Integrationsbeauftragte vor Ort - "Ausreisezentrum" auf Oder-Insel bleibt umstritten
Auf der Oder-Insel Küstrin-Kietz soll ein "Ausreisezentrum" entstehen. Der Landkreis befürwortet das Projekt. Die Brandenburger Integrationsbeauftragte machte sich am Freitag vor Ort ein Bild und zeigte sich eher skeptisch.
- Kreis und Land wollen "Ausreisezentrum" auf Oder-Insel errichten
- Ausreisepflichtige Ausländer sollen so Deutschland schneller verlassen
- "Ausreisezentrum" umstritten: Gelände ist schadstoffbelastet, teils Naturschutzgebiet
- Brandenburger Integrationsbeauftragte machte sich am Freitag vor Ort ein Bild
Die neue Brandenburger Integrationsbeauftragte, Diana Gonzalez Olivo, hat am Freitag Küstrin-Kietz (Märkisch-Oderland) besucht, um sich über den Planungsstand eines möglichen sogenannten Ausreisezentrums auf der Oder-Insel zu informieren. Dabei besichtigte sie das abgesperrte Gelände an der polnischen Grenze von außen und tauschte sich in einer Sitzung mit Mitgliedern der "AG Flucht und Asyl" des Landesintegrationsbeirates sowie Vertreter des Landkreises aus.
Verseuchtes Militärgelände seit 30 Jahren ungenutzt
In einem geplanten Ausreisezentrum auf der abgelegenen Oder-Insel - ein verlassenes Gelände mit alten Militäranlagen - sollen ausreisepflichtige Ausländer untergebracht werden, die keine Bleibeperspektive haben und das Land verlassen müssen. Der Landesflüchtlingsrat kritisierte, es werde ein "menschenfeindliches Abschottungssystem" etabliert.
Bis in die 1990er Jahre wurde die Oder-Insel von den Nachfolgern der Sowjetarmee genutzt. Dem Landkreis Märkisch-Oderland zufolge sind die Liegenschaften mit Asbest verseucht und der Boden kontaminiert. Es besteht demnach Betretungsverbot, einige Areale sind als Naturschutzgebiet gesperrt.
Gonzalez Olivo zeigte sich kritisch gegenüber den Plänen, das Gelände als sogenanntes Ausreisezentrum zu nutzen. "Es geht hier ganz klar um härtere Regelungen, was Abschiebung angeht", sagte sie. Es müsse eher mehr für Integration getan werden. Gleichzeitig räumte Gonzalez Olivo ein, sie finde es schwierig, "ganz dafür oder ganz dagegen zu sein". Es gebe noch viele offene Fragen - etwa zur Ausgestaltung und zum rechtlichen Rahmen der geplanten Einrichtung.
Seit Mai hat die Deutsch-Mexikanerin Gonzalez Olivo das Amt der Integrationsbeauftragten inne.
Viele Einwohner von Küstrin-Kietz lehnen Pläne ab
Vor Ort hatten sich am Freitag einige Einwohner versammelt, um mit einem Plakat ihre Ablehnung gegen das Vorhaben zu zeigen. Eine Mehrheit der Küstrin-Kietzer lehne den Standort ab, sagte der neugewählte Ortsvorsteher Wolfgang Henschel, Teil der Wählergruppe "Schöner Leben" in Küstrin-Kietz. Eine Petition gegen das Projekt zählt derzeit knapp 500 Unterschriften.
Ortsvorsteher Henschel sagte, es gebe Sorgen bezüglich der Sicherheit; einige Einwohner fürchteten auch negative Auswirkungen auf den Oder-Tourismus. Er ehe aber vor allem kritisch, so Henschel, dass das Zentrum auf der Insel als Abschreckung dienen solle. Und: "Das Betreten dieses Geländes ist lebensgefährlich. Es ist irrsinnig, solch eine Einrichtung überhaupt in Erwägung zu ziehen", sagte er.
Landkreis befürwortet den Standort
Der Landkreis spricht sich für die Errichtung des Ausreisezentrums aus, um die geltende Asylpolitik umzusetzen. Landrat Gernot Schmidt (SPD) kann die Kritik in Teilen nachvollziehen, er sehe aber keine Alternative als Standort, erklärte er vor Ort dem rbb. "Es wird an jedem Standort Kritik geben", sagte Schmidt, betonte aber auch: "Die Notwendigkeit der Errichtung eines solchen Zentrums steht außer Frage."
Rund zehn Millionen Euro aus dem Doppelhaushalt 2025/2026 soll das "Ausreisezentrum" kosten und 2025 dafür die ersten Container aufgestellt werden. Das Land rechnet mit insgesamt 200 bis 250 Plätzen. Für andere Räume etwa zum Essen oder für Sport sollen bestehende Gebäude umgebaut werden.
Integrationsbeauftragte warnt vor enttäuschten Erwartungen
Die Landesintegrationsbeauftragte Gonzalez Olivo warnte vor einer Verschärfung der Debatte um Zuwanderung durch solche Projekte. "Man weckt in der Gesellschaft große Erwartungen, dass wir hier groß abschieben werden", sagte sie. "Wenn das aber nicht realisierbar wird, wird das zu einer weiteren Spaltung in der Gesellschaft führen." Es mache ihr Sorgen, da es "auf Kosten der Menschen" gehe, "die hier seit Jahren alles machen, um in Deutschland anzukommen und sich zu integrieren, einen Job zu finden".
Kreis erwartet Entlastung bei Unterbringung
Aktuell gehört die Fläche dem Land Brandenburg. Die Kreisverwaltung plane, einen Teil der Flächen für die Einrichtung eines "Ausreisezentrums" zu nutzen, erklärte Sozialdezernent Friedemann Hanke (CDU)Ende März dem rbb. "Wir haben 1.700 Flüchtlinge aufgenommen oder untergebracht. Und wir müssten dieselbe Zahl als Soll in diesem Jahr haben. Das ist gar nicht schaffbar. Ich kann die Unterbringung nicht verdoppeln", so Hanke zur Begründung.
Mit einem möglichen Ausreisezentrum würde sich der Druck auf Märkisch-Oderland entspannen, unterstrich der Sozialdezernent, denn die dort untergebrachten Menschen würden auf das vom Land vorgegebene Aufnahme-Soll angerechnet. Der Sozialdezernent erhofft sich so auch, dass im Zuge der Aufbereitung Teile des Geländes entkernt und dekontaminiert werden.
Im Aufenthaltsgesetz heißt es zu den sogenannten Ausreisezentren: "In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden." Sie können per Wohnsitzauflage verpflichtet werden, sich dort aufzuhalten, dürfen die Einrichtung aber auch vorübergehend verlassen. Familien, allein reisende Frauen, Paare oder pflegebedürftige oder kranke Personen sollen dort laut Innenministerium nicht untergebracht werden.
Sendung: Antenne Brandenburg, 14.06.2024, 16:40 Uhr
Mit Material von Martin Krauss und Corinna Cerruti