26.000 Ankommende erwartet - Brandenburg registriert bisher deutlich weniger Geflüchtete als 2022
Brandenburg hat bis Ende Juli knapp 10.000 Flüchtlinge aufgenommen - etwas weniger als von der Landesregierung prognostiziert. Innenminister Stübgen rechnet trotzdem damit, dass 2023 eines der Jahre mit dem höchsten Zuzug wird. Von Michael Schon
- Landesregierung rechnet auch 2023 mit hohen Flüchtlingszahlen
- Aktuell kommen etwas weniger Menschen als erwartet
- Druck auf Land und Kommunen jedoch weiterhin hoch
Russlands Angriff auf die Ukraine, die erneute Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, der seit 2011 dauernde Bürgerkrieg in Syrien: Die Ursachen für eine Flucht nach Brandenburg haben sich im Vergleich zu 2022 kaum verändert. Entsprechen bleibt die Zahl der Menschen, die zwischen Oder und Elbe ankommen, auch in diesem Jahr hoch. Bereits Ende Juli wurde die Marke von 10.000 Geflüchteten überschritten. Die Zahl sei "schon jetzt höher als im Jahr 2016 insgesamt", sagte Innenminister Michael Stübgen (CDU).
Deutlich mehr Geflüchtete als 2020 und 2021
Zum Vergleich: Im Jahr 2022 hat Brandenburg 39.000 Menschen aufgenommen, ein absoluter Spitzenwert. Die weit überwiegende Zahl waren Frauen und Kinder aus der Ukraine, die vor Russlands Bomben auf die Zivilbevölkerung geflohen waren.
In diesem Jahr kamen bisher insgesamt weniger Menschen, vor allem aber weniger aus der Ukraine; 3.000 sind es von dort. Etwa 7.000 kamen aus anderen Ländern, vor allem aus Afghanistan, Syrien, der Russischen Föderation und der Türkei. Für dieses Jahr lautet die Prognose bislang 26.000.
Im Jahr 2020 nahm Brandenburg insgesamt 2.400 Personen auf. Im Jahr 2021 waren es 5.400.
Die meisten Kreise sind am Limit
Die Zahlen bergen oftmals erschütternde Schicksale der Menschen, die sich auf den Weg nach Deutschland gemacht und in Brandenburg Unterschlupf gefunden haben. Sie sind aber auch politischer Zündstoff in einem Bundesland, in dem Unterkünfte mittlerweile rar sind und die AfD aus Herausforderungen und Fehlern in der Migrationspolitik Kapital schlägt.
Und auch wenn diese Zahl am Ende das Jahres womöglich nach unten korrigiert werden muss: Die Zahl der ankommenden Menschen stellt viele Akteure im Land erneut vor große Herausforderungen, allen voran die Landkreise und kreisfreien Städte. Sie sind für die Unterbringung der Geflüchteten zuständig, sobald sie aus den Erstaufnahmeeinrichtungen weiterverteilt werden.
Praktisch alle Kommunen außer den Städten Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) haben ihre Unterbringungskapazitäten ausgereizt oder stehen kurz davor. "Das Unterbringungsproblem ist nach wie vor sehr deutlich virulent", fasst es Paul-Peter Humpert zusammen, der Geschäftsführer des Landkreistags. "Keine freien Kapazitäten", meldet zum Beispiel der Landkreis Spree-Neiße. "Fast alle Plätze belegt", heißt es aus dem Kreis Barnim. "Nur noch wenige Plätze frei verfügbar", teilt der Kreis Havelland mit. Die ersten Landkreise stünden wieder vor der Entscheidung, Notunterkünfte in Sporthallen einzurichten. "Das ist etwas, das niemandem Freude bereitet", sagt Humpert. Weder dem Landkreis noch Schulen, Sportvereinen – und auch nicht den Geflüchteten.
Auch die Sporthalle des Oberstufenzentrums Fürstenwalde steht zur Disposition. Am Dienstag hieß es, diese solle zu Beginn des neuen Schuljahrs zunächst weiter für den Unterricht bereitstehen. Die Sozialdezernentin des Landkreises, Angelika Zarling, sagte rbb24 Brandenburg aktuell, sollte die Sporthalle wie zunächst geplant zu einer Notunterkunft umfunktioniert werden, werde das erst innerhalb der Herbstferien passieren. "Das heißt, bis zu den Herbstferien steht die Halle für Sportunterricht für die Schüler des Oberstufenzentrums noch zur Verfügung."
Zurzeit werde noch geprüft, ob alternativ auch eine Tennishalle als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden könnte. Dabei gehe es unter anderem noch um den Brandschutz. Der Landkreis soll nach einer Prognose der Landesregierung in diesem Jahr fast 1.700 Flüchtlinge aufnehmen.
Zwar hat die Landesregierung vor Kurzem den Zeitraum verlängert, den Menschen mit geringer Bleibeperspektive in der auf Landesebene organisierten Erstaufnahme verbringen müssen, bevor sie in kommunale Unterkünfte umziehen. Das soll den Landkreisen und kreisfreien Städten Zeit verschaffen und etwas Druck von ihnen nehmen. Der Ansatz sei richtig, heißt es vom Landkreistag. Die Situation bleibe allerdings angespannt.
Innenminister fordert erneut Grenzkontrollen
Das weiß auch Innenminister Stübgen. Ebenso, dass er an den Ursachen für den Zustrom nach Brandenburg wenig ändern kann. Kontrollen an der Grenze zu Polen lautet sein Mantra, um die Fluchtbewegung nach Brandenburg einzudämmen. Er wiederholt es auch angesichts der aktuellen Zahlen – obwohl Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits eine Absage erteilt hat. Er erwarte "mehr Aktivitäten der Bundesregierung", sagt Stübgen.
Auch Landkreistags-Geschäftsführer Humpert sieht den Bund in der Pflicht. Der müsse Abkommen mit anderen Ländern schließen, damit weniger Menschen nach Deutschland kämen. Außerdem müsse an den EU-Außengrenzen "zu Regelungen gekommen werden, ob jemand als Asylbewerber nach Europa reinkommt oder nicht".
Im Innenministerium rechnet man im zweiten Halbjahr nicht mit einer Entspannung. Im Gegenteil: Erfahrungsgemäß kämen von Juli bis Dezember sogar mehr Geflüchtete als zu Beginn des Jahres, hieß es. Sollte dies der Fall sein, könnten es auch in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes eng werden. Dort gibt es aktuell noch 2.200 freie Plätze.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 25.07.2023, 19:30 Uhr