werden.
"Ein verlängerter Aufenthalt in der Erstaufnahme darf nicht nur auf Kosten der Betroffenen gehen", betonte Stübgen. "Deshalb werden wir den Geflüchteten verstärkt Sprachkurse und Qualifizierungsmöglichkeiten anbieten, um ihnen durch den verlängerten Aufenthalt auch Chancen auf eine künftige Beschäftigung zu eröffnen, wenn sie bereit sind, sich zu engagieren und zu integrieren."
Bis Ende des Jahres sollen zudem weitere 1.500 Plätze zur Erstaufnahme eingerichtet werden. Allerdings werde dafür noch ein geeigneter Standort gesucht, so das Innenministerium. In diesem Jahr werden 26.000 Geflüchtete erwartet - deutlich weniger als im vergangenen Jahr. 2022 wurden 39.000 Geflüchtete in Brandenburg erstmals registriert. Die Kommunen haben bereits mehrfach signalisiert, dass ihre Aufnahmekapazität erschöpft sei.
"Wir haben einen drastischen Anstieg, was die Grenze zu Polen betrifft über die Belarusroute. Das heßt, hier wird gezielt gesteuert aus Monskau und Minsk", sagte Stübgen dem rbb. "Das heißt, wir müssen uns weiter auf einen starken Zugang einstellen."
Modellprojekt für Geflüchtete ohne Bleibeperspektive geplant
Unterdessen sucht das Sozialministerium nach einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt für eine kommunale Übergangseinrichtung für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive. In dem Modellprojekt sollen Flüchtlinge, die aus bestimmten Gründen derzeit nicht abgeschoben werden können, in Ausbildung oder Beschäftigung gebracht werden. Ihnen soll damit die Aussicht auf einen späteren Aufenthaltstitel oder eine Perspektive für die Rückkehr in die Heimat eröffnet werden.
Dazu sei man seit Wochen in intensiven Gesprächen mit den Kommunen, sagte Ministeriumssprecher Gabriel Hesse. Ein interessierter Landkreis oder eine kreisfreie Stadt konnte aber bislang nicht präsentiert werden.
Grüne sehen Stübgens Rolle nur "bedingt konstruktiv"
Auch dies stößt bei den Grünen auf Widerspruch. "Der Wille einzelner Kommunen ist unseres Wissens nach da", sagte Budke. Die konkreten Pläne für die Modelleinrichtungen müssten aber erstmal ausreifen. "Das öffentliche Zögern der Kommunen ist auch verständlich, wenn man bedenkt, dass der Innenminister hier nur bedingt eine konstruktive Rolle spielt. Eine Landesinobhutnahmeeinrichtung durch die Hintertür wird es mit uns nicht geben", so Budke weiter.
Linke kritisiert Containerdörfer und sieht "sozialen Frieden gefährdet"
Die Linke-Landtagsabgeordnete Andrea Johlige warf der Landesregierung "Planlosigkeit" vor und forderte eine Stabsstelle in der Staatskanzlei für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge. Auch sie verwies darauf, dass Stübgen die Erstaufnahme-Einrichtung in Doberlug-Kirchhain zum 30. Juni schließen wolle. "Statt in einer gut ausgebauten Einrichtung werden Geflüchtete in hastig errichteten Containerunterkünften untergebracht", kritisierte Johlige.
"Diese 1.500 Plätze jetzt einfach mal zu verkünden, die ja anscheinend noch nicht einmal
richtig abgestimmt sind in der Landesregierung, das reicht nicht aus", sagte Sebastian Walter, Co-Vorsitzender der Linken in Brandenburg. "Das verunsichert und das gefährdet auch den sozialen Frieden in diesem Land, weil er eben keine Sicherheit gibt und keine Planbarkeit. Und das ist eigentlich die Aufgabe, die ein Minister in dieser Zeit hätte", hieß es weiter.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14.04.2030, 19.30 Uhr