"Kenia"-Bilanz im Landtag - Rückblick auf Brandenburger Regierungsjahre: von düster bis hell

Mi 24.04.24 | 18:33 Uhr | Von Markus Woller
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Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident des Landes Brandenburg, spricht in der Debatte des Landtages. (Foto: dpa)
Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 24.04.2024 | Stephanie Teistler | Bild: dpa

In einer zum Teil hitzigen Debatte haben die Fraktionen im Landtag über die Bilanz der Kenia-Regierung gestritten. Kritik gab es daran, dass zu wenige Menschen vom wirtschaftlichen Erfolg des Landes profitieren würden. Von Markus Woller

Jeder Redner malt sich am Mittwoch sein Bild von Brandenburgs Lage nach fast fünf Jahren Kenia-Regierung in einer anderen Farbe. Apokalyptisch düstere Töne wählt die AfD, die die Aktuelle Stunde zur Regierungsbilanz im Landtag auch beantragt hatte.

Fraktionschef Hans-Christoph Berndt versucht mit seinen Ausführungen einen katastrophalen Eindruck der Regierungsjahre von SPD, CDU und Bündnisgrünen zu vermitteln: Auf der Regierungsbank säßen quasi durchweg Dilettanten, die das Land in den vergangenen viereinhalb Jahren bei Wirtschafts-, Migrations-, Corona- und Bildungspolitik "im Rekordtempo schlechter gemacht" hätten.

Berndt nennt Brandenburg "kleine DDR"

Das Land am Rande des Zusammenbruchs, der Tesla-Erfolg auf Sand gebaut, die Transformation zur CO2-neutralen Wirtschaft verantwortlich für eine vermeintliche Verarmung und Entmündigung der Bürger, führt Berndt aus. Auch in der Tonlage geht es bei ihm nur krawallig: Eine "Überdosis Diktatur" unterstellt er der Landesregierung in der Corona-Politik. Eine "kleine DDR" sieht Berndt in der langen Amtszeit von Ministerpräsident Woidke und seinen SPD-Vorgängern, obwohl diese ein Ergebnis demokratischer Wahlen ist.

In den hellsten Farben hingegen versucht sich der Ministerpräsident an einem Gegenentwurf dazu. Das Land habe sich trotz vieler Krisen in den vergangenen fünf Jahren so gut entwickelt wie in keinem Zeitraum davor. Davon zeuge das hohe Wirtschaftswachstum. Nicht nur seit Tesla im Land sei, sondern seit zehn Jahren schon liege man über dem Bundesschnitt.

"Die gute Entwicklung findet im ganzen Land statt, in der Prignitz genauso wie in Elbe-Elster, in der Uckermark und in der Lausitz", argumentiert Woidke. Noch nie seien so viele Menschen in Arbeit gewesen wie heute. Ausdruck dessen sei auch ein enormer Zuzug aus Berlin und anderen Bundesländern nach Brandenburg.

Kritik an Klage der AfD

Die AfD, so der Ministerpräsident, torpediere diese Bemühungen mit ihrer auf Fake News setzenden Oppositionsarbeit, unter anderem mit ihrer Klage gegen das sogenannte "Brandenburgpaket" - jene 1,6 Milliarden Euro, mit denen das Land die Folgen von Corona und Ukrainekrieg abzufedern versucht. Schulen, Vereine, Kommunen, Krankenhäuser und Verkehrsunternehmen sollen damit unterstützt werden.

Die AfD sieht darin ein Paket zur Durchsetzung von Wahlversprechen, das wenig mit dem genannten Zweck zu tun habe. Sie hatte deshalb dagegen geklagt.

Mit Zwischentönen versuchen es die Oppositionsparteien von BVB/Freien Wählern und Linken. Letztere betonen, man wollen einige Erfolge nicht wegreden. In die Lobgesänge der Regierung einstimmen wollte Fraktionschef Sebastian Walter angesichts vieler Probleme aber auch nicht. Denn vom hohen Wirtschaftswachstum könnten die meisten Leute heute gar nicht profitieren, sagt er. Die Löhne würden nicht mitwachsen. "Die Menschen haben nach viereinhalb Jahren Kenia real weniger in der Tasche", so Walter.

Hohe Mieten werden immer mehr zum Problem

Selbst die Landesverwaltung würde bei Aufträgen einen zu geringen Mindestlohn zahlen, sagt Walter weiter. Das Wirtschaftswachstum schwäche sich zudem gerade ab, die Landesregierung habe sich abhängig von Elon Musk und seiner Giga-Factory gemacht. Walter sagt, er glaube, die Regierung habe die Probleme vieler Brandenburger nicht im Blick, zum Beispiel habe man eine Mietpreisbremse "quasi abgeschafft". Und das trotz immer weiter steigender Mieten in vielen Regionen des Landes.

Péter Vida von den Freien Wählern kritisiert unter anderem die Energiepolitik der Landesregierung. Diese habe sich nicht gegen den "energiepolitischen Amoklauf der Bundesregierung" gestellt, obwohl es stets "große Töne" gegen Maßnahmen wie das Heizungsgesetz von der SPD gegeben habe. Den Bau von noch mehr Windrädern, den sich die Koalition vorgenommen hat, nennt er preistreibend, landschafts- und umweltschädlich.

Auch Redmann übt Kritik an der Regierungsarbeit

Auf den ersten Blick überraschend: Auch CDU-Fraktions- und Partei-Chef Jan Redmann übt Kritik an der Arbeit der Landesregierung. Allerdings nicht dort, wo seine Partei Verantwortung trägt. Man habe viele rote Schleifchen durchschneiden können in den vergangenen Jahren: bei Polizei, in der Justiz, bei Bahn, Straßen, Feuerwehr. Alles Themen aus CDU geführten Ministerien.

Nun müsse man aber aufpassen, es nicht mit roten Laternen zu tun zu kriegen, sagt Redmann. Die Alarmsignale aus der Wirtschaft seien nicht zu überhören. Viele Unternehmen hätten Zukunftssorgen und stellten Investitionen zurück. Auch weil man bei der Klimapolitik zum Teil falsche Wege einschlage. Es brauche einen wirtschaftlichen Befreiungsschlag gemeinsam mit dem Bund, so Redmann.

Raschke sieht viele grüne Erfolge

Auch Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke versucht am Rednerpult, der Kenia-Koalition im Rückblick seinen Anstrich zu verpassen. Grün habe den größten Teil dessen umgesetzt, was im Koalitionsvertrag steht. Die Krisen der letzten Jahre habe das Land mit Unterstützung seiner Partei auch genutzt, um Innovationen voranzubringen. So sei es bei der PCK gelungen, viel Geld vom Bund für eine Transformation zu einem Wasserstoff-Standort zu bekommen. Die erneuerbaren Energien seien in Brandenburg seit dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieges massiv vorangebracht worden.

Auch dass trotz der Corona-Zeit das Angebot im Gesundheitswesen habe ausgeweitet werden können, wertet Raschke als grünen Erfolg. Genau sowie das Mobilitätsgesetz für mehr Öffentlichen Personennahverkehr und die Festschreibung eines Klimaplans.

Mehr als zweieinhalb Stunden brauchen die Fraktionen im Landtag am Mittwoch, um ein insgesamt buntes Bild der Regierungsarbeit der vergangenen vier Jahre zu zeichnen. Wie harmonisch dieses Bild am Ende wirkt, das liegt wie immer im Auge des Betrachters.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.04.2024, 18:19 Uhr

Beitrag von Markus Woller

12 Kommentare

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  1. 12.

    Sicherlich, zunächst ist es eine Rechtsfrage. Sondervermögen sind wirtschaftlich selbstständige Nebenhaushalte, aus denen oft langfristige Investitionen finanziert werden. Es gibt aktuell 29 Sondervermögen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bekanntlich eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Die diversen "Sondervermögen", die nun die Kenia-Koalition zur "Lösung" ihrer Haushaltspläne plant, stehen auf tönernden Füßen.

  2. 11.

    Ein Vorzeigeprojekt der Grünen Energiewende ist gescheitert. Die Öl-Raffinerie Heide hatte beschlossen, auf grünen Wasserstoff zu setzen. Drei Jahre nach Beginn des "Leuchtturmprojekts" (Grüne) wurde das Projekt nun vorzeitig beendet. Die Elektrolyse-Anlage wird nicht gebaut. Die Produktion von grünem Wasserstoff mache keinen Sinn, vor allem wegen der hohen Investitionskosten und wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken, heißt es in der Pressemitteilung. Trotz der Fördermittel lohne sich ein dauerhafter Betrieb der Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab wirtschaftlich nicht, so das Investoren-Konsortium.
    PCK und Grüner Wasserstoff ist in meinen Augen eine ähnliche Fata Morgana.

  3. 10.

    letztlich handelt es sich um eine Rechtsfrage. Darf durch eine Regierung entgegen der Schuldenregelungen eine Fremdfinanzierung von Wahlversprechen vorgenommen werden. Das hier dem Kind ein anderer Namen gegeben wurde ist ja leicht durchschaubar.

    Wie dem auch sei, die Wahl wurde dem Kenia-Gespenst ein Ende bereiten. Die AFD wird vermutlich die 30% reißen und die Ampelparteien weiter verlieren. Alles sieht dann nach einer Wiederholungswahl aus. Dann könnte eine Mehrheit von AFD und BSW Realität werden. Zumindest weist die derzeitige Stimmung in Brandenburg darauf hin.

  4. 9.

    Berlin ist ja auch der Bevölkerungsreichste Teil von Brandenburg/ direkt im Brandenburger Zentrum gelegen und mit direktem Umland, leben im Brandenburger Zentrum, mindestens 5 Millionen Menschen.

  5. 8.

    "So sei es bei der PCK gelungen, viel Geld vom Bund für eine Transformation zu einem Wasserstoff-Standort zu bekommen. Die erneuerbaren Energien seien in Brandenburg seit dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieges massiv vorangebracht worden."
    Jetzt verstehe ich endlich die Hintergründe für die Kriegshaltung.

  6. 7.

    Was die Corona-Maßnahmen angeht habe ich von vielen nicht-Brandenburgern dasselbe gehört wie „vorauseilender Gehorsam, alte Stasi-Methoden, Sozialismus hat nie aufgehört, besonders restriktiv etc pp“…..also ist dieser Vorwurf gar nicht so weit hergeholt.
    Und Herr Woidke muss sich leider auch vorwerfen lassen dass er sich über Empfehlungen und Verordnungen auf Bundesebene hinweg gesetzt hat und das vorm Untersuchungsausschuss abgestritten hat…..manche würden sowas lügen nennen.

  7. 6.

    Hallo Erge, die Bezeichnung bezieht sich auf die Farben der Parteien, welche die gleichen sind wie die Nationalfarben von Kenia: Rot, schwarz, grün
    Selbes gilt für Jamaika (CDU schwarz, FDP Gelb, Grüne Grün)
    Ich hoffe damit erschließt sich dir die Bezeichnung.

  8. 5.

    "Was oder Wer, ist eigentlich Brandenburg ???"
    Die Hängematte von Berlin und die Last wiegt schwer.

  9. 4.

    Wenn man Radio 1 hört, gibt’s vor allem Berlin. Gefühlt findet Brandenburg nur statt, wenn‘s Ärger gegeben hat. Bin jetzt wieder bei Antenne Brandenburg gelandet - passt besser. Die Lausitz reicht übrigens bis weit nach Sachsen … das war nie eine besonders reiche Gegend. Die Kohle war Segen und Fluch zugleich. Das waren so 150 „wilde Jahre“ - wie es weitergeht, finde ich durchaus spannend.
    Hier in Finkenheerd war die „Kohlezeit“ kürzer, aber auch durchaus prägend …

  10. 3.

    Was oder Wer, ist eigentlich Brandenburg ???
    Jeden Tag hört man nur Lausitz Lausitz Lausitz.
    Meine Milliarden für die Lausitz (Meine Hand für mein Produkt) Aua Aua !!!

  11. 2.

    Sooo schlecht steht Brandenburg nicht da. Ich kann nur die Bezeichnung „Kenia“ für die Regierungskoalition nicht mehr hören: was hat Kenia mit Brandenburg zu tun? Wollen die Kenianer mit unserer Regierung bezeichnet werden? Ich halte das für unpassend und übergriffet.

  12. 1.

    "Die AfD sieht darin ein Paket zur Durchsetzung von Wahlversprechen, das wenig mit dem genannten Zweck zu tun habe. Sie hatte deshalb dagegen geklagt." Das Gejammere von Herrn Woidke ist neben der Sache liegend. Eigentlich, nach meiner Rechtsaufassung, wird das Gericht die rechtswidrige Verwendung der Mittel stoppen müssen.

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