20.000 neue Straßenbäume - Pflanzaktion mit Hindernissen auf Brandenburger Alleen
In den letzten Jahren konnte nur jeder dritte gefällte Alleebaum in Brandenburg ersetzt werden. Das Verkehrsministerium will jetzt mehr Tempo machen. Doch oft sind Eigentümer dagegen, dass auf ihren Grundstücken neue Bäume gepflanzt werden. Von Lisa Steger
Baumsetzlinge vorhanden, Acker gesucht: Frank Schmidt ist beim Landesbetrieb Straßenwesen zuständig für Westbrandenburg. Eine seiner Aufgaben: Alleen zu erhalten - und neue zu planen. Doch wo ein Grundstück ist, da ist auch ein Eigentümer. Und wenn die Allee sich über Kilometer erstreckt, dann sind es meist mehrere. Alle müssen einverstanden sein. Daran scheitere es manchmal, sagt Frank Schmidt.
"Es ist unterschiedlich", berichtet der Bauingenieur. "Wenn einer viel landwirtschaftliche Fläche hat, ist er eher bereit, etwas abzugeben, als wenn er wenig hat." Eine weitere Frage sei: "Ist es ein ortsansässiger Bauer? Oder hat er nur Flächen, die er nachher verpachtet? Da finden wir viel schwieriger einen Ansprechpartner, als wenn wir den Bauern vor der Haustür haben."
Auch regional seien die Unterschiede groß, sagt Schmidt. Im Kreis Potsdam-Mittelmark sei es leicht, Landwirten Grundstücksstreifen am Straßenrand abzukaufen, sagt der Planer. Anders im Nordwesten Brandenburgs. "Wir haben Regionen, da kriegen wir keinen Fuß auf den Boden, um überhaupt zu pflanzen." Das gelte für die Prignitz und Ostprignitz-Ruppin. "Dort sind die Menschen auf Landwirtschaft angewiesen, sie verdienen ihr Brot damit. Deshalb haben wir da auch viele Widerstände", sagt Schmidt.
Minister umwirbt Grundstückseigentümer
Der Mangel an verfügbarem Land ist die höchste Hürde für neue Alleen, bestätigt Brandenburgs Verkehrsminister Rainer Genilke. "Wir zahlen die Pflanzung und die Pflege des Baumes", sagt der CDU-Politiker. Man kaufe den Landwirten auch das nötige Land ab. "Aber wir können nur den Bodenrichtwert zahlen und der ist bei Ackerland natürlich nicht so hoch." Für Landwirte, die nicht verkaufen wollen, habe er teilweise Verständnis. "Das Land ist ihr Kapital", sagt Genilke.
Das Problem für den Erhalt der Alleen: Oft darf dort, wo ein alter Alleebaum stirbt, kein neuer gepflanzt werden. Der muss nämlich mindestens viereinhalb Meter von der Straße entfernt stehen - wegen der Sicherheit der Autofahrer. Vor mehr als achtzig Jahren, als die meisten heutigen Alleebäume gesetzt wurden, gab es solche Vorgaben nicht. Heute - angesichts von 1.450 Baumunfällen in Brandenburg allein im vergangenen Jahr - ist das naheliegenderweise anders.
Der 20.000-Bäume-Plan
5.000 Alleenbäume sollen in Brandenburg pro Jahr gepflanzt werden und das noch bis 2028, sagt der Verkehrsminister. Macht 20.000 insgesamt. Ohne die Grundstückseigentümer sei das unrealistisch. Enteignungen jedoch seien nicht vorgesehen und rechtlich auch nicht möglich. "Freiwilligkeit, darauf setzen wir - mit den Leuten vor Ort, den Landwirten und Kommunen" betont Genilke, "das ist schneller, als mit dem Popanz einer Enteignung zu drohen."
Um das Ziel zu erreichen, will die Landesregierung neue Alleen auch in Dörfern schaffen. "Es gibt genug Standorte, wo diese Bäume überhaupt nicht stören, das machen wir jetzt", kündigt Genilke an. Man müsse dort die viereinhalb Meter Abstand zur Fahrbahn nicht einhalten, weil niemand dort mit 70 oder gar hundert Kilometern pro Stunde unterwegs sei.
Kritik von Grünen, Linken und Nabu
Den Grünen ist der Plan nicht ehrgeizig genug, teilt die umweltpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Isabell Hiekel, mit. "Wenn wir ein Alleenland bleiben wollen, brauchen wir eine vollständige Kompensation aller Baumfällungen, egal, wie viele es sind." Angesichts der Klimakrise müsse man mit weiteren Baumverlusten rechnen.
Der umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Thomas Domres, kritisiert, die Maßnahmen würden "nicht reichen, um unsere Alleen für die Zukunft zu sichern." Auch der Naturschutzbund Nabu kritisierte das Konzept als unzureichend. Es könne "nur ein erster Schritt" sein.
13.300 Bäume gefällt - und 3.700 gepflanzt
Genilke weist diese Einwände gegenüber rbb|24 zurück. "Wenn alle, die jetzt Kritik üben, sich jetzt beteiligen, werden wir mehr als 20.000 Bäume anpflanzen“, sagt er. "Die Zielzahl ist völlig in Ordnung. Damit werden wir das alleenreichste Bundesland bleiben."
Die Zahlen zeigen: An Brandenburgs Landesstraßen wurden in den vergangenen Jahren weniger als ein Drittel der gefällten Alleebäume neu gepflanzt. Von 2018 bis 2022 wurden knapp 13.300 Bäume gefällt, wie das Verkehrsministerium in Potsdam auf eine Anfrage Ende 2023 mitgeteilt hatte. Dagegen wurden im selben Zeitraum etwa 3.700 Alleebäume gepflanzt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.03.2024, 19:30 Uhr