Interview | Brandenburgische Frauenwochen 2024 - "Der 8. März ist jeder Tag"
Friederike Arndt vom Frauenpolitischen Rat Brandenburg koordiniert seit Jahren die Brandenburgischen Frauenwochen. Im Interview spricht sie über die Schwerpunkte in diesem Jahr und warum auch Brandenburg den 8. März als Feiertag braucht.
rbb|24: Frau Arndt, die Brandenburgischen Frauenwochen stehen 2024 unter dem Motto: "Dit könn' wa besser!" Wer hat sich das ausgedacht?
Friederike Arndt: Die Brandenburgischen Frauenwochen werden jährlich durch einen Beirat aus zehn verschiedenen Institutionen thematisch ins Leben gerufen. Da wird einfach tagespolitisch geschaut, was gerade am meisten brennt. Das ist immer sehr hart, weil vieles brennt.
Wo brennt es denn gerade am meisten?
Da die Wahlprognosen für dieses Jahr schon so düster wurden und rechtspopulistische und rechtsextremistische Bewegungen so an Fahrt aufgenommen haben in Brandenburg, haben wir beschlossen, das Thema Solidarität, Demokratie und Vielfalt auf den Tisch holen, diese zu erhalten und dafür zu kämpfen.
Die Veranstaltungen selbst sind sehr unterschiedlich und beschäftigen sich etwa mit jüdischen Opfern sexualisierter Gewalt oder auch mit geschlechtlicher Vielfalt. Wo ist da der rote Faden?
Es hängt oft damit zusammen, dass Missstände und Diskriminierung thematisiert werden.
Gibt es auch Grenzen? Was fände keinesfalls Einzug ins Programm?
Alles, was in irgendeiner Form sexistisch daherkommt oder diskriminierend ist. Oder wenn jemand das Motto durch den Kakao zieht. Frauen, die sich hier wirklich ernsthaft engagieren, würden sich dann nicht wertgeschätzt fühlen.
Gibt es dieses Jahr etwas total neues?
Mich würde selbst auch interessieren, was ein "Comickonzert" ist. Das findet in Schwedt statt. Aber auch Gender-Medizin als Thema hält jetzt mehr Einzug. Da gibt es in Cottbus einen Vortrag mit Diskussion unter dem Titel "Geschlechtermedizin – Ungleichbehandlung gewünscht!". Und ich bin sehr froh, dass Künstler*innen als die Unsichtbaren mit einem Konzert und Film in Luckenwalde thematisiert werden.
Welche Zielgruppe sprechen Sie an und wen würden Sie gerne noch mehr erreichen?
Mit unserer landesweiten Auftaktveranstaltung möchten wir am liebsten alle Geschlechter in der Gesellschaft erreichen, um zu zeigen, wie wichtig es ist, zusammenzustehen und füreinander da zu sein. Wir würden vor allem auch gerne Männer erreichen, weil wir gemeinsam für die Gleichstellung kämpfen müssen. Das hat für alle Vorteile. Wir wollen die Politik und Verwaltung erreichen. Und die älteren Frauen abholen, die sich schon sehr lange engagieren und ihnen möchten wir zeigen: Wir schätzen das wert, was ihr uns vorbereitet habt, nehmen euren Kampf auf und führen ihn weiter. Wir möchten aber auch die ganz Jungen erreichen. Geschlechtliche Vielfalt ist einfach ein ganz wichtiges Thema für uns.
Wie zugänglich und barrierefrei sind die Veranstaltungen, wenn der offizielle Auftakt in Wittenberge am Donnerstag um 11 Uhr stattfindet? Wer hat denn da Zeit?
Das ist ein sehr wunder Punkt. Wir haben vor, die landesweite Auftaktveranstaltung dieses Jahr zum letzten Mal zu solch einer Uhrzeit stattfinden zu lassen. Es hat historische Aspekte, dass die Frauenwochen früher meistens von in der Gleichstellung Arbeitenden besucht wurden. Die konnten das als Arbeitszeit verbuchen. Inzwischen haben wir uns so sehr in die Breite vergrößert, dass wir das dringend aus der hauptamtlichen Zeit rausholen müssen. Und ansonsten sehen die Mittel der Landesleistungsbeauftragten immer vor, bestimmte barrierearme und barrierefreie Voraussetzungen zu erfüllen.
Wobei alles andere größtenteils am späten Nachmittag oder abends stattfindet, manches auch am Wochenende.
Überwiegend, ja.
Wie organisieren Sie von Potsdam aus mehr als 200 Veranstaltungen im ganzen Bundesland?
Im besten Fall gibt es in jeder Stadt und Gemeinde im Landkreis Gleichungsbeauftragte, die Mittel und Zeit haben, auf Menschen zuzugehen. Viele kommunale Gleichstellungsbeauftragte engagieren sich in den Kreisen und Städten zusammen mit Kirchen, Hochschulen und Kunstakteur*innen. Vielerorts sind dann Politiker*innen eingeladen, die konkrete Forderungen mitkriegen, direkt in die Hand. Da sind die Möglichkeiten und Ressourcen aber sehr verschieden. Manche Gleichstellungsbeauftragte arbeiten ehrenamtlich, andere im Hauptamt. Jede macht wirklich, was sie kann.
Und wer geht bei den Formaten auf wen zu?
Inzwischen haben sich die Frauenwochen so sehr verselbstständigt, dass jetzt auch Kultureinrichtungen auf die Gleichstellungsbeauftragten vor Ort zugehen. Es gibt jährlich neue, tolle, mutige, engagierte Frauen und Initiativen.
Die ehemalige brandenburgischer Ministerin für Gesundheit und Soziales, Regine Hildebrandt, war maßgeblich an den Ursprüngen der Frauenwoche beteiligt. Eine der Veranstaltungen fragt: Was würde Regine Hildebrandt dazu sagen? – Was würde sie denn zur politischen Situation von Frauen heutzutage sagen?
Ich glaube, sie würde getreu dem diesjährigen Motto sagen: Dit könn' wa besser! Weil wir frauenpolitisch zwar viele Errungenschaften erkämpft haben, die aber gerade durch das aktuelle politische Klima ziemlich krass auf der Kippe stehen. Wir sind alle etwas ängstlich vor den Wahlen, die dieses Jahr anstehen. Insofern ist es gar nicht so selbstverständlich für uns, dass wir und andere Frauen-, Familien- oder queere Verbände im Land weiterhin Förderung erhalten. Momentan sind wir gut aufgestellt, aber es ist immer Platz nach oben. Und vielleicht könnten wir gesellschaftlich auch besser angenommen werden.
Was unterscheidet Frauenpolitik von anderer Politik? Oder ist Frauenpolitik eigentlich Politik für alle?
Frauenpolitik betrifft alle Querschnittsthemen der Gesellschaft. Insofern ist es Politik für alle. Explizit herrscht aber nach wie vor eine gesellschaftliche und politische Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Insofern ist es immer noch Politik für so eine Art – wir sagen immer scherzhaft – Randgruppe. Dabei sind wir die Hälfte der Gesellschaft. Aber Frauen sind faktisch in vielen Bereichen des Lebens aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Es gibt beispielsweise nach wie vor nachweislich mehr Gewalt gegen Frauen und Kinder von Männern als umgekehrt. Das ist auf patriarchale Strukturen zurückzuführen.
Waren wir da im Osten nicht schon mal weiter? Oder schien das nur so?
Wir sind der Meinung, es schien nur so. Frauen waren in allen Berufsgruppen sehr gut vertreten, allerdings haperte es auch zu DDR-Zeiten schon an Gleichstellung innerhalb des Familienlebens. Die "Care Arbeit", die Sorgearbeit, blieb auch damals schon häufiger an den Frauen hängen und war dadurch eine starke Mehrfachbelastung.
Warum ist das Format Frauenwoche über 34 Jahre so gewachsen und immer noch wichtig?
Weil das eine ganz tolle Bühne ist für alle Frauen und Mädchen im Land Brandenburg, ihre Bedarfe in ganz kreativer, vielfältiger Form ins Land zu tragen, gegenüber der Politik und der Verwaltung sichtbar werden, hörbar werden und es gibt einfach nach wie vor unendlich viele Bedarfe.
Wie nennen Sie selbst den Tag und wäre der 8. März auch für Brandenburg wichtig als Feiertag?
Wir bezeichnen ihn inzwischen als Frauen*kampftag, mit dem Sternchen dazwischen. Der 8. März ist jeder Tag. Es ist wichtig, Öffentlichkeit dafür herzustellen und auch wirklich laut und stark und bunt zu feiern. Als Feiertag wäre das sehr viel einfacher. Zumal ihn Clara Zetkin ins Leben gerufen hat, die im Land Brandenburg sehr viel wichtige Dinge erwirkt hat. Insofern ist es besonders für Brandenburg eigentlich unumgänglich, den 8. März zum Feiertag zu ernennen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Michaela Grimm
Sendung: Antenne Brandenburg, 28.02.2024, 13:30 Uhr