Friedrichshain-Kreuzberg - Sondermittel für soziale Projekte am Kotti laufen aus

Mo 30.10.23 | 08:03 Uhr | Von Iris Völlnagel
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Symbolbild: Das Kottbusser Tor in der Abenddämmerung. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: rbb24 Abendschau | 29.10.2023 | Iris Völlnagel | Bild: dpa/Christoph Soeder

Eine Viertelmillion Euro bekam Friedrichhain-Kreuzberg vom Senat, um die Aufenthaltsqualität rund um das Kottbusser Tor zu verbessern. Doch die Finanzierung läuft nun aus. Der Bezirk fürchtet um die erzielten Erfolge. Von Iris Völlnagel

Hausmeister Mike zeigt voller Stolz die Fotos auf seinem Handy. Er hat dokumentiert, wie es am Wassertorplatz in Kreuzberg aussah, als er vor zwei Wochen das erste Mal hier war. "Überall liegen Spritzen, obwohl hier ein Spritzenmülleimer steht." Dazu kommt jede Menge Müll, die Abfalleimer quillen über. Vieles davon sind die Hinterlassenschaften von Menschen, die im Park Drogen nehmen. Seitdem er nun regelmäßig hier mit seinem Besenwagen vorbeikomme, sagt Mike, sei es schon viel sauberer geworden.

Genau dafür wurde der Mann mit den blau gefärbten Haaren wurde vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als zusätzlicher "Kiezhausmeister" eingestellt: Um die Aufenthaltsqualität rund um das Kottbusser Tor und in den angrenzenden Nachbarschaften zu verbessern. Möglich gemacht hat es der Senat, von dem es 250.000 Euro Sondermittel als kurzfristige Finanzspritze dafür gab.

Soziale Projekte auf Zeit

Gemeinsam mit Anwohnerinnen, NGOs, Wohnungsbaugesellschaften, BSR, BVG, Polizei sowie Vertreterinnen vom Bezirk und Senat wurden Projekte erarbeitet, die mit den Mittel finanziert werden sollen – darunter auch der Kiezhausmeister. Rund um den Kotti soll Mike den Müll entfernen und nach dem Rechten schauen. "Ohne die Kiezhausmeister würde es immer dreckiger werden", sagt Norma Hoffmann, Projektleiterin der Kiezmeisterei im Bezirk. "Menschen ohne Wohnung, mit Suchtproblemen würden sich immer mehr versammeln, die übernachten hier, die bauen sich Zeltlager auf, wenn es jetzt immer kälter wird."

Zu gern hätte der Bezirk für Mikes Job zwei Personen eingestellt, erzählt Hoffmann. Doch für ein befristetes Projekt wie dieses sei es schwierig, geeignetes Personal zu finden. "Eigentlich sind sie wichtig, werden überall gebraucht." Doch langfristige Jobsicherheit könne man, anders als andere Arbeitgeber, nicht bieten, so Hoffmann.

Auch bei der gemeinnützigen Organisation Fixpunkt freut man sich über die zusätzlichen Gelder des Senates. Der Verein ist seit Jahren eine wichtige Anlaufstelle für die Drogensüchtigen im Kiez. Von dem Geld führt der Verein ein "Aktionsprojekt zur gemeinwesenbezogenen Sozialen Arbeit" durch. Regelmäßig ist Sozialarbeiterin Jacqueline van der Heyden im Kiez unterwegs, um mit Drogenkonsumenten, Anwohnern und Gewerbetreibende zu reden. "Manche Leute kommen in den Einrichtungen nicht an, weil sie Ängste haben oder weil sie Scham verspüren", sagt van der Heyden. Die Sozialarbeiterin sieht sich als Schnittstelle und will herauszufinden, was los ist und wo es gerade hakt. "Ich bekomme Sachen anders mit."

Finanzierung steht nur noch bis Ende des Jahres

Dass die Projektmittel zum Jahresende auslaufen, daran mag van der Heyden noch nicht denken. Nicht für sie persönlich, wie sie betont: Der Verein Fixpunkt würde sie woanders einsetzen können. Vielmehr befürchtet van der Heyen, dass dann die Lage am Kotti schlechter würde. "Dann gibt es nur noch Polizei auf der Straße und nichts Soziales mehr, das vermittelnd dasteht. Ich würde es schade finden."

Durch Polizeiarbeit allein lasse sich die komplexe Problemlage nicht lösen, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Senat solle weitere finanzielle Mittel bereitstellen, so die Forderung.

Bei Kurt Wansner löst der Antrag Kopfschütteln aus. Seit fast 30 Jahren beschäftigt sich der CDU-Abgeordnete für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg mit dem Kotti, wie er sagt. Eine weitere Finanzspritze für den Bezirk halte er nicht für sinnvoll. Zuerst solle geprüft werden, was der Bezirk mit den 250.000 Euro gemacht habe, so Wansner. "Der Bezirk braucht keine Fördermittel. Der Bezirk hat genügend Geld, wenn wir sehen, wo das Geld hier ausgegeben wird." Statt Geld für Pollersteine oder verkehrsberuhigte Zonen auszugeben, solle der Bezirk seinen Menschen helfen, sagt Wansner.

Bezirk fordert langfristige Zusage von Geldern

Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) weist die Kritik zurück. Die Bezirke würden nun einmal nicht über eigene Einnahmen verfügen, sondern bekämen ihr Geld vom Senat zugewiesen. "Und an dieser Stelle bekommen wir leider keine Mittel, nicht einmal mehr die 250.000 Euro Sondermittel", so Herrmann im Interview mit der rbb24 Abendschau. Dabei habe der Senat in der Vergangenheit Millionen in die neue Kotti-Wache der Polizei investiert, nicht aber in soziale Maßnahmen im Kiez. "Das ist das falsche Signal." Statt "markanter Sprüche oder Symbolpolitik" brauche es eine dauerhafte Finanzierung von Projekten wie den Kiezhausmeistern oder der Drogen- und Obdachlosenhilfe, so Herrmann.

Sendung: rbb24 Abendschau, 29.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Iris Völlnagel

44 Kommentare

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  1. 44.

    Wann mal die Gegend sauber? Schon in den neunziger Jahren dort gelebt und danach Immer wieder unterwegs war es Normalzustand, allmorgens die nächtlichen Hinterlassenschaften zu erleben. Mich würde im Detail interessieren, wohin die 250.000 € gegangen sind? Der Kiezhausmeister wird auf 450 € Basis beschäftigt sein. Im Jahr 5400 €. Selbst wenn zehn Kiezhausmeister dort aktiv sind, wo sind die anderen knapp 200.000 € hingegangen? Finanziert die gesamte Stadt, örtlich begrenzte Straßenmaßnahmen? Kreuzberg war noch nie wirklich arm. Es wird eine Menge überflüssiges finanziert. Statt dem Görli, werden temporäre Spielstraßen finanziert. Kiezblöcke, Holzmöbel statt Parkplätze. Die erwähnten Poller im Artikel und weitere Dinge. Die zusätzlichen Gelder müssen gestoppt werden, damit Fhain/ Kreuzberg haushalten lernt und sich um wirklich wichtige beständige Dinge im Bezirk kümmert.

  2. 43.

    Das Staatsversagen trägt in Kreuzberg einen Namen: Herrmann. Schon unter der Vorgängerin von Clara Herrmann ging es mit Xhain noch rasanter bergab als vor ihr. Die Dealer wurden fast schon eingeladen, in den Görli zu kommen. Mit denen kamen aber auch immer mehr Drogenkranke. Jetzt jammert Herrmann über die Folgen von Jahren falschtoleranter Politik ihrer Partei.

  3. 42.

    „In Neukölln kommen auf 10.000 Einwohner 4,8 Sozialarbeiter. Nur die sozial weitaus besser strukturierten Bezirke Treptow-Köpenick (4,4) und Steglitz-Zehlendorf (4,6) haben ein paar weniger. Andere Bezirke wie Marzahn-Hellersdorf (7,1), Pankow, Mitte oder Friedrichshain-Kreuzberg (je 6,7) leisten sich erheblich mehr. „

    https://www.morgenpost.de/berlin/article102180787/Ausgerechnet-Neukoelln-hat-die-wenigsten-Sozialarbeiter.html

    Zahlen sind von 2008, leider.

    Aber Kreuzberg weist eine vergleichsweise gute Ausstattung an Sozialarbeitern aus.

    Das dann der Stadtteil mit Abstand der dreckigste und gefährlichste ist, passt nicht zusammen.

    Es liegt vielleicht an den Sozialarbeitern, ja mag sein.

  4. 41.

    Wer der Meinung ist Neukölln ist nicht vermüllt braucht nur mal den Bericht vom rbb zu lesen:
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/10/illegaler-muell-berlin-neukoelln-ermittler-unterwegs.html
    Da wird wunderbar beschrieben wie es dort auf den Straßen aussieht.
    Ansonsten sollten sich alle, die immer mehr Geld fordern, darüber im klaren sein das dafür täglich Millionen Andere morgens aufstehen um das Ganze mit ihren Steuern zu finanzieren.
    Und jährlich werden von allen Seiten, ob Bund, Länder oder Kommunen, die Forderungen immer größer!


  5. 39.

    Ich habe den Beitrag gesehen. Und bin eigentlich ratlos. Was will man denn in diesem Stadtbezirk erreichen? Mir fiel auf, dass es dort echt dreckig ist. Jetzt, wo sich welche finden, die anderen den Dreck wegräumen, ist eine leichte Verbesserung bemerkbar. Aber ich schätze, am nächsten Früh ist der vorherige Zustand wieder erreicht. Kann man nicht nachvollziehen.
    Alles ist beklebt, bekritzelt oder "mit Grafittis geschmückt" - geht's noch? Sorry, wer soll das als 'Aufenthaltsqualität' in der Nähe des Kottis empfinden?

  6. 37.

    Und nicht eine dieser Forderungen haben Sie angeführt? Ich habe nach einer Begründung gefragt, nicht nach einer weiteren Nebelkerze.

  7. 36.

    Der Bezirk haut für jeden Mist Geld raus. Da mal ein paar Tausender für eine Fahrradtresen, dort ein paar zehntausende für ein WC, die Tiefbauarbeiten für das angeblich nur temporäre Projekt im Gräfekiez, Kein Wunder, das das Geld nicht für das nötigste reicht. Aber die Wähler haben es so gewollt. Selber schuld!

  8. 35.

    Also ich nutze die diverse Toilette dort sehr oft und bin dort relativ gerne. Mittags bekommen die Obdachlosen und. abhängigen ärztliche Versorgung und essen. Denen geht es dort relativ gut, darum geht es.

  9. 34.

    Da hat Frank einen Punkt. Schauen sie sich mal die Forderungen vieler Sozialarbeiter an, da wird ihnen schlecht.

  10. 33.

    In der Sonnenallee ist fast um jeden Baum eine Art Sitzgelegenheit, dort fühle ich mich nicht sonderlich unwohl. In vielen anderen vergleichbaren Gegenden, wie z.B. die Müllerstr., ist es wahrlich ungemütlicher und das Sicherheitsgefühl geschwächter. der Kotti und auch der Oranienplatz laden nicht gerade zum verweilen ein, da hängt aber eher das gleiche Klientel, wie um den Leopoldplatz, herum.

  11. 32.

    so ein versiffter Zustand, so ein Dreck und Müll wie in Berlin ist in osteuropäischen Hauptstädten undenkbar.

  12. 31.

    Diese hanebüchene These sollten Sie dann schon irgendwie begründen...

  13. 30.

    Ja natürlich, gibt es diese Ecken. Ich erlebe es anders. Selbst in "meiner Oranienstrasse " ,die in jedem Touristenführer steht, sind in relativ kurzer Zeit nacheinander 2 Bekannte von mir überfallen worden. Und das weitet sich halt aus. Nach meiner Erfahrung ist das seit Corona schlimmer geworden. Da ist vieles kaputt gegangen.....Das Thema Touristen und Vermüllung ist dabei ein eigenes Thema....

  14. 29.

    Sorry, sehe ich anders, ich habe selber eine zeitlang in Neukölln gelebt und kenne noch so einige, die dort wohnen. Ich kenne mich also selber in vielen Ecken von Neukölln aus und empfinde es ganz anders als Sie. Ich habe ja auch nur auf Ihre Aussage "weite Teile" reagiert und das finde ich einfach übertrieben.
    Ich kann auch nachts durch die Richardstraße laufen und habe mich noch nie unwohl dort gefühlt oder aggressive Stimmungen erlebt. Im Gegenteil, ich fühle mich dort wohler nachts als wo ich jetzt wohne, weil dort noch länger mehr los ist.

  15. 28.

    Toller Erfolg! "Menschen ohne Wohnung, mit Suchtproblemen würden sich immer mehr versammeln".

  16. 27.

    Herrmann, ein Name der für Überforderung und schlechtes Haushalten steht. Nach den gescheiterten Parkläufern sollen jetzt Kiezhausmeister retten, was in Jahrzehnten verbockt worden ist und andere sollen dafür bezahlen.

  17. 26.

    Ich hab es ja beschrieben, was ich mit No-Go Areas meine. Ich wohne seit 22 Jahren in Kreuzberg und kenne mich hier sehr gut aus. Das Sie hier verschiedene Sprachen hören, heißt noch lange nicht, daß es NICHT vermüllt, dreckig, laut und besonders Abends/Nachts sehr aggressiv ist- und zwar in weiten Teilen von Kreuzberg und Neukölln.

  18. 25.

    Nicht wenige Sozialarbeiter sind Teil des Problems.

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