Wegners Sommerpressekonferenz - Erst Ampel-Schelte, dann Spardiktat
Mit einer Sommerpressekonferenz will Kai Wegner für die Leistung seiner Berliner Regierungskoalition werben. Dabei deutet er den nächsten großen Haushaltsstreit an, bleibt bei Kernfragen vage und kassiert ein Wahlkampfversprechen. Von Sebastian Schöbel
Dass die Sommerferien politisch eine "Saure-Gurken-Zeit" sind, weil sich Parlament und Regierung in der Pause befinden, ist längst als medialer Mythos entlarvt. Trotzdem bieten sich die wärmsten Tage des Jahres durchaus an, um als Politiker die Bühne einmal für sich allein zu haben: Die Terminkalender sind relativ leer und der ein oder andere politische Gegner ist nach Diktat verreist.
So verwundert es also nicht, dass Kai Wegner am Mittwoch recht zufrieden zu seiner ersten Sommer-Pressekonferenz kam. "Ich finde das ganz spannend", lobte Berlins Regierender Bürgermeister das Format, "könnten wir zur guten Tradition werden lassen".
Im Bund ist sie das allerdings schon, einen Markenrechtsstreit muss Wegner aber nicht fürchten. Auch wenn er gleich mal Richtung Ampel-Kanzler Olaf Scholz (SPD) austeilt. Der hätte vorher wissen können, dass Regieren mühsam sei. "Aber das Mühsame ist, wenn man tagtäglich streitet und keine Lösungskonzepte anbietet und demzufolge das Vertrauen der Menschen mehr und mehr verspielt", so Wegner.
Angesichts drohender Wahlsiege der in Teilen rechtsextremen AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sei das besonders bedenklich: "Wir müssen die Menschen überzeugen von der demokratischen Mitte", so der CDU-Politiker. "Das schafft man am besten über gute Politik."
Kritik an Union
Seine eigene Partei nimmt Wegner allerdings auch nicht aus von der Kritik. Die Union müsse sich fragen lassen, "warum sie trotz einer so unbeliebten Bundesregierung weiterhin in den Umfragen stagniert". Dass er damit auch CDU-Chef Friedrich Merz meint, musste Wegner gar nicht explizit erwähnen.
Die beiden Parteikollegen trennt vor allem die Schuldenbremse: Merz will sie beibehalten, Wegner hingegen stört sie kolossal, vor allem bei der finanziellen Belastung durch die große Zahl an Geflüchteten. Zusätzliche Mittel durch Notlagenkredite zu erhalten, wie es SPD-Fraktionschef Raed Saleh jüngst bereits vorgeschlagen hat, bezeichnet Wegner nun als "spannende Diskussion": Die Schuldenbremse könnte dadurch umgangen werden und Berlin die hohen Ausgaben leichter stemmen.
Begründbar sei eine Notlage durch die hohe Zahl an Geflüchteten allemal, so Wegner. "Aber das hat dann auch Folgen, die damit einhergehen." Welche, sagt er nicht. Koalitionsintern hört man: Einen Winterabschiebestopp und Sonderaufnahmeprogramme könne es dann nicht mehr geben – was in Teilen der SPD auf Kritik stoßen dürfte.
Gespart wird im Sozialbereich
Allerdings nicht bei SPD-Innensenatorin Iris Spranger. Die kann sich als heimliche Gewinnerin dieser Sommerpressekonferenz feiern. Denn Wegner machte klar: Wenn im kommenden Haushaltsjahr drei Milliarden Euro gestrichen werden müssen, ist Sprangers Bereich wohl deutlich weniger betroffen als bei der jüngsten Sparrunde. Denn pauschale Sparvorgaben für alle Verwaltungen soll es nicht mehr geben.
"Wir dürfen nicht mit der Gießkanne in alle Ressorts gehen", so Wegner, wobei er vermutlich eher den Rasenmäher im Sinn hatte. "Wir müssen im Bereich der inneren Sicherheit eine klare Priorität setzen." Denn die Sicherheitslage sei weiter angespannt, auch wegen der steigenden Zahl von Messerangriffen.
Stattdessen will Wegner anderswo den Rotstift ansetzen, etwa bei den Gebäudestandards im Schulneubau und vor allem bei den sozialen Trägern und ihren rund 3.000 Angeboten. Man müsse prüfen, ob die alle "wirklich wichtig und sinnvoll" seien. Das dürfte Wegner einmal mehr mit SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe in Konflikt bringen, die schon bei der Bezahlkarte für Geflüchtete heftigen Widerstand leistet. Grünen-Chefin Bettina Jarasch spricht bereits von "Sozialabbau durch die Hintertür". Und Linken-Fraktionschef Tobias Schulze warnt, dass etliche Träger ob der fehlenden Planungssicherheit nun in arge Probleme kommen könnten.
Der Sozialbereich wird, das wird in Wegners Vorträgen deutlich, mehr und mehr zur Sollbruchstelle dieser Koalition – über Geflüchtetenunterkünfte und soziale Träger hinaus. Etwa wenn es um die Streichung von kostenlosem Schulessen und beitragsfreier Kitabetreuung für Kinder einkommensstarker Eltern geht: Eine Vorlage der neuen SPD-Führung, die Wegner dankbar aufnimmt und dem Koalitionspartner direkt zurückspielt: Starke Schultern könnten mehr tragen als schwache, so Wegner im sozialdemokratischen Duktus. Die SPD-Fraktion habe da zwar bislang eine andere Auffassung als der SPD-Landesvorstand. "Es darf aber keine Denkverbote geben."
"Keine Denkverbote"
Diesen Satz lässt Wegner auffallend häufig in dieser Pressekonferenz fallen – vor allem dort, wo er konkrete Aussagen vermissen lässt. "Ein Kurzausflug ins Ungefähre", spöttelt AfD-Chefin Kristin Brinker. Etwa zur Zukunft der Komischen Oper, deren Aus weiterhin im Gespräch bleibt, ohne klare Positionierung Wegners. Oder wie er bei den Verkehrsträgern sparen will, ohne auf U-Bahn-Verlängerungen und anderen ÖPNV-Ausbau verzichten zu müssen. "Das werden wir uns genau anschauen", verspricht der Regierende vage.
Bei seinem eigenen Kernthema, der Verwaltungsmodernisierung, will er zumindest kleine Fortschritte verkünden. Die versprochenen 100 zusätzlichen Mitarbeiter:innen seien inzwischen eingearbeitet und einsatzbereit, das neue Bürgeramt in Wegners Heimatbezirk Spandau eröffne demnächst, und noch in diesem Jahr soll auch die An- und Ummeldung des Wohnsitzes vollständig digital sein. Das entlaste die Ämter um eine halbe Million Termine im Jahr, so Wegner.
Abrücken vom 14-Tage-Ziel in den Bürgerämtern
Also gibt es ihn bald, den versprochenen Bürgeramtstermin innerhalb von 14 Tagen? Ganz zum Ende der Pressekonferenz, auf Nachfrage des rbb, muss Wegner dann doch eingestehen: Eher nicht. "Ich glaube, dass für viele Berlinerinnen und Berliner dieses 14-Tage-Ziel ehrlicherweise gar nicht so wichtig ist", versucht der Regierende zu relativieren, die Menschen bräuchten eher "schnell einen Termin, wenn es notwendig ist".
Den könnte man dann eventuell bald bei Wegners Experiment mit terminfreien Bürgeramtstagen erhaschen, wo jeder ohne Termin kommen und sich anstellen kann. Wie das die Berlinerinnen und Berliner finden, wird man in den Wartesälen erleben können. Denkverbote sind dort jedenfalls auch keine zu erwarten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 21.08.2024, 19:30 Uhr