Kritik an Senatsverwaltung - Rund 60 Prozent des Personals bei Kindernotdienst krank gemeldet
Mitarbeiter des Berliner Kindernotdienstens klagen über die dortigen Zustände. Die Bildungsverwaltung will die Situation vor Ort verbessern, übt aber auch Kritik am Verhalten der Beschäftigten. Von Sebastian Schöbel
Im Streit über die angespannte Situation beim Berliner Kindernotdienst hat die Bildungsverwaltung Gesprächsbereitschaft signalisiert. Familienstaatssekretär Falko Liecke (CDU) versprach am Rande einer Demonstration von Berliner Sozialarbeitern am Dienstag, dass er am geplanten Jugendhilfegipfel im Oktober teilnehmen werde. Dort soll es dann unter anderem auch über den Kindernotdienst gehen.
Zugleich übte Liecke aber auch Kritik an den Mitarbeitenden des Kindernotdienstes. "Wenn 28 Kolleginnen und Kollegen auf einmal krank sind, stelle ich mir die Frage, ob das so in Ordnung ist." Das sind mehr als 60 Prozent der Beschäftigten. Liecke bestätigte damit Angaben, die der rbb aus den Reihen des Kindernotdienstes erhalten hatte.
Mitarbeiter prangern Zustände an
Die Bildungsverwaltung habe den Kindernotdienst bereits unterstützt, so der CDU-Politiker, mit mehr Personal auch aus den eigenen Reihen. Für die Betreuung der Kinder habe man einen freien Träger gewonnen. Zudem seien zusätzliche Plätze in einer weiteren Außenstelle geplant, und auch die Leitung sei neu aufgestellt worden. Mit 45 Stellen sei der Kindernotdienst gut aufgestellt, so Liecke. "Wenn alle zur Arbeit kommen würden, hätten wir kein Problem."
Beschäftigte des Berliner Kindernotdienstes demonstrierten am Dienstagmorgen gemeinsam mit rund 400 Mitarbeitenden der Jugendämter und freien Träger für eine Verbesserung der Bedingungen. Auslöser war ein Brandbrief der Mitarbeitenden im Kindernotdienst, in dem sie von unhaltbaren Zuständen wegen fehlender Betreuung berichteten.
Zum Teil komme es zu heftiger Gewalt zwischen den Kindern, die aus schwierigsten Verhältnissen in die Obhut das Staates genommen wurden. "Wir können Kinder nicht sicher unterbringen", sagte ein Mitarbeiter des Dienstes, der anonym bleiben will, dem rbb. "Es gab eine Situation, die eskaliert ist: Kinder haben sich Steine von der Straße gesucht, um die Einrichtung zu demolieren und nach Betreuern und anderen Kindern zu werfen." Das sei ein Ausdruck von Verzweiflung, so der Mitarbeiter, weil die Kinder nicht angemessen betreut werden können.
"Maßnahmen der Senatsverwaltung haben nicht geholfen"
Die Lage habe sich zuletzt noch einmal verschlechtert, nachdem die Bildungsverwaltung die Beratungsstelle aus dem Kindernotdienst herausgetrennt und verlegt habe. Dadurch sei das Team gespalten worden, sagte ein weiterer Mitarbeiter dem rbb, der ebenfalls anonym bleiben will. Dabei habe gerade die Beratung noch gut funktioniert. "Die Maßnahmen der Senatsverwaltung haben nicht dafür gesorgt, dass die Kinder versorgt wurden."
Auch der zweite Mitarbeiter berichtet von gewaltsamen Übergriffen durch Kinder, die nicht entsprechend ihrer Bedarfe betreut würden. Oft würden Kinder deutlich länger als die vorgesehenen drei Tage in der Obhut des Kindernotdienstes bleiben, manche monatelang, weil die Vermittlung an soziale Träger nicht gelinge. "Den müssen wir beim emotionalen und physischen Verfall zusehen, das kann ich als Fachkraft nicht verantworten."
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.07.2023, 18:18 Uhr