Drei-Milliarden-Defizit - Koalitionsausschuss will Sparpläne des Berliner Senats beschließen
Seit Monaten berät die Koalition in Berlin hinter verschlossenen Türen darüber, wie das Haushaltsloch im nächsten Jahr zu stopfen ist. Nun steht fest, dass kaum ein Bereich verschont bleibt. Letzte Streitpunkte soll der Koalitionsausschuss nun klären. Von Jan Menzel
- Berliner Senat muss im kommenden Jahr drei Milliarden Euro sparen
- Koalitionsausschuss berät am Montag, Ergebnis soll am Dienstag verkündet werden
- Erhebliche Einsparungen vor allem beim ÖPNV und der Kultur
- Kürzungen im Sozialen weniger erheblich als in anderen Bereichen
Für Illusionen ist ein Finanzsenator schon qua Amt nicht zuständig. Daran hat sich der Christdemokrat Stefan Evers auch gehalten und in den letzten Monaten keinerlei Hoffnung verbreitet, dass der Sparhammer die Stadt vielleicht mit weniger Wucht treffen könnte und sich das Haushaltsloch quasi auf wundersame Weise noch verflüchtigen würde.
"Natürlich wird es Träume geben, die am Horizont zerplatzen. Die muss es geben“, führte der Finanzsenator in der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses wortreich aus. Und um zu illustrieren, worum es geht, bemühte Evers auch das Bild eines Baumes, der nun zurückgeschnitten werde, um später wieder kraftvoll auszuschlagen.
"Drei Milliarden Euro atmet man nicht so einfach weg"
Dass Berlins Haushalt hoffnungslos überbucht und künstlich aufgebläht ist, dürfte ihm wie der gesamten Koalition durchaus länger bewusst gewesen sein. Schon als das Zahlenwerk vor anderthalb Jahren vom Senat beschlossen wurde, war klar, dass drei Milliarden Euro an Ausgaben nicht gedeckt sind und nachträglich herausgekürzt werden müssen.
"Das ist kein leichter Weg. Drei Milliarden Euro atmet man nicht so einfach weg“, erklärte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in der Sommerpause. Wegner war es auch, der einen ersten Testballon startete und eine Diskussion darüber auslöste, ob Berlin aus Spargründen auch auf Prestige-Projekte wie die Sanierung der Komischen Oper verzichten müsse.
Große Sorgen im Kultur- und Sozialbereich
Nach Informationen des rbb ist sich die Koalition einig, dass die Opernstiftung im nächsten Jahr 15 Millionen Euro weniger vom Land bekommen soll. Was die Sanierung der Komischen Oper betrifft, so sind zehn Millionen Euro, die für 2025 eingeplant waren, nun erst einmal gestrichen. Aber auch Theater, Museen, Projekte und damit auch die Freie Szene sollen zum Teil erhebliche Sparbeiträge leisten. Insgesamt muss der mit rund 1,1 Milliarden Euro relativ kleine Kulturetat mit voraussichtlichen Kürzungen von 11,6 Prozent besonders viel einsparen.
Mindestens genauso groß wie in der Kultur waren die Befürchtungen im Sozialbereich und hier besonders bei den freien Trägern, die um die Finanzierung von Beratungs- und Betreuungsangeboten bangen. "Dieser Haushalt schwebt wie ein Damoklesschwert über der Stadt. Wenn es der Koalition nicht gelingt, ihren eigenen aufgeblähten Haushalt in den Griff zu bekommen und sinnvoll zu sparen, dann weiß ich nicht, wo wir landen werden. Aber eines ist klar: Dann wird es zu Lasten der Schwächsten und der Armen in dieser Stadt gehen“, so die düstere Prognose von Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch.
Millionen-Streichungen beim Verkehr erwartet
Die Unsicherheit rührt auch daher, dass der Regierende Bürgermeister angekündigt hat, dass es beim Sparen keine "Denkverbote" geben werde. Der Koalitionspartner SPD in Person von Fraktionschef Raed Saleh wiederum hatte versprochen, einen "sozialen Kahlschlag" zu verhindern. "Deswegen werbe ich auch sehr dafür, dass wir nicht das Rasenmäher-Prinzip mit zehn Prozent pro Verwaltung machen, sondern dass wir tatsächlich gucken, wo können wir strukturell einsparen können", sagte Bausenator Christian Gaebler (SPD) kürzlich nach der Senatssitzung.
Dass Schwarz-Rot Schwerpunkte gesetzt hat, wird am Etat von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) besonders deutlich. Sie muss "nur" rund 75 Millionen zu den Einsparungen beisteuern. Das entspricht lediglich 3,8 Prozent ihres Budgets im kommenden Jahr. Entsprechend mehr müssen andere Senatsverwaltungen beitragen, um das Haushaltsloch zu stopfen.
Wie erwartet trifft es die großen Ausgabe-Blöcke des Landes im Bildungs- und vor allem den Verkehrsbereich besonders hart. Gerade die Ausgaben für Verkehrswende, Umwelt-, und Klimaschutz waren in den vergangenen Jahren unter grünen Senatorinnen stark angewachsen. Schwarz-Rot streicht hier jetzt hunderte Millionen Euro für Busse, Bahnen und Radwege zusammen.
Damit sind die ehrgeizigen Pläne der BVG, ihre Busse bis 2030 komplett zu elektrifizieren, fürs erste ausgebremst. Auch das 29-Euro-Ticket ist seit längerem als Kürzungskandidat im Gespräch. Zuletzt tauchte noch die Variante auf, dass es doch gerettet werden könnte, wenn der Preis auf 39 Euro steigt. Die größtmögliche Entlastung von 300 Millionen Euro brächte aber das vollständige Ticket-Aus.
Sozialticket wird wohl teurer, Wohnraumförderung sink deutlich
Klar ist dagegen, dass das bisher mit neun Euro sehr günstige Sozialticket teurer wird. 19 Euro wäre ein möglicher Kompromisspreis der Koalitionspartner, aber auch 29 Euro finden sich als Variante in den Kalkulationen von CDU und SPD. Beim kostenlosen Schülerticket soll es dagegen bleiben. Dieses Angebot war der SPD besonders wichtig.
Um etwa 150 Millionen absenken will die Koalition die Wohnraumförderung im Landeshaushalt. Als Kompensation sollen Bürgschaften und Darlehen gewährt werden. Hier dürfte die landeseigene Investitionsbank IBB ins Spiel kommen. Relevante Abstriche soll es bei der Wirtschaftsförderung und der Digitalisierung geben. So ist eine Halbierung der Mittel für die E-Akte um 20 Millionen Euro geplant.
Unstrittig war zwischen den Koalitionspartnern, dass Berlin neben den Kürzungen auch seine Einnahmen verbessern muss. Eine Anhebung der Vergnügungssteuer von 20 auf 25 Prozent könnte schätzungsweise neun Millionen Euro einbringen. Von einer Erhöhung der Zweitwohnsteuer erhoffen sich CDU und SPD zehn Millionen Euro zusätzlich.
Weitere Optionen sind eine höhere Übernachtungssteuer, die Anhebung der Grunderwerbsteuer oder höhere Parkgebühren, insbesondere für Anwohner-Vignetten. Die finale Entscheidung über beides - Steuererhöhungen als auch Kürzungen - soll der Koalitionsausschuss am Montag Abend treffen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.11.2024, 7:40 Uhr