Sonderrechte entzogen -
Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat keinen Anspruch auf ein Büro im Bundestag. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht am Donnerstag entschieden und eine Klage Schröders gegen einen Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages zurückgewiesen.
Dieser hatte ihm im Mai 2022 einen Teil seiner Sonderrechte entzogen und sein Büro stillgelegt. Zur Begründung hieß es, der Altkanzler nehme keine Verpflichtungen im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit mehr wahr.
Büroräume und Personal für frühere Kanzler nicht gesetzlich geregelt
Seine Anwälte bestreiten das. Es werde "behauptet, Herr Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder nehme die sog. 'nachwirkenden Dienstpflichten' nicht mehr wahr". Dabei werde aber nicht festgelegt, was nachwirkende Dienstpflichten überhaupt seien und "wie ihre Wahr- beziehungsweise Nichtwahrnehmung zu ermitteln ist", hieß es in einer Erklärung der Anwälte.
Die Frage, welche Ausstattung früheren Kanzlerinnen und Kanzlern auf Staatskosten zusteht, ist bislang - abgesehen von deren Ruhebezügen - nicht gesetzlich geregelt. Über die Mittel insbesondere für Büroräume und Personal entscheidet der Haushaltsausschuss des Bundestages.
Gericht sieht keinen Anspruch Schröders
Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der Bundestag alleine entscheiden könne, wofür er das Geld ausgibt: "Zwar gibt es seit über 50 Jahren eine einheitliche und dauernde Übung, nach der Bundeskanzler a.D. ein Büro mit Stellenausstattung erhalten", erklärte die Vorsitzende Richterin, Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter. Ein Anspruch ergebe sich daraus aber nicht.
Dagegen spricht nach Überzeugung des Gerichts die Budgethoheit des Parlaments, die verfassungsrechtlich garantiert ist. Schröder kann sich laut Gericht auch nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen. Die Einrichtung eines solchen Büros richte sich allein nach öffentlichem Interesse, weil es um die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gebe.
Ruhegehalt und Personenschutz nicht angetastet
Möglicherweise spielten Schröders Verbindungen zu russischen Konzernen oder zu Wladimir Putin bei der Entscheidung eine Rolle. Vor der Stilllegung seines Büros hatte der Altkanzler deswegen massiv in der Kritik gestanden. In dem Antrag auf Entzug seiner Sonderrechte waren Schröders Verbindungen zu russischen Konzernen oder Putin aber nicht genannt worden.
Schröders Büro hatte vier Stellen und nahm sieben Räume im Gebäude des Bundestags ein. Ruhegehalt und Personenschutz des 79-Jährigen wurden hingegen nicht angetastet.
Berufung theoretisch möglich
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Schröder kann gegen das Urteil Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Außerdem könnte er gegen die SPD-Bundestagsfraktion klagen, wenn es um die bloßen Räumlichkeiten geht. Die Fraktion hatte dem Altkanzler die Räume zur Verfügung gestellt.
Geklagt hatte Schröder gegen das Bundeskanzleramt, dem Büro und Personal formal unterstellt sind.
Bei der Verhandlung in Berlin war der 79-Jährige nicht anwesend. Schröder sei verreist und werde sich auch nach dem Urteil zunächst nicht äußern, erklärte sein Anwalt Michael Nagel. Dieser verließ das Gericht ebenfalls ohne Kommentar mit Verweis darauf, dass sich die Vertreter des Bundeskanzleramtes ebenfalls nicht äußern wollten.
Steuergelder finanzieren Ausstattung früherer Funktionsträger
Der Vorgang ist bislang einmalig in der bundesdeutschen Geschichte und wirft ein Schlaglicht auf die mit Steuergeld finanzierte Ausstattung früherer Funktionsträger. "Die bisherige Gesetzeslage ist außerordentliche lückenhaft", fasste Gerichtssprecher Stephan Groscurth Erkenntnisse aus dem Schröder-Verfahren zusammen.
Seit mehreren Jahrzehnten ist es üblich, dass ehemalige Bundeskanzler und Bundespräsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit ein Büro erhalten. Diese Regelung reicht zurück bis in die Zeiten von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). Die Büros wurden bislang auf Lebenszeit zur Verfügung gestellt und konnten über Jahrzehnte existieren.
Die personelle Ausstattung entwickelte sich über die Jahre. Sie unterliege offensichtlich einem "gewissen Verhandlungsgeschick", befand Gerichtspräsidentin Xalter. Aus dem Bundeshaushalt wurden demnach seit 1967 drei Stellen finanziert, 1974 seien es bereist mehr Stellen gewesen. Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfügt seit Amtsende über ein Büro mit neun teilweise hoch besoldeten Mitarbeitern.
Forderungen nach mehr Kontrolle
Der Bundesrechnungshof hatte vor einigen Jahren eine mangelnde Kontrolle kritisiert. Im Frühjahr 2022 regelte die Koalition von SPD, Grüne und FDP jedoch die Alimentierung generell neu. Sie ist nun abhängig davon, ob die früheren Top-Politiker tatsächlich noch Aufgaben im Zusammenhang mit ihrem früheren Amt übernehmen, also etwa Schirmherrschaften haben und Reden halten.
Das Urteil bestätige das Vorgehen, betonte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde. "Das ist eine Entscheidung im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in unserem Land."
Die Linke forderte unterdessen eine grundsätzliche Lösung. "Büros von Altkanzlerinnen und Altkanzlern sind für mich aus der Zeit gefallen. Sie brauchen keinen eigenen Hofstaat auf Lebenszeit. Die Büros müssen aufgelöst werden", forderte Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion.
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.05.2023, 15:40 Uhr