Drei-Milliarden-Defizit - Koalitionsausschuss will Sparpläne des Berliner Senats beschließen

Mo 18.11.24 | 06:08 Uhr | Von Jan Menzel
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Archivbild:Rathaus der Stadt Berlin und Sitz der Senatskanzlei des Landes Berlin am 05.08.2024.(Quelle:picture alliance/D.Kalker)
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Audio: rbb24 Inforadio | 18.11.2024 | Sebastian Schöbel | Bild: picture alliance/D.Kalker

Seit Monaten berät die Koalition in Berlin hinter verschlossenen Türen darüber, wie das Haushaltsloch im nächsten Jahr zu stopfen ist. Nun steht fest, dass kaum ein Bereich verschont bleibt. Letzte Streitpunkte soll der Koalitionsausschuss nun klären. Von Jan Menzel

  • Berliner Senat muss im kommenden Jahr drei Milliarden Euro sparen
  • Koalitionsausschuss berät am Montag, Ergebnis soll am Dienstag verkündet werden
  • Erhebliche Einsparungen vor allem beim ÖPNV und der Kultur
  • Kürzungen im Sozialen weniger erheblich als in anderen Bereichen

Für Illusionen ist ein Finanzsenator schon qua Amt nicht zuständig. Daran hat sich der Christdemokrat Stefan Evers auch gehalten und in den letzten Monaten keinerlei Hoffnung verbreitet, dass der Sparhammer die Stadt vielleicht mit weniger Wucht treffen könnte und sich das Haushaltsloch quasi auf wundersame Weise noch verflüchtigen würde.

"Natürlich wird es Träume geben, die am Horizont zerplatzen. Die muss es geben“, führte der Finanzsenator in der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses wortreich aus. Und um zu illustrieren, worum es geht, bemühte Evers auch das Bild eines Baumes, der nun zurückgeschnitten werde, um später wieder kraftvoll auszuschlagen.

"Drei Milliarden Euro atmet man nicht so einfach weg"

Dass Berlins Haushalt hoffnungslos überbucht und künstlich aufgebläht ist, dürfte ihm wie der gesamten Koalition durchaus länger bewusst gewesen sein. Schon als das Zahlenwerk vor anderthalb Jahren vom Senat beschlossen wurde, war klar, dass drei Milliarden Euro an Ausgaben nicht gedeckt sind und nachträglich herausgekürzt werden müssen.

"Das ist kein leichter Weg. Drei Milliarden Euro atmet man nicht so einfach weg“, erklärte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in der Sommerpause. Wegner war es auch, der einen ersten Testballon startete und eine Diskussion darüber auslöste, ob Berlin aus Spargründen auch auf Prestige-Projekte wie die Sanierung der Komischen Oper verzichten müsse.

Große Sorgen im Kultur- und Sozialbereich

Nach Informationen des rbb ist sich die Koalition einig, dass die Opernstiftung im nächsten Jahr 15 Millionen Euro weniger vom Land bekommen soll. Was die Sanierung der Komischen Oper betrifft, so sind zehn Millionen Euro, die für 2025 eingeplant waren, nun erst einmal gestrichen. Aber auch Theater, Museen, Projekte und damit auch die Freie Szene sollen zum Teil erhebliche Sparbeiträge leisten. Insgesamt muss der mit rund 1,1 Milliarden Euro relativ kleine Kulturetat mit voraussichtlichen Kürzungen von 11,6 Prozent besonders viel einsparen.

Mindestens genauso groß wie in der Kultur waren die Befürchtungen im Sozialbereich und hier besonders bei den freien Trägern, die um die Finanzierung von Beratungs- und Betreuungsangeboten bangen. "Dieser Haushalt schwebt wie ein Damoklesschwert über der Stadt. Wenn es der Koalition nicht gelingt, ihren eigenen aufgeblähten Haushalt in den Griff zu bekommen und sinnvoll zu sparen, dann weiß ich nicht, wo wir landen werden. Aber eines ist klar: Dann wird es zu Lasten der Schwächsten und der Armen in dieser Stadt gehen“, so die düstere Prognose von Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch.

Millionen-Streichungen beim Verkehr erwartet

Die Unsicherheit rührt auch daher, dass der Regierende Bürgermeister angekündigt hat, dass es beim Sparen keine "Denkverbote" geben werde. Der Koalitionspartner SPD in Person von Fraktionschef Raed Saleh wiederum hatte versprochen, einen "sozialen Kahlschlag" zu verhindern. "Deswegen werbe ich auch sehr dafür, dass wir nicht das Rasenmäher-Prinzip mit zehn Prozent pro Verwaltung machen, sondern dass wir tatsächlich gucken, wo können wir strukturell einsparen können", sagte Bausenator Christian Gaebler (SPD) kürzlich nach der Senatssitzung.

Dass Schwarz-Rot Schwerpunkte gesetzt hat, wird am Etat von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) besonders deutlich. Sie muss "nur" rund 75 Millionen zu den Einsparungen beisteuern. Das entspricht lediglich 3,8 Prozent ihres Budgets im kommenden Jahr. Entsprechend mehr müssen andere Senatsverwaltungen beitragen, um das Haushaltsloch zu stopfen.

Wie erwartet trifft es die großen Ausgabe-Blöcke des Landes im Bildungs- und vor allem den Verkehrsbereich besonders hart. Gerade die Ausgaben für Verkehrswende, Umwelt-, und Klimaschutz waren in den vergangenen Jahren unter grünen Senatorinnen stark angewachsen. Schwarz-Rot streicht hier jetzt hunderte Millionen Euro für Busse, Bahnen und Radwege zusammen.

Damit sind die ehrgeizigen Pläne der BVG, ihre Busse bis 2030 komplett zu elektrifizieren, fürs erste ausgebremst. Auch das 29-Euro-Ticket ist seit längerem als Kürzungskandidat im Gespräch. Zuletzt tauchte noch die Variante auf, dass es doch gerettet werden könnte, wenn der Preis auf 39 Euro steigt. Die größtmögliche Entlastung von 300 Millionen Euro brächte aber das vollständige Ticket-Aus.

Sozialticket wird wohl teurer, Wohnraumförderung sink deutlich

Klar ist dagegen, dass das bisher mit neun Euro sehr günstige Sozialticket teurer wird. 19 Euro wäre ein möglicher Kompromisspreis der Koalitionspartner, aber auch 29 Euro finden sich als Variante in den Kalkulationen von CDU und SPD. Beim kostenlosen Schülerticket soll es dagegen bleiben. Dieses Angebot war der SPD besonders wichtig.

Um etwa 150 Millionen absenken will die Koalition die Wohnraumförderung im Landeshaushalt. Als Kompensation sollen Bürgschaften und Darlehen gewährt werden. Hier dürfte die landeseigene Investitionsbank IBB ins Spiel kommen. Relevante Abstriche soll es bei der Wirtschaftsförderung und der Digitalisierung geben. So ist eine Halbierung der Mittel für die E-Akte um 20 Millionen Euro geplant.

Unstrittig war zwischen den Koalitionspartnern, dass Berlin neben den Kürzungen auch seine Einnahmen verbessern muss. Eine Anhebung der Vergnügungssteuer von 20 auf 25 Prozent könnte schätzungsweise neun Millionen Euro einbringen. Von einer Erhöhung der Zweitwohnsteuer erhoffen sich CDU und SPD zehn Millionen Euro zusätzlich.

Weitere Optionen sind eine höhere Übernachtungssteuer, die Anhebung der Grunderwerbsteuer oder höhere Parkgebühren, insbesondere für Anwohner-Vignetten. Die finale Entscheidung über beides - Steuererhöhungen als auch Kürzungen - soll der Koalitionsausschuss am Montag Abend treffen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.11.2024, 7:40 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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15 Kommentare

  1. 15.

    Welche Parteien und Politiker auch regieren, sie müssen mit dem vorhandenen Geld auskommen. In Nordrhein-Westfalen wurde aktuell von einer CDU-GRÜNEN-Regierung auch massiv im sozialen Bereich gespart. Direkte und indirekte Steuern und Gebühren sind auch schon exorbitant hoch. Wenn ich für eine Stunde parken drei Euro bezahlen soll, suche ich dementsprechende Restaurants oder Einzelhandelsgeschäfte nicht mehr auf. Die Sozialabgaben steigen stetig weiter an und vermindern das Nettogehalt immer weiter. Hohe Energie- und Strompreise sowie hohe Mieten und weiter steigende Preise für Neubauten bei weniger Nettoeinkommen lassen für die Zukunft nichts Gutes erwarten. Alle neuen Schulden müssen mit jetzt hohen Zinsen und Zinseszins zurückgezahlt werden. In der Niedrigzinsphase wurden unerlässliche Investitionen leider unterlassen.

  2. 14.

    Da unterscheiden wir uns ein wenig…. ich schaue fat immer nach Preis/Leistung.
    Wohl auch ein Grund warum ich mich mit 3 Stunden anstelle um eine Tafel Dubai Schokolade zu kaufen.
    Wenn ich mir dann so einige Parkzonen in Tempelhof oder Schöneberg ansehe, erschließt sich mir nicht der Sinn warum Bereiche wo weit und breit nichts zum bummeln einlädt nun plötzlich Geld verlangt wird und es 5 Meter weiter nichts kostet.
    Für mich sieht es so aus…. Wir können nicht die Kfz Steuer verändern und darum suchen wir uns was anderes um an Geld zu kommen ohne dafür ein mehr an Leistung zu bieten.

  3. 13.

    In ihrer Rechnung sind natürlich die Villenbesitzer im Grunewald mit Haus und Garage eingeschlossen, nicht der Bauarbeiter oder Krankenschwester aus Wedding, Neukölln oder Marzahn. Wahrscheinlich fehlte es auch an Verstand für Führerschein und Auto und man wohnt am Büro oder bezieht Bürgergeld

  4. 12.

    Die 4000 Euro Durchschnitt ITT sind doch weltfremd. Schaue sie sich die Realität an....wieviel Prozent haben denn 4 k Netto? Selbst ich mit 3k Netto bin nicht die Regel und kann mir die Stadt auch nur leisten weil ich in einer ehemaligen 3 Zimmer 71 qm Sozialwohnung unweit Hbf für 620 warm wohne.

  5. 11.

    Was man nicht erwähnt, welche Ausgaben es sind was diese Einsparungen notwendig macht. Gut, eigentlich ist die Nichterwähnung schon sehr lautstark.
    Tickets - würde ich auch komplett streichen, der ÖPNV überlebt nicht mit DDR-Preisen. Kultur - am Broadway zahlt der Staat auch keine Gelder in die Kultur, die trägt sich selbst, das Angebot muss stimmen. Bildung - hier bitte genau schauen. Verkehr - das Chaos ist eh nicht zu beherrschen. Wir sind am Ar….! Es war alles vorhersehbar für Intelligente

  6. 10.

    Die Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft ist Grundsatz unser aller Entscheidungen im Sozielwesen.
    Das Sozialticket um über 200! Prozent zu erhöhen Ist eine regelrechte Frechheit.
    Vielleicht ja auch die Mittel für die Übernahme der Mietkosten im Bereich Sozialabsicherung, Sozialhilfe Grundsicherung streichen und dafür dann grosse Zeltplätze anmieten, wo das "Gesocks" nach Belieben hausen kann.
    Es ist eine Frechheit, auch wenn man bedenkt, dass das Abgeornetenhaus sich regelmäßig die Diäten erhöht, das letzte Mal um monatlich über 300€ Euro bei bereits bei mind.8000€...da braucht man natürlich einen Inflationsausgleich, au weia.
    Über 120 zusätzliche Staatssekretär: innen während der Ampelregierung, monatl. Salaire von 8000 bis 15000€ -
    nun ist das natürlich aus dem Bundeshaushalt finanziert, zeugt aber dennoch von geradezu unbedarftem Verhältnis zu Geld, Steuergelder der Bevölkerung, in deren Auftrag jene doch stehen.
    Nun wird gespart: Kinder, Kunst, ,Arme...egal...

  7. 9.

    Angesichts der Preisentwicklung für Grunderwerb in den letzten 10 Jahren haben sich die Einnahmen durch die Grunderwerbssteuer doch schon erheblich erhöht, ganz ohne Erhöhung. Genauso bei der Mehrwertsteuer, je höher der Preis umso höher die realen Einnahmen.

    Jede Erhöhung in Bereichen der Steuern ziehen nicht unbedingt reale Einnahmen nach sich. Manch einer entscheidet sich dann auch anders.

  8. 8.

    ….Wohnraumförderung sinkt deutlich….

  9. 7.

    Mit fast 4000,00€/Monat ist der Durchschnittslohn in Berlin hoch genug für eine drastische Erhöhung des Anwohnerparkens.

  10. 6.

    Bei der Kultur, dem ÖPNV und im Bereich Soziales soll also von diesem asozialen Senat gespart werden! Eher widerlich!

  11. 4.

    Das ist moderne Verkehrspolitik à la SPD und CDU: Anwohnerparken nahezu kostenlos, Neubau von (Schnell-) Straßen und von U-Bahn-Strecken am Stadtrand.

    Hatte unsere famose Verkehrssenatorin nicht festgestellt, dass auf innerstädtischen U-Bahn-Strecken ein Fünfzehn-Minuten-Takt völlig ausreicht?

    Da lohnen sich die Investitionen, da schielen andere Metropolen neidvoll auf uns, und deshalb werden wir ja auch (ganz wichtiges Thema) die Olympischen Spiele bekommen.

  12. 3.

    Berlin kann nicht nur vin Touristen leben. Das wird irgendwann aber passieren, wenn man die normale Bevölkerung immer mehr belastet und ihnen dss Leben noch mehr erschwert, dann werden viele abwandern.
    Schon alleine die Tatsache, dass das Programm der Sprachkitas , das andere Bundesländer mit Priorität weiterfinanzieren, am Jahresende beendet wird, ist ein Zeichen dafür, dass auch die CDU , die vielfältigen Probleme der Stadt noch nicht zielführend verinnerlicht hat.

  13. 2.

    Der Anwohner- Parkausweis ist lächerlich billig. Und wurde seit ich denken kann nicht erhöht. Ich habe selbst einen und würde freiwillig gerne das Doppelte bezahlen.

    Außerdem könnten die Damen und Herren des Senats auch mal bei sich selbst gucken. Es soll doch keine Denkverbote geben. Würde man mit gutem Beispiel voran gehen, wäre das Ganze glaubwürdiger.

  14. 1.

    Das Anwohnerparken ist viel zu billig ,verglichen mit München oder Kopenhagen.

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