Milliarden-Defizit im Landeshaushaushalt - Berliner Verwaltung lebt weiter auf großem Fuß und zu viel Platz

Mo 21.10.24 | 06:17 Uhr | Von Jan Menzel
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Symbolbild: Besucher der Senatsverwaltung fuer Stadtentwicklung informieren sich am Stadtmodell von Berlin. (Quelle: dpa/Muhs)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.10.2024 | Jan Menzel | Bild: dpa/Muhs

Berlin geht das Geld aus und deshalb sollen die Landesbediensteten enger zusammenrücken. Schon vor einem Jahr kündigte die schwarz-rote Koalition an, dass die Verwaltung ihre Flächen optimieren soll. Fortschritte sind seitdem kaum messbar. Von Jan Menzel

Wenn es so etwas wie ein Kraftzentrum in der Berliner Politik gibt, dann ist es der mächtige Hauptausschuss des Parlaments. Hier wird der Landeshaushalt in legendären Nachtsitzungen beschlossen, hier werden Ausgaben bewilligt oder abgelehnt und hier ist nun die Verärgerung groß, dass es kaum Fortschritte gibt, die Kosten für Ämter, Dienststellen und angemietete Immobilien des Landes spürbar zu reduzieren.

"Da haben einige wohl noch nicht den Ernst der Lage verstanden", zürnt der haushaltpolitische Sprecher der Grünen André Schulze mit Blick auf das, was Haupt- und Bezirksverwaltungen dem Parlament bisher an Flächenoptimierung vorgelegt haben. Es sei bestenfalls etwas angestoßen worden, findet CDU-Finanzexperte Christian Goiny und stellt klar: "Da muss noch mehr passieren!"

Berlins Verwaltung hat zu viel Platz

Linken-Haushaltspolitiker Sebastian Schlüsselburg kritisiert, dass der Senat nur im Schneckentempo damit vorankomme, sich von angemieteten, oft teuren Standorten zu trennen. "Ich hoffe, dass da ein bisschen mehr Druck in den Kessel kommt." Den wünscht sich auch SPD-Chef-Haushälter Torsten Schneider. Bei den angemieteten Büroflächen des Landes rede man immerhin über ein Volumen von 600 Millionen Euro im Jahr, sagt er.

Dass sich die Koalition und die oppositionellen Grünen und Linken im Grundsatz darin einig sind, dass die Verwaltung flächenmäßig auf zu großem Fuß lebt, liegt auch an der Macht der nackten Zahlen. In einem vertraulichen Bericht der Finanzverwaltung an das Parlament ist aufgelistet, wie viel Platz alle Bürgerämter, Jugendämter, Senatsverwaltungen, aber auch Polizeiwachen und Gerichte in Berlin beanspruchen. Mit 1,7 Millionen Quadratmetern ist die Fläche etwa 42 mal so groß wie die vom Hauptterminal des Flughafens BER.

Doch nicht nur die schiere Masse der Gebäude hat den Spareifer der Haushaltspolitiker geweckt. Es ist vielmehr der üppige Platzverbrauch pro Beschäftigtem, den sie nicht mehr für vertretbar halten. Maßgeblich sind hier die Vorgaben der Raumnutzungsvorschrift AllARaum, die eine Fläche von 15,4 Quadratmetern pro Arbeitsplatz festgelegt. In Berlin lag dieser Wert im Jahr 2023 mit durchschnittlich 21 Quadratmetern pro Arbeitsplatz deutlich darüber.

Nur Feuerwehr im Limit

Fast alle Bereiche - außer der Feuerwehr - überschreiten die AllARaum-Vorgabe zum Teil erheblich. Besonders stechen die Strafverfolgungsbehörden mit 33,2 Quadratmetern pro Arbeitsplatz hervor. Aber auch die Beschäftigten in den Senats- und Bezirksverwaltungen haben deutlich mehr Platz als erforderlich.

Die Senatsverwaltung für Finanzen weist in dem vertraulichen Dokument darauf hin, dass etwa für Ämter mit Publikumsverkehr mehr Raum benötigt werde. In älteren Gebäuden stünden zudem oft der Denkmalschutz und die historischen Grundrisse einer Flächenoptimierung entgegen. Doch das will das Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) nicht als Freibrief verstanden wissen.

"Grundsätzlich finden keine Neuanmietungen oder Anmietungsverlängerungen von Flächen und Gebäuden für Verwaltungszwecke statt", stellte die Finanzverwaltung bereits im April in einem verwaltungsinternen Rundschreiben klar. Alle Verwaltungen wurden gleichzeitig aufgefordert, Konzepte zur Flächenreduzierung vorzulegen.

Bezirke arbeiten oft nur gemächlich an Konzepten

Eine Abfrage des rbb in allen zwölf Berliner Bezirken zeigt, dass dieser Prozess bestenfalls am Anfang ist und dass die Sparaufgabe in den Bezirken unterschiedlich intensiv angegangen wird. Während Mitte gar nicht auf die Fragen antwortet, hat Neukölln nach eigenen Angaben noch kein Konzept. Charlottenburg-Wilmersdorf rechnet vage mit einer weiteren Verdichtung der Verwaltung. Friedrichshain-Kreuzberg kündigt seinen Plan zur Flächenreduzierung für Anfang 2025 an.

In Steglitz-Zehlendorf warnt Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (B'90/Die Grünen) davor, "einfach am grünen Tisch" zu entscheiden. "Für größere Baumaßnahmen zur Flächenoptimierung fehlen finanzielle Mittel", gibt sie zu bedenken. Eine Prognose, um wieviel die Bürofläche in ihrem Bezirk schrumpfen könnte, will Schellenberg nicht wagen.

Eine "verlässliche Antwort" sei nicht möglich, heißt es auch aus Pankow, während das Bezirksamt Reinickendorf ausweichend von einem "kontinuierlichen Prozess" spricht und mitteilt, dass Home Office und flexibel genutzte Schreibtische noch keine Auswirkungen auf die Büroflächen des Bezirks hätten. Treptow-Köpenicks Bürgermeister Oliver Igel (SPD) sieht die Konzentrationsmöglichkeiten in seinem Bezirk als "vollständig ausgeschöpft" an. Voraussetzung für weitere Fortschritte sei, dass der Senat endlich die E-Akte flächendeckend einführt, so Igel.

Lichtenberg braucht sogar mehr Platz

In Tempelhof-Schöneberg wiederum seien es die historischen Rathaus-Gebäude, die sich negativ auf die Flächenbilanz auswirkten, so das Bezirksamt. Dennoch gehe man davon aus, dass mit dem Projekt "Moderne Arbeitswelten im Bezirksamt (MAWiB)" rund 15 Prozent des Raumbedarfs wegfallen könnten. 15 Prozent weniger Bürofläche hält Marzahn-Hellersdorfs Immobilien-Stadtrat Stefan Bley (CDU) in seinem Bezirk ebenfalls für denkbar. Zunächst müssten aber neue Flächen angemietet werden, weil das Rathaus Marzahn ab 2025 saniert werde und die Mitarbeiter eine Übergangsbleibe bräuchten.

In Lichtenberg schätzt das Bezirksamt dagegen, dass ab 2026 ein zusätzlicher Büroraumbedarf von etwa 1.200 Quadratmeter anfällt. Das liege daran, dass der Bezirk Aufgaben im Bereich des Bezirkswahlamtes, der Ordnungs- und Gesundheitsbehörden sowie des Jugendamtes übernehme.

Aber selbst wenn Bezirke wie Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln in Aussicht stellen, dass auf einzelne angemietete Immobilien künftig verzichtet werden kann, dürften die finanziellen Effekte überschaubar bleiben. Diesen Schluss legt zumindest das erst Anfang Oktober vorgelegte Flächenoptimierungskonzept aus Spandau nahe.

Einsparpotenziale bislang nur gering

Der Bezirk erklärt sich darin bereit, künftig auf drei bisher angemietete Gebäude zu verzichten. Die Beschäftigten sollen dafür im Bezirksrathaus enger zusammenrücken. Bis es so weit ist, muss aber zunächst noch das Rathausdach saniert werden. Das wird sich mindestens bis 2030 hinziehen. Das jährliche Einsparpotential gibt der Bezirk mit gerade mal 1,42 Millionen Euro pro Jahr an.

Aber nicht nur die Bezirke, auch die Senatsverwaltungen tun sich mit Raumkonzepten, die sich sehr schnell positiv auf den Haushalt auswirken, schwer. So konzentriert etwa die Stadtentwicklungsverwaltung ihre Beschäftigten im gerade von Grund auf sanierten Hochhaus an der Württembergischen Straße. Andere Standorte mit einer Mietfläche von 10.000 Quadratmetern sollen sukzessive aufgegeben werden.

Nach wie vor gebraucht wird aber ein Teil des Gebäudekomplexes am Fehrbelliner Platz. Dieser soll laut einem vertraulichen Bericht für zehn Jahre angemietet werden. Dafür werden inklusive Nebenkosten rund 20,17 Millionen Euro veranschlagt. Wie aus dem Bericht ebenfalls hervorgeht, wird auch die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz noch bis voraussichtlich 2030 mit ihrer Außenstelle in einem angemieteten Bürogebäude an der Jannowitzbrücke bleiben.

Grüne: Kurswechsel nicht erkennbar

Linken-Haushaltspolitiker Sebastian Schlüsselburg mahnt angesichts der insgesamt überschaubaren Optimierungserfolge ein umfassendes "New-Work-Konzept" an. Dieses müsse der veränderten Arbeitswelt mit mehr Home-Office und Desk-Sharing Rechnung tragen. Auch der CDU-Abgeordnete Christian Goiny glaubt, dass ein Kulturwandel der Schlüssel sein könnte. "Wir sehen in anderen Ländern in Südeuropa und in den baltischen Staaten ganz viel Modernisierung der Verwaltung und Digitalisierung, obwohl die ganz wenig Geld haben."

Ein "echter Kurswechsel" sei ein Jahr nach der Ankündigung von CDU und SPD jedenfalls nicht erkennbar, bilanziert der grüne Abgeordneten André Schulze. Zugleich warnt er vor überzogenen Erwartungen, was mögliche Einspareffekte betrifft. "Hunderte Millionen Euro halte ich für illusorisch. Diese Zahlen hatte die Koalition ja zwischenzeitlich gespielt." Realistischer sei seiner Einschätzung nach ein zweistelliger Millionenbetrag im Jahr.

SPD-Haushaltspolitiker Torsten Schneider macht derweil deutlich, dass er es mit den Sparvorgaben ernst meint und auch bereit ist, im Abgeordnetenhaus die Daumenschrauben anzuziehen. "Wir könnten auch von Gesetzes wegen vorschreiben, wie viel Quadratmeter ein Verwaltungsmitarbeiter verzehren darf."

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.10.24, 9:05 Uhr

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49 Kommentare

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  1. 49.

    Wie bestellt so geliefert. Wer wirklich geglaubt hat, die CDU bemühe sich um irgendetwas, außer sich selbst, scheint die letzten Jahrzehnte geschlafen zu haben.

  2. 48.

    "...Desksharing beim Umgang mit personenbezogenen Daten ist eher schwierig... " Warum? Wenn Sie ausschliesslich digital arbeiten, kein Problem. Es bedarf für den Zugriff auf die Daten natürlich eines klar strukturierten Berechtigungskonzeptes. Funktioniert bei uns seit mehreren Jahren recht gut.

    Gruß
    Navan

  3. 47.

    Zitat: "das nicht als Asylheim um und die können doch Homeoffice machen... Weisse raus Bunte rein , wer nicht will muss Rechter sein !"

    Haben Sie Montag nachmittags um dreiviertel vier schon zu viel Deutsches Bier + Korn konsumiert oder wie das bei Ihnen auch im nüchternen Zustand normal?

  4. 44.

    Nur zum Vergleich. Die Tiny Houses in Rathenow kommen auf 17 qm Wohnfläche. Der Berliner Verwaltungsbeamte kommt auf durchschnittlich 21 qm Bürofläche und verteidigt diese hartnäckig gegen die gewählte Legislative, das Parlament. Also ich nenne sowas unverschämt.

    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/av7/video-brandenburg-wohnen-tiny-house-modern-minimalistisch.html

  5. 43.

    Der Artikel irrt. Das Kraftzentrum der Berliner Politik ist nicht der Hauptausschuss des Parlaments, es ist die Verwaltung selbst. Egal was gefordert wird, es ist ihnen egal. Die Riesenbüros mit Gummibaum, wie Reinhard Mey sie schon beschrieb, sind die traurige Wirklichkeit Berlins. Sie sind Staatsdiener und benehmen sich als gehörte der Staat ihnen. Der untergebene Steuerzahler zahlts.

  6. 42.

    @ Neumann, sie sind doch ein Träumer! Das Klimageld können wir uns abschminken. Verbreiten sie keine Unwahrheiten!

  7. 41.

    Personal in Verwaltungsbereich vielleicht nicht so dramatisch zu wenig. Sauber, trocken, Büro, immer schick. Arbeiten im Handwerk, Gesundheitswesen und vielen technisch produktiven Berufen... seh ich schwarz. Nur Anmerkung, etwas abseits vom großen Artikel Thema.

  8. 40.

    Ey, das klingt ja wie bei dem Tierwohllabel. Von wegen, Haltungsform B hat 10% mehr Fläche als Haltungsform A und so... LOL. Hab ehrlicherweise nur den Artikel überflogen, aber hoffe, dass Flure und so weiter aus der Rechnung rausgenommen wurden. Denn Rathäuser und so sind ja recht "weitläufig" gestaltet, die Zimmer selber aber nicht immer "Paläste." Auch bei Bürgerämtern und so find ich das nicht unbedingt, da sitzen die MA jeweils sicher NICHT auf 33m² mutterseelenallein...

  9. 38.

    Oh yah... Das ist ein Feldzug gegen diese schöne Architektur. Nur ein paar hanseln haben sich mit Geld durchgesetzt. ich hau ab in die Schweiz.

  10. 37.

    das nicht als Asylheim um und die können doch Homeoffice machen...
    Weisse raus Bunte rein , wer nicht will muss Rechter sein !

  11. 36.

    Der Abriss des Stadions ist eine echte Verschwendung von Steuergeld; denn für den geplanten Neubau gibt es in den nächsten Jahren mit Sicherheit kein Geld. Da wäre es billiger, die Beseitigung der Anlage der Natur durch Verfall zu überlassen. Das hätte dann auch besser zur DDR-Geschichte gepasst.

  12. 35.

    Man könnte schon einiges an Fläche sparen, wenn man in den Bezirken die BVV und die Stadträte abschafft. Ein direkt gewählter Bezirksbürgermeister als Ombudsman wäre für die demokratische Kontrolle völlig ausreichend. Bei dann einheitlicher Verwaltung könnte es sogar mit der Digitalisierung klappen, wodurch der Platzbedarf für die bisherigen Akten geringer werden sollte. Die heute 30-jährigen werden es vielleicht noch erleben.

  13. 34.

    Aber A100 muss dringend ausgebaut werden... Sonst können wir alle nicht zur Hölle fahren...

  14. 33.

    "Wenn es darum geht DDR-Bauten zu zerstören (Jahn-Stadion, SEZ) dann muss ja ganz schnell Geld vorhanden sein."

    Es war ein Investor aus Leipzig, der sich nicht an Vereinbarungen gehalten hat, ihre Verschwörungstheorien laufen also ins Leere.

    "Nächte Wahl wähle ich keine Altparteien mehr " Als wenn sie jemals "Altparteien" gewählt hätten, ihre Wortwahl verrät sie nämlich.

  15. 32.

    Die Nutzungsfläche ist nicht nur die Fläche des jeweiligen Büroarbeitsplatzes sondern auch abteilig Schulungs, Lager- und Besprechungsräume. So relativiert sich der Wert von 15,4 qm ziemlich schnell.

  16. 31.

    Ich arbeite im ÖD in einem denkmalgeschützten Gebäude, schon kleinste bauliche - aber wichtige - Veränderungen scheitern oft am Denkmalschutz. Die größen Altbauräume wohlmöglich verkleinern oder welche zusammenlegen und ein Großraumbüro daraus machen ist utopisch! In anderen Räumen sitzen Kollegen so eng aufeinander, dass jeder Arbeitschutzbeauftragte die Hände über dem Kopf zusammen schlägt. HomeOffice ist hier leider nur bei sehr wenigen Kollegen in begrenztem Maß möglich.....das ist also auch keine Alternative.
    Wo sollen die Mitarbeiter*innen denn hin?! Und nein, wir sind nicht überbelegt, sondern haben zu wenig Personal.

  17. 30.

    Welcher Personalüberhang denn?! Überall im öD fehlt der Nachwuchs und der Mangel an Personal wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen!