Aktuelle Zahlen - Antisemitische Vorfälle in Berlin erreichen Höchststand

Di 28.11.23 | 09:04 Uhr | Von Sebastian Schneider
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Ein Davidstern in gelber Farbe ist in der Unterführung des S-Bahnhofs Berlin-Friedenau zu sehen.
Audio: rbb 88.8 | 28.11.2023 | Ursula Voßhenrich | Bild: dpa

Bedrohungen, Beschimpfungen, Davidstern-Markierungen an Wohnhäusern: Nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel schnellte die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Berlin nach oben. Laut der Recherchestelle Rias waren es es fast acht Fälle pro Tag.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) meldet einen Höchststand von antisemitischen Vorfällen in der Hauptstadt. Wie die Stelle am Dienstag in einem Bericht bekannt gab, verzeichnete sie zwischen dem 7. Oktober, dem Tag der Angriffe der radikalislamischen Hamas auf Israel, und dem 9. November insgesamt 282 judenfeindliche Taten. Das entspricht acht Fällen pro Tag.

Blicke man nur auf den Oktober, habe es seit Beginn der Dokumentationsarbeit im Jahr 2015 keinen Monat gegeben, in dem Rias Berlin so viele Vorfälle bekannt geworden seien, sagte eine Sprecherin. Im Vergleichszeitraum im Jahr 2022 waren es demnach durchschnittlich zwei bis drei Vorfälle pro Tag. Die Zahlen in dem aktuellen Bericht sind laut Rias nur vorläufig, es seien bereits "zahlreiche weitere Vorfälle gemeldet worden, die noch nicht verifiziert werden konnten", hieß es.

Beratungsstelle OFEK meldet fast so viele Gespräche wie in einem gesamten Jahreszeitraum

Einen ebenfalls drastischen Anstieg von Beratungsanfragen berichtet die Stelle OFEK Berlin, die Opfer antisemitischer Vorfälle berät. Alleine zwischen 7. Oktober und 9. November dieses Jahres habe es 160 Beratungsfälle gegeben. Zum Vergleich: Von Juli 2022 bis Juni 2023, also im Zeitraum eines gesamten Jahres, waren es laut OFEK 161 Fälle. "OFEK Berlin wird weiterhin nicht nur häufiger aufgesucht, sondern auch im Zusammenhang mit heftigeren Vorfällen als in früheren Jahren. Die Verdichtung der antisemitischen Bedrohung in den letzten Wochen wird das Sicherheitsempfinden der jüdischen und israelischen Berliner_innen langfristig beeinträchtigen", sagte die leitende OFEK-Beraterin Tabea Adler.

Die Nachnamen von Mitgliedern der jüdischen Gemeine zu Berlin auf der Seite der Geburtstage im Gemeindeblatt "Jüdisches Berlin" werden inzwischen aus Angst vor antisemitischen Angriffen abgekürzt, um die Mitglieder zu schützen. Novemberausgabe des Gemeindeblatts (Quelle: rbb / Schneider).
Im Sommer waren die Namen der Jubilare im Gemeindeblatt "Jüdisches Berlin" noch ausgeschrieben - inzwischen sind sie es aus Sicherheitsgründen nicht mehr. | Bild: rbb / Schneider

Bericht: Jüdischsein wird aus Angst vor Angriffen noch stärker versteckt

Genau das zeigt sich laut der Berichte bereits jetzt: Laut Rias gaben Jüdinnen und Juden an, jüdische Zeichen und Symbole noch mehr als zuvor zu verstecken, um nicht erkennbar zu sein. Sie trügen beispielsweise eine Mütze über der Kippa, sprächen nicht mehr Hebräisch auf der Straße oder versteckten Davidstern-Anhänger unter einem Schal. "Ich und meine Frau reden in der U- und S-Bahn generell nicht mehr Hebräisch, um uns nicht zu gefährden", sagte Elieser Zavadsky, Mitglied einer Gemeinde in Charlottenburg und gebürtiger Israeli, Mitte Oktober rbb|24 bei einem Gottesdienst in der Synagoge. Das Paar lebt seit Jahrzehnten in Berlin.

Die jüdische Gemeinde zu Berlin beispielsweise kürzt seit den Massakern der Hamas die Nachnamen von Mitgliedern in ihrer Gemeindezeitschrift ab, denen zum Geburtstag gratuliert wird. "Das Problem ist, dass die Zeitschrift auch im Internet abrufbar ist - und da wollten wir unsere Gemeindemitglieder schützen. Die Zeitschrift wird auch schon seit etwa zehn Jahren nur noch in neutralen Umschlägen verschickt", sagt Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der jüdischen Gemeinde, rbb|24. Ähnlich handhabt es die "Jüdische Allgemeine" inzwischen, auf Wunsch von Abonnenten.

Betroffene: fehlende Solidarität von Umstehenden bei antisemitischen Beleidigungen

Betroffene schilderten laut dem Rias-Bericht außerdem, dass sie sich bei antisemitischen Übergriffen im Alltag allein gelassen fühlten, ob in der U-Bahn, am Arbeitsplatz oder in der Kneipe. Umstehende Passanten oder Zeugen hätten nicht reagiert und ihnen nicht geholfen, während sie antisemitisch beschimpft worden seien. In mehreren Fällen schilderten Betroffene außerdem, sie seien direkt von Nachbarn angefeindet worden.

Die Beschimpfungen und Bedrohungen geschahen laut Bericht in allen möglichen Bereichen des Alltags, am Arbeitsplatz, in der Uni, in der Schule, in der U-Bahn und parallel dazu in sozialen Medien. Seit dem 7. Oktober zählte Rias in Berlin 14 Fälle, in denen Wohnhäuser mit Davidsternen markiert wurden, um jüdische Bewohnerinnen und Bewohner einzuschüchtern. "Das Problem wird sein, die Täter zu fassen - ähnlich wie bei Graffiti ist die Chance sehr gering, sie zu ermitteln und vor Gericht zu bringen. Und das ist angesichts des unfassbaren Umstands, dass die Haustüren von Jüdinnen und Juden mit einem Stern markiert werden, doch sehr frustrierend", sagt Sigmount Königsberg von der jüdischen Gemeinde.

Die meisten Vorfälle, nämlich 58, registrierte die Informationsstelle innerhalb der knapp fünf Wochen im Bezirk Mitte. Das ist mehr als halb so viel wie im gesamten Jahr 2022. Dazu kann auch beigetragen haben, dass hier mehrere Demonstrationen stattfanden, deren Teilnehmer israelfeindliche und antisemitische Parolen riefen, was die Polizei unter anderem am Alexanderplatz und am Potsdamer Platz dokumentiert hat. Auf Platz 2 folgt Neukölln mit 46 Vorfällen, danach Friedrichshain-Kreuzberg mit 34.

Ereignisse eröffnen "Gelegenheitsstruktur"

Die Berliner Polizei registrierte zwischen dem 7. Oktober und dem 21. November insgesamt 1.440 Straftaten mit Bezug auf den Nahostkonflikt. Mehr als 82 Prozent der Taten stufte die Polizei als antiisraelisch oder antisemitisch motiviert ein, sagte ein Sprecher rbb|24. Gut ein Viertel der Straftaten waren demnach gewalttätige Übergriffe.

Dass die Zahlen so viel höher sind als in Vergleichszeiträumen der Vorjahre, dürfte auch an der Ausnahmesituation in den Wochen nach den Hamas-Terrorangriffen liegen - auch wenn ein Abflauen der Vorfälle bisher nicht abzusehen ist. Zu diesem Schluss kommt auch der Rias-Bericht. Ob im Sommer 2014, im Dezember 2017 oder im Mai 2021: Immer wenn der israelisch-palästinensische Konflikt in den vergangenen Jahren eskalierte, stieg die Zahl antisemitischer und antiisraelischer Vorfälle auch in Berlin. Die Rias bezeichnet das als "Gelegenheitsstruktur": Ereignisse wie die Terrorangriffe vom 7. Oktober senken demnach die Hemmschwelle, sich antisemitisch zu äußern oder noch enthemmter auf Jüdinnen und Juden loszugehen. Gezielte Mobilisierungen durch Social-Media-Kampagnen oder Versammlungen wie mehrere pro-palästinensische und israelfeindliche Demos in Berlin könnten solche Entwicklungen verstärken, heißt es in dem Rias-Bericht. Je mehr sich Antisemiten in ihrem Handeln bestätigt und bestärkt sehen, desto alleingelassener und unsicherer fühlen sich jüdische Menschen in Berlin.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.11.2023, 09:40 Uhr

Beitrag von Sebastian Schneider

51 Kommentare

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  1. 51.

    Sie beklagen sich über Rassismus, machen aber regelmäßig Werbung für die rechtsextreme afd? Wie passt das bitte zusammen?!? Und wieso erwähnen Sie zum 372. Mal, dass Sie mit einer "Ausländerin" verheiratet seien?

  2. 50.

    Was hat das bitte mit dem Thema des Artikels zu tun?!?

  3. 49.

    Der Spiegel veröffentlichte heute den Bericht einer Tante eines 12jährigen Jungen, der nun freigekauft wurde. Eitan, ein Franzose, hat Schreckliches erlebt. Das Kind wurde von jedem geschlagen, von Zivilisten, wurde mit Waffen bedroht wenn er weinte und musste die Filme über das Massaker an seinen Leuten anschauen. Was gibt es Grausameres, Unmenschlicheres? Das ist der Hass. Er macht nicht vor den Kindern halt.

    Es sind noch viele Kinder in den Händen der Hamas.
    Haltung. Gegen Hass auf Menschen.

  4. 47.

    Im Beitrag geirrt? Kann ja mal passieren. Wie stehen Sie persönlich zum Antisemitismus, wie schützen Sie jüdisches Leben in Deutschland?

  5. 45.

    Nabend, schauen Sie ab und zu auch mal Fernsehen?
    Wenn ja,ist Ihnen dabei eventuell schon mal aufgefallen das alle antisemitischen Demos in Berlin oder in den alten Bundesländern abgehalten wurden. Nicht in Dresden, nicht in Cottbus nicht in Rostock sondern zB in Essen, Düsseldorf usw , glaube mal dort hat man ein richtiges Problem mit Antisemitismus. Sonst machen Sie in ihren Kommentaren immer Werbung für die AfD, würde mal sagen passt ihr Kommentar nicht ganz zu der Meinung die Sie sonst immer vertreten. Ich wohne im schönen Brandenburg und das schon über 50Jahre aber das was Sie hier geschildert haben, habe ich noch nie so in diesem Ausmaß erlebt, wie Sie es hier geschrieben haben.

  6. 43.

    Manch Kommentar ist beschämend, wollen Sie Antisemitismus relativieren?

  7. 42.

    Haben Sie auch etwas im Kampf gegen Antisemitismus zu bringen, mit ähnlichem Engagement? Haltung gegen Menschenhass? Artikel gelesen? Inhalt verstehen können?

  8. 41.

    Sie haben sich wahrscheinlich im Beitrag geirrt, hier geht es um Menschenhass. Der Hass auf andere Menschen lässt manch einen mitunter unbesonnene Kommentare schreiben. Das soll vorkommen, wenn der Hass den Weg zum Menschsein versperrt. Das kann Ihnen nicht passieren, Sie haben sich ja nur im Beitrag geirrt.

  9. 40.

    Nabend, schauen Sie ab und zu auch mal Fernsehen?
    Wenn ja,ist Ihnen dabei eventuell schon mal aufgefallen das alle antisemitischen Demos in Berlin oder in den alten Bundesländern abgehalten wurden. Nicht in Dresden, nicht in Cottbus nicht in Rostock sondern zB in Essen, Düsseldorf usw , glaube mal dort hat man ein richtiges Problem mit Antisemitismus. Sonst machen Sie in ihren Kommentaren immer Werbung für die AfD, würde mal sagen passt ihr Kommentar nicht ganz zu der Meinung die Sie sonst immer vertreten. Ich wohne im schönen Brandenburg und das schon über 50Jahre aber das was Sie hier geschildert haben, habe ich noch nie so in diesem Ausmaß erlebt, wie Sie es hier geschrieben haben.

  10. 39.

    Das besondere an dieser Einstellung des Verfahrens ist die Tatsache, dass das "Opfer" mit in die Entscheidung eingebunden wurde.

    Der Hotelangestellte hat als Nebenkläger die Entschuldigung angenommen und einem Schadensersatz zugestimmt.
    Außerdem war durch das Geständnis die Schuld eindeutig geklärt.

    Das zeigt, welch Größe der Hotelangestellte besitzt--immerhin gilt Herr Ofarim damit als- nicht vorbestraft--und ermöglicht ihm eine bessere Zukunft.

    Man kann nur hoffen, dass Herr Ofarim erkennt, was ihm dieser Hotelangestellte "geschenkt" hat--und welch einem wunderbaren Menschen er durch seine Lüge so großen Schaden zufügen wollte. Und es sicher auch in Teilen getan hat.

    Wer schon einmal einen Deal ertragen musste, der lediglich zwischen Staatsanwaltschaft/Gericht und Beschuldigten --unter Ausschluss der anzeigenden Angehörigen -ausgehandelt wurde, ohne dass die Vorfälle aufgeklärt wurden--der kann nur dankbar sein, dass es noch solche Beteiligte an einem Verfahren gibt.

  11. 38.

    Was soll man sagen? Hr.Ofarim hat der jüdischen Gesellschaft einen Bärendienst erwiesen. Aber Hr.Ofarim ist EIN Jude und kein Symbol für alle Juden. Die Medien sollten sich bedeckt halten. Welche Rolle haben sie denn gespielt als es zu dem Vorfall kam? Wurde der Vorwurf des antisemitischen "Angriffs" nicht sensationsgeil aufgegriffen und die Demo vor dem Hotel damit inszeniert?Und es war nicht das erstemal, dass vorverurteilt wurde, einer Schlagzeile zuliebe (z.B. Kachelmann, Rammstein).

  12. 36.

    >"Wie wäre es mit den Aussagen von Frau Wagenknecht z.B.?"
    Frau Wagenknecht ist keine Linke und nicht die Linke!!! Das sollte seit der Gründung ihrer Onewoman-Show eigentlich jeder begriffen haben.

  13. 34.

    Haben Sie eigentlich auch irgendetwas zum eigentlichen Artikel zu sagen oder nicht? Ich würde z.B. gerne von Ihnen wissen, wie Sie dazu stehen, dass die antisemitischen Vorfälle in Berlin einen Höchststand erreicht haben. Ich finde das sehr erschreckend und Sie?

  14. 32.

    Der Fall Gil Ofarim beweist nur, dass Dummheit auch unter Juden verbreitet ist. Im Übrigen verstehe auch ich bei Ihrer Frage nicht die Verbindung zu antisemitischen Vorfällen in Berlin. Solange Personen, die Kippa bzw. sichtbar den Davidstern tragen oder aber hebräisch sprechen, Gefahr laufen, in bestimmten Stadtteilen "eine aufs Maul" zu bekommen, haben wir hierzulande ein Problem, dass dringend gelöst werden muss. Daran ändern die Wichtigtuereien irgendeines C-Promis rein gar nichts.

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