Zittern nach Ampel-Aus - Ohne Bundeshaushalt fehlt Berlin viel Geld

Sa 09.11.24 | 08:07 Uhr | Von Ute Schuhmacher
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Archivbild: Finanzsenator Stefan Evers auf einer Pressekonferenz nach einer Sitzung des Berliner Senats. (Quelle: imago-images/Maurizio Gambarini)
Video: rbb24 Abendschau | 08.11.2024 | Anja Meyer | Bild: imago-images/Maurizio Gambarini

Seit dem Aus für die Ampel offenbaren sich Stück für Stück die Folgen, zum Beispiel die finanziellen: Wenn der Bund keinen Haushalt mehr für das nächste Jahr beschließt, hat das heftige Auswirkungen auch für Berlin. Von Ute Schuhmacher

Jeanne Grabner wirkt frustriert. Wenn nach dem Aus der Ampel-Koalition der Bundeshaushalt fürs nächste Jahr nicht beschlossen und auch im Land Berlin heftig gekürzt wird, muss sie rund zwei Drittel ihrer Kolleginnen und Kollegen entlassen. "Wir sind insgesamt 165 Mitarbeitende und wir rechnen damit, dass 40 bis 50 Mitarbeitende bleiben können", sagt sie.

Grabner ist Geschäftsführerin der Schildkröten GmbH. Das Unternehmen bietet unter anderem Projekte für Langzeitarbeitslose an, die damit in die Lage versetzt werden, wieder arbeiten zu gehen. Oder auch solche für Jugendliche, die fit für eine Ausbildung gemacht werden sollen. Wenn das Geld vom Land Berlin und vom Bund im kommenden Jahr ausfällt, hat sie zu wenig, um ihren bisherigen Mitarbeiterstamm zu halten.

Bund bezahlt nur, wofür schon Verträge bestehen

Weil vom Land Berlin Projektmittel fürs nächste Jahr noch den November über gesperrt sind, entlässt sie zum 1. Dezember schon 50 Mitarbeitende. Und ob der Bundeshaushalt fürs nächste Jahr in diesem Jahr noch beschlossen wird, ist offen. Sie hänge da völlig in der Luft, sagt Grabner. "Ich habe natürlich sofort angerufen und gefragt: Was wird? Keiner weiß was."

Gar nicht so viel anders geht es Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) - zumindest was das Geld vom Bund angeht. Auch er ist seit dem Ampel-Aus dabei zu ermitteln, was es für das Land Berlin bedeutet, wenn der Bundeshaushalt in diesem Jahr nicht mehr beschlossen wird. Klar ist, dass Deutschland in die vorläufige Haushaltswirtschaft rutschen würde und damit vom Bund nur das bezahlt wird, wofür schon Verträge bestehen. Aber welche Berliner Projekte konkret und in welchem Ausmaß betroffen sein würden, weiß Evers noch nicht, sagt er. "Sehen Sie mir nach, wenn ich noch ein paar Stunden oder Tage brauche, bis wir das mit Sicherheit sagen können", bittet der Finanzsenator.

"Wie ich ein halbes Jahr überlebe, interessiert nicht"

Der Verein "Gesicht zeigen", der sich bundesweit seit Jahren gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzt, hängt auch an Geld vom Bund. Und wenn der in diesem Jahr keinen Haushalt mehr für 2025 beschließt, wird dem Verein wohl monatelang Geld fehlen, befürchtet die Geschäftsführerin des Vereins, Sophia Oppermann, wie sie sagt.

Konkret gibt es für vier Mitarbeitende bislang kein Geld im nächsten Jahr, sieben weitere Kolleginnen und Kollegen würden Arbeitsstunden verlieren. Sie arbeiten für ein großes Präventionsprojekt gegen Rechtsextremismus. Das gibt es schon seit fünf Jahren. "Wie ich das halbe Jahr überlebe oder Miete zahlen, wie ich Verwaltungsaufgaben zahlen soll, darüber wird nicht nachgedacht, das interessiert nicht. Für uns ist das existenzgefährdend", sagt Sophia Oppermann.

Jahresstart ohne Bundeshaushalt ist Horrorvorstellung

In Berlin werden über Bundesprogramme quer durch alle Bereiche Projekte finanziert, oft in Kofinanzierung also mit Geld vom Land Berlin. Da sind Projekte aus Wissenschaft und Forschung genauso dabei wie für Wirtschaftsförderung, die Kultur und Soziales. Aber es geht auch nicht nur um Projekte: Auch beispielsweise das Deutschlandticket ist nicht sicher, weil es vom Bund und den Ländern bezahlt wird.

Der Haushaltsexperte der Grünen im Bundestag Andreas Audretsch will das 49-Euro-Ticket erhalten, wie er erklärt. Er halte es für wichtig. Die Frage sei nur, "inwieweit wir es jetzt mit allen Parteien hier im Bundestag hinkriegen das auch zu garantieren". Das ist genauso unsicher, wie die Digitalisierung der Berliner Schulen. Ohne Bundeshaushalt 2025 stehe eine wichtige Säule der Digitalisierung unserer Schulen in Frage, sagt Stefan Evers. Auch deshalb dürfte ein Jahresstart ohne Bundeshaushalt eine Horrorvorstellung für den Finanzsenator sein.

Berliner Haushaltsprobleme sollten eigentlich schon gelöst sein

In dem Punkt zeigt er sich einig mit der Geschäftsführerin der Schildkröten GmbH. Für sie kommt die Belastung dazu, dass noch unklar ist, was von ihren Projekten das Land Berlin nächstes Jahr noch bezahlen will. Bis Ende November soll das geklärt sein, versichert der Finanzsenator. Das beruhigt Jeanne Grabner nicht, sagt sie. Ihre 50 Kolleginnen und Kollegen muss sie vorher kündigen. Und einige andere Mitarbeitende guckten sich bereits nach neuer Arbeit um.

"Ich flehe meine Mitarbeitenden an, hier Ruhe zu bewahren, aber ich weiß auch, dass es hier einfach um Zukunftsperspektiven geht und dass ich damit nicht spielen darf", sagt Grabner. Deshalb zeigt sie wenig Verständnis dafür, dass die schwarz-rote Koalition die Haushaltsprobleme Berlins für die kommenden beiden Jahre nicht bereits gelöst hat. Versprochen war mal, das bis zum Sommer erledigt zu haben.

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.11.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Ute Schuhmacher

57 Kommentare

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  1. 57.

    2002 betrug die monatliche Diät eines/-r BT-Abgeordneten 6.878 Euro, 2024 betrug sie 11.227 Euro ( zu berücksichtigen ist, dass BT-Abgeordnete von dieser Summe die eigene Sozialversicherung bestreiten müssen, also auch den Arbeitgeberanteil). Das ist eine Steigerung von 63,23 Prozent. 2002 betrug das mtl. Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer-innen plus Sozialausgaben, die der Arbeitgeber trägt (sog. Arbeitnehmerentgelte) 2.683 Euro; 2023 betrug es lt. Statistischem Bundesamt 4.293 Euro. Das ist eine Steigerung von 60 Prozent. Der prozentuale Unterschied der Steigerung ist also überschaubar (wobei die absolute Summe natürlich beachtlich ist). Es ist also nicht so, dass sich die Bezüge der Abgeordneten vollkommen losgelöst von den allgemeinen Steigerungen entwickelt hätten. Die Aufwanspauschale daneben betrifft Ausgaben, die konkret entstehen bzw. nachgewiesen werden müssen. Da stopft sich also niemand die Taschen voll, also jedenfalls nicht über die staatlichen Bezüge.

  2. 56.

    Der Bundestag soll das Deutsche Volk repräsentieren und keine Standesversammlung der gesellschaftlichen Elite sein.

  3. 55.

    Und weshalb dann ihr Sozialneid auf die Bürgergeldempfänger?

  4. 54.

    Es gibt auch Philanthropen, die spenden an "Brand New Bundestag"

    Diese speziell in vielen Bereichen unterstützten Kandidaten und Kandidatinnen landen dann häufig auf den vorderen Listenplätzen.
    Davon provitieren hauptsächlich die Grünen und die SPD.

    Für die Bundestagswahl 2025 werden 4 Kandidierende der SPD und 8 der Grünen gesponsert und gefördert.

    Von den Grünen sind dies: Andie Wörle--Dr. Alaa Alhamui--Sarah Heim--Mawish Iffikhar--Anna di Bari--Hannah Rosenbaum--Anas al Quaraán--Cim Kartal

    Von der SPD sind dies: David Mandrella--Seija Knorr Konig--Sahar Alias--(Namen ohne Gewähr)

    Mal sehen, wer davon in den Bundestag gewählt wird.

  5. 53.

    "Philantrop" Antonius Schwarz hatten den Grünen 2021 500.000 Euro gespendet.
    Er hatte auch "Brand New Bundestag"--die Kaderschmiede für Bundestagskandidaten finanziell unterstützt.
    Dann braucht man sich nicht wundern, wenn diese auch medial gehypten Kandidaten auf die vorderen Listenplätze unserer Parteien gesetzt--und dann auch gewählt werden.

    Und dann wundern sich alle, warum plötzlich so viele junge, unerfahrene Abgeordnete ohne Berufsabschluss im Bundestag sitzen. Andere, evt. fähigere, werden dann vielleicht die Lust verlieren, sich aufstellen zu lassen.

    Je länger es mit den Neuwahlen dauert, desto länger haben unsere Abgeordneten-Trainer Zeit, "wichtige" Persönlichkeiten zu fördern.

    Mal gespannt, wieviele Kandidaten es dieses Mal in den Bundestag schaffen.

    Das viele Geld könnten sie auch an gemeinnützige Organisationen spenden....sie jammern ja immer über ihren "geschenkten Reichtum"

  6. 52.

    Das ist nicht nur ein Berliner Problem,sondern ein gesamt deutsches Problem.
    Was Berlin angeht 29,-€ Ticket streichen,Deutschlandticket reicht aus, gewisse Kulturprojekte streichen.
    Was Deutschland angeht, Einzelpersonen mit einem Jahreseinkommen ab 250.000,-€ mit 70% Steuern belasten,Ehepaare mit einem Jahreseinkommen ab 500.000 ,-€ ebenfalls mit 70% besteuern.
    Bürgergeld nur für unverschuldet in Not geratene zahlen.
    Die einzigen,die hier un Deutschland die Last tragen ist die sogenannte Mittelschicht.

  7. 51.

    Mir kommen die Tränen.
    Hoffentlich ist genügend Kohle da , um die Träume von Park Mauern und Zäunen zu ermöglichen.

  8. 50.

    Per Definition plündert der Plünderer, für plündern gibt es klare juristische Klasifizierung..
    Ergo, In unseren System werden Plünderer strafrechtlich verfolgt, also ich bitte diese Akteure endlich bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen.
    .

  9. 49.

    Für diejenigen, die vorher keine abgeschlossene Ausbildung hatten = ein "Segen", für die anderen ein Zugewinn.
    Die Zahlungen sollten dringend überdacht werden...

  10. 48.

    Habe ich auch gelesen und war erstaunt über unsere Politiker die selbt keine Opfer bringen wollen zwecks Einsparungen oder vielmehr sich noch mehr die Taschen vollhauen.

  11. 47.

    Verdoppelung in 23 Jahren sind 3% mehr pro Jahr, das ist jetzt nicht die Welt.

  12. 46.

    Gut so, dann können die sich mal angewöhnen das Geld aus dem Fenster zu schmeißen. Keinen Cent müssten die bekommen.

  13. 45.

    Der Vergleich hinkt total. Bauern ohne Subventionen sind auch nicht überlebensfähig. Und weitere Beispiele sind ohne Probleme zu finden. Auch die öffentliche Hand schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten. Das ist auch gut so!
    Wer denkt das mit einer Vertrauensfrage und Neuwahl alle Probleme gelöst werden der täuscht sich gewaltig. Die Welt und die Gesellschaft bleibt nicht stehen nur weil wir uns neu aufstellen.

  14. 44.

    Wer sich von Projekt zu Projekt hangelt, ist selber schuld. Jede/r weiß, dass ein Projekt ein zielgerichtetes, zeitlich befristetes und einmaliges Vorhaben ist. Darauf muss man sich einstellen. Auch darauf, dass es keinen neuen Vertrag gibt. Die Gründe sind da eher nebensächlich.

  15. 43.

    "Außerdem spenden viele im Verborgenen für gemeinnützige Zwecke...."

    Sicher gibt es da auch vereinzelte Philanthropen. Aber es gibt leider auch die, die an Parteien spenden. Und das hat dann weniger mit Philanthropie zu tun, sondern mit eigenen, rein egoistischen Interessen.

    "selbst für einen Liegeplatz für eine Jacht müsste man Geld zahlen--das versteuert wird."

    Dazu fällt mir ein gezeichneter Witz ein, wo ein Mann in der Hängematte auf dem Balkon des ersten Stockes liegt; unten auf dem Bürgersteig ein mit Strippe heruntergelassenes Bettel-Körbchen, mit einem Zettel "habe teure Hobbies, geben Sie reichlich".

  16. 42.

    Einfach mal über die Ursachen der Wohnraumknappheit nachdenken. Diese liegen schon ein bisschen länger zurück und es wird immer noch nicht benannt was diese sind.

  17. 41.

    Na ja, ich habe das nur zur Sprache gebracht weil schon öfters Kommentiert wurde, das die Politik mit gutem Beispiel vorangehen sollte und nicht nur der kleine Mann geschöpft werden soll. Ansonsten gönne ich natürlich jedem sein ihm zustehendes Mehr.

  18. 40.

    Reiche zahlen doch auch schon genug.

    Lohnsteuer--Grundsteuer--selbst für einen Liegeplatz für eine Jacht müsste man Geld zahlen--das versteuert wird.
    KFZ-Steuer--und selbst wenn man Millionen auf dem Konto hätte müsste man außerhalb des Freibetrags für die Erträge Steuern zahlen.

    Warum hat man bei Cannabis nicht zugeschlagen? Man hätte eine Cannabis-Wirtschaft erlauben sollen--dann wäre jedes Gramm versteuert worden. Milliarden Euro hätte das einbringen können.So baut sich jeder selbst an--niemand kann das kontrollieren--Steuereinnahmen-null.

    Und wenn die Innenstädte Autofrei werden sollen--würden sämtliche Parkgebühren und Strafzettel fürs Falschparken wegfallen.

    Wenn Reiche ihren Kindern Geld geben--muss der Staat für diese nicht auch noch Bafög--Bürgergeld oder Wohngeld zahlen. Selbst auf Mietwohnungen wären diese "Kinder" dann nicht angewiesen--sollte Eigentum vorhanden sein.

    Außerdem spenden viele im Verborgenen für gemeinnützige Zwecke....

  19. 39.

    Die Diäten im Bundestag haben sich seit 2002 fast verdoppelt, haben sich die Gehälter und Löhne etwa auch fast verdoppelt oder wurde den Steuerzahlern nicht eher noch mehr aus den Taschen gezogen?
    Von knapp 7000€ pro Monat auf über 11.000 ist schon eine ordentliche Hausnummer, und dann noch mindestens 5000€ pro Monat als Zuschläge obendrauf, womit ist das eigentlich gerechtfertigt?!

  20. 38.

    Warum sollten nur Löhne, Gehälter von Geschäftsführer-innen, Renten usw. erhöht werden, Diäten/ Bezügw für jene, die in einer Demokratie für uns die Arbeit machen aber nicht? Ist Ihnen die Demokratie so wenig wert? Warum?

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