Grundsteuerreform - So will der Senat Berlins Grundstücksbesitzern entgegenkommen

Mi 21.02.24 | 19:03 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Symbolbild: Dicht an dicht stehen am 28.06.2019 Wohnhäuser in Berlin. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Video: rbb24 Abendschau | 21.02.2024 | Dorit Knieling | Bild: dpa/Paul Zinken

Die Angst vieler Grundstücksbesitzer vor der neuen Grundsteuer war groß: Zu befürchten war, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Abgaben deutlich steigen würden. Dem will Berlin nun entgegenwirken. Von Sebastian Schöbel

Dass ein Finanzsenator in Berlin auf die Chance verzichtet, mehr Steuereinnahmen verbuchen zu können, kommt selten vor. Dass die Neuberechnung der Grundsteuer eine solche Gelegenheit wäre, will Stefan Evers am Mittwoch auch gar nicht bestreiten: Schließlich geht es um einen Posten, der allein in diesem Jahr 870 Millionen Euro in die Berliner Kassen spülen wird, und der durch die Anpassung der Berechnung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts drastisch steigen könnte. Doch trotz der angespannten Haushaltslage verspricht Evers: "Bei diesem Thema, das alle Berlinerinnen und Berliner betrifft, und das insbesondere auf das sensible Thema Wohnen abzielt, möchte ich ausdrücklich unterbinden, dass wir uns Mehreinnahmen bescheren."

Deswegen will der CDU-Politiker nun vor allem zwei Maßnahmen umsetzen, um die steuerliche Belastung von Grundstücksbesitzern ab 2025 abzumildern, wie er sagt. Die beiden Faktoren, die für Grundsteuerpflichtige zentral sind, werden angepasst - zum Teil drastisch.

Steuermesszahl und Hebesatz sinken

Einerseits bleibt die Steuermesszahl für Wohngrundstücke bei 0,31 Promille. Für Grundstücke ohne Wohnbebauung soll der Wert auf 0,45 Promille steigen. Ohne diesen Schritt, so Evers, würde Wohnraum einen deutlich höheren Anteil der Grundsteuerlast tragen, was gerade in Berlin eine unzumutbare Ungerechtigkeit sei. Und andererseits wird der in Berlin besonders hohe Hebesatz von 810 Prozent auf 470 Prozent reduziert.

Bislang nahm Berlin in dieser Kategorie unter den deutschen Großstädten einen Spitzenplatz ein, weit vor München, Hamburg oder Köln, wo der Hebesatz zuletzt zwischen 500 und 540 Prozent lag. Zwar müsse am Ende jeder Steuerbetrag individuell ausgerechnet werden, weil kein Grundstück dem anderen gleiche, so Evers. Aber dass zum Beispiel zwei sehr ähnliche Einfamilienhäuser mit kleinem Garten, oder zwei etwa gleich große Wohnungen ähnlicher Bauart je nach Bezirk teils vollkommen unterschiedlich besteuert werden, sei damit vorbei. "Es wird auf jeden Fall gerechter", sagt Evers.

Grundsteuer steigt für viele nur leicht

Ein Beispiel: Für eine 74 Quadratmeter große Wohnung in Friedrichshain-Kreuzberg wurden bislang rund 263 Euro Grundsteuer im Jahr fällig. In Zukunft wären es laut Finanzverwaltung 282 Euro. Bei einem Einfamilienhaus mit 120 Quadratmeter Wohnfläche in Treptow-Köpenick waren es bislang 427 Euro, künftig wären es rund 448 Euro.

Mehr als eine sehr grobe Orientierung sind die Beispiele aber nicht: Zu unterschiedlich hätten sich die Grundstückswerte in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt, sagt Evers. Dass es auch drastische Ausreißer geben kann, hat die Finanzverwaltung bei Stichproben bereits gemerkt: In Einzelfällen habe sich gezeigt, dass die Grundsteuer um ein Vielfaches steigen würde - allerdings vor allem bei Grundstücken, für die bislang fast gar keine Steuer gezahlt wurde.

Hintergrund

Symbolbild: Eine Person besorgt sich den Antrag in Papierform für die neue Grundsteuer in Deutschland (Quelle: IMAGO/K. Schmitt)
IMAGO/K. Schmitt

Formel und Begriffe - Berliner Grundsteuer ab 2025

  • Hebesatz: Der Faktor, mit der die Höhe der Grundsteuer ermittelt wird. Städte und Gemeinden legen diese Prozentzahl nach eigenem Ermessen fest, sie nehmen die gesamte Grundsteuer ein. Es gibt riesige Unterschiede in Deutschland: Der Hebesatz lag zuletzt zwischen 0 und 1.050 Prozent. Die Verteilung folgt dabei keinem festgelegten Muster. Allerdings ist der Wert oft bei weniger wohlhabenden Kommmunen deutlich höher - so wollen sie Einnahmen generieren.
  • So lässt sich Ihre Steuer in Berlin berechnen: Grundsteuerwert (steht im Grundsteuerwertbescheid) x 0,00031 (Steuermesszahl) x 4,7 (Hebesatz)

Komplett veraltete Bemessungsgrundlagen

Bauliche Veränderungen, etwa eine zusätzliche Garage oder einen neuen Wintergarten, seien oftmals von den Finanzämtern jahrelang gar nicht bedacht worden. Dazu kommt, dass die Bewertungen von Grundstücken in Ost und West zum Teil auf vollkommen veralteten Daten beruhten. Gerade in Berlin spüre man das besonders deutlich, so Evers. Auch deswegen sei gerade im Ostteil Berlins die Angst vor drastischen Steuererhöhungen groß gewesen.

Unbegründet war das nicht, räumt der Finanzsenator ein. Ohne die geplanten Maßnahmen des Senats würde die Grundsteuer der beispielhaften 74-Quadratmeter-Wohnung in Kreuzberg auf fast 490 Euro ansteigen. Für das Häuschen in Treptow-Köpenick wären es sogar mehr als 770 Euro geworden. Die Angst vieler Grundbesitzer im Vorfeld sei absolut berechtigt gewesen, sagt Evers, auch aufgrund der "nicht glücklichen Kommunikation und der verbesserungswürdigen Serviceleistung bei den Erklärungen". Und man werde nun das Informationsangebot verbessern, so Evers.

IHK-Präsident: Wirtschaft sorgt sich um Mehrbelastung der Unternehmen

Der Finanzexperte der Linken, Steffen Zillich, zeigt sich zufrieden, dass Evers das Versprechen eingelöst hat, die neue Grundsteuer aufkommensneutral zu gestalten, also ohne Mehreinnahmen für das Land Berlin. Auch die Begünstigung von Wohneigentum sei sinnvoll, so Zillich. Trotzdem blieben Detailfragen offen, etwa ob die Härtefallregelung ausreicht, oder ob am Ende nicht doch Hausbesitzer und Mieter den Großteil der Steuerbelastung tragen. Zufrieden zeigte sich auch der Verband der Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN). Dass der Hebesatz sinken soll, sei eine gute Nachricht, sagt der VDGN-Präsident Jochen Brückmann. Dennoch werde es ortsabhängig zu Mehrbelastung kommen. "Wir haben festgestellt, dass es bis zu einer Verdopplung werden kann, also in sehr hochpreisigen Lagen." Allerdings sei das nicht überall und automatisch so, auch nicht im Osten Berlins.

Genau das Gegenteil befürchten Vertreter der Berliner Wirtschaft, wie sie sagen. Dass der Hebesatz sinkt, sei zwar zu begrüßen, sagt der IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Die Bedenken der Unternehmen, bei der Grundsteuerreform am Ende doch draufzahlen zu müssen, seien nicht ausgeräumt. "Die vom Senat in Aussicht gestellte Entlastung für Wohnimmobilien darf künftig nicht zu einer überproportionalen Belastung für gewerbliche Nutzungen führen - und damit langfristig zu Lasten der Attraktivität des Standorts gehen." Die Neuregelung der Grundsteuer soll vom Senat noch vor der Sommerpause beschlossen und in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Endgültig verabschiedet werden soll sie noch in diesem Jahr.

Sendung: rbb24 Abendschau, 21.02.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

25 Kommentare

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  1. 25.

    Ja, und das Finanzamt setzt zur Berechnung deutlich höhere Mieten an, als tatsächlich genommen werden. Also liebe Mieter bedankt Euch beim Finanzamt und Senat, die sicherlich nicht den bezahlbaren Wohnraum im Blick haben. Weder für Eigennutzer noch für Mieter. Der Senat darf zukünftig jedenfalls nicht mehr alles auf die bösen Spekulanten und Vermieter schieben. Er ist keinen deut besser.

  2. 24.

    Mieter zahlen auch Grundsteuer (als Teil der Betriebskosten), ohne dass sie aus der gemieteten Wohnung Einnahmen erzielen.

  3. 23.

    Das habe auch schon vermutet. Eigentlich müsste man die Grundsteuer jährlich neu bewerten, da sich die Bodenrichtwerte ständig ändern.

  4. 22.

    Die Grundsteuer bezahlen alle. Denn die wird als Betriebskosten auf die Miete umgelegt. Also nix mit Besteuerung nur für Reiche.

  5. 21.

    Ich finde die Faktorreduzieungen falsch und skandalös. Immobilieneigentümer:innen wie ich gehören bereits zu den Privilegierten der Stadt. Zudem erweckt der Text mit seiner Sprache von Wohnung/Häuschen den Eindruck als seien primär Selbstnutzer:innen betroffen, die knapp kalkuliert haben. Das ist ja Quatsch. Für die wenigen, auf die das zuträfe, hätte man Härtefallregeln treffen können.

    Da soll Berlin lieber die Grunderwebssteuer für Erstimmobilien oder Selbstnutzer senken. Alle laufend an der Wertsteigerung zu beteiligen ist hingegen richtig und wichtig.

  6. 18.

    Soviel größer ist das Haus nicht. Und da sich in der Umgebung nichts wertsteigerndes in den letzten 15 Jahren verändert hat, finde ich die 7fache Wertsteigerung vom Senat ziemlich unverschämt. Der Senat ist für mich der größte Bodenspekulant und sollte sich zukünftig an Kritik an Vermietern und Investoren zurückhalten.

  7. 17.

    Und wie bitte kommen Sie darauf, dass ich reich bin. Für mich ist die 4fache Grundsteure ein ganz schönes Problem.

  8. 16.

    Was ist denn eigentlich die Erwartung des Fiskus von Berlin für den Saldo? Wird im Saldo mehr eingenommen werden, trotz einiger Umverteilungen?

  9. 15.

    Ergänzung
    Das Dilemma für die Kommunen in Flächenländern wie Brandenburg ist der Zusammenhang zwischen Hebesätzen und Schlüsselzuweisungen des Landes. Ohne steigende Hebesätze würden die Landeszuweisungen sinken. Soll heißen, dass die Kommunen gar keine andere Wahl der Finanzierung haben. Die Länder sind nicht ehrlich, wenn die neue Grundsteuer nicht steigt. Es ist drastisch der Fall.

    Nochmal, statt der kalten stückweisen Enteignung mittels eines ungerechten Bürokratiemonsters ist die Finanzierung über die Lohsteuerverteilungen mittels KI einfacher und gerechter.

  10. 14.

    Da die Kommunen bereits kräftig an jedem Grunderwerb verdienen ist das laufende Erheben einer "Grundsteuer" seit jeher eine Frechheit. Für welche Leistung eigentlich...? Da könnte man auch Atemluft besteuern.

  11. 13.

    Also wenn Sie bei gleicher Formel deutlich mehr errechnen, wird Ihr Grundstück/ Haus deutlich größer sein, und/ oder einen wesentlich höheren Wert haben. Ich finde es gerecht, wenn in ganz Berlin gleiche Maßstäbe angesetzt werden. Wenn man hier liest, dass manch einer nur 260,00€ im Jahr zahlen musste, dann war das eben all die Jahre viel zu wenig...

  12. 12.

    Bevor die neue Berechnung greift, haben sich Kommunen „einen kräftigen Schluck aus der Kanne gegönnt“ und die Hebesätze raufgesetzt. Weil die Kommunen die legale Möglichkeit nutzen. Die nun vorgestellten Berechnungen verschleiern deshalb, die teils und überwiegend drastischen Enteignungen, wenn man aus selbst Bewohnten keine Einnahmen erzielen kann.

  13. 11.

    Bevor die neue Berechnung greift, haben sich Kommunen „einen kräftigen Schluck aus der Kanne gegönnt“ und die Hebesätze raufgesetzt. Weil die Kommunen die legale Möglichkeit nutzen. Die nun vorgestellten Berechnungen verschleiern deshalb, die teils und überwiegend drastischen Enteignungen, wenn man aus selbst Bewohnten keine Einnahmen erzielen kann.

  14. 10.

    Ich glaube, Sie haben die Geschehnisse nicht verstanden. Warten Sie bitte nach dem 1. Bescheid doch noch den dann errechneten Hebesatz ab.

  15. 8.

    An den Hebesätzen erkennt jeder schnell die wirtschaftlichen und politischen Fähigkeiten von Stadt und Einwohnern (Wählern).

  16. 6.

    Und ich bezahle jetzt für ein Reihenhaus 1520 €. Also fast das dreifache von dem, was Sie zahlen. Und das ist jetzt gerecht? Wohl kaum.

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