Auch Brandenburg dabei - Neun Verbraucherschutzminister sprechen sich für Zuckersteuer auf Softdrinks aus

Di 18.06.24 | 17:28 Uhr | Von Julian von Bülow
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Symbolbild: Erfrischungsgetränke in Flaschen, Dosen, Getränkekartons und Standbeuteln stehen am 24.08.2016 bei einer Pressekonferenz der Verbraucherschutzorganisation foodwatch e.V. in Berlin. (Quelle: Imago Images)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 18.06.2024 | Tim Jaeger | Bild: Imago Images

Weil die Industrie immer noch zu viel Zucker in Getränke gebe, wollen einige Verbraucherschutzminister eine Zuckersteuer darauf einführen. Experten sehen Vorteile für Gesundheit und Volkswirtschaft. Bundesminister Özdemir ist pessimistisch. Von Julian von Bülow

Die Bundesregierung soll eine Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke prüfen. Das fordern die Verbraucherschutzminister von neun Bundesländern. Das geht aus einem Vermerk im Protokoll der Verbraucherschutzministerkonferenz von vergangener Woche hervor.

Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und das Saarland kommen zu dem Schluss: "Trotz freiwilliger Selbstverpflichtung und Zusagen der Industrie in Deutschland ist der durchschnittliche Zuckergehalt von z. B. Softgetränken in den vergangenen Jahren nicht in dem Maße gesunken, wie für eine gesundheitsförderliche Ernährung erforderlich wäre", heißt es in dem Protokoll. Daher nun der Vorschlag einer Zuckersteuer.

Özdemir sieht keine Chance vor den nächsten Bundestagswahlen

Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) glaubt nicht an die Einführung einer Zuckersteuer in dieser Legislaturperiode. Er sagte dem rbb am Dienstagnachmittag, in Deutschland gebe es bislang keine Mehrheit dafür: "Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister, die das jetzt vorschlagen, müssten vielleicht auch in ihren Bundesländern mit ihren eigenen Chefs, den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten reden, dann hätte es eher eine Chance durchgesetzt zu werden." Özdemir befürwortet nach eigenen Angaben eine Zuckersteuer.

Man versuche jetzt zumindest, speziell an Kinder gerichtete Werbung für Produkte, die deutlich zu viel Zucker, Salz und Fett haben, zu reduzieren und dafür eine gesetzliche Regelung vorzubereiten. Das mache es den Eltern dann auch einfacher beim Einkaufen, so Özdemir.

Innerhalb der Bundesregierung ist die Zuckersteuer umstritten. Özdemir scheiterte mit seinen Vorschlägen bisher am Nein der FDP. So hatte der stellvertretende Vorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, Vorstöße in diese Richtung als "politischen Aktionismus" bezeichnet. Der vom Bundestag einberufene Bürgerrat Ernährung lehnte den Vorschlag einer Zuckersteuer ebenfalls ab, er stimmte mit 51 Prozent dagegen, dem Bundestag die Maßnahme vorzuschlagen.

Zucker fördert Diabetes und Fettleibigkeit

Ein Grund für eine Steuer auf Zucker in Getränken sei die Gesundheitsvorsorge, sagt Andrea Willgeroth. Sie ist zuständig für Ernährungsberatung und Präventionskurse bei der Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin (IKK BB). Denn zu viel Zucker erhöhe das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Zahnschäden, Fettstoffwechselstörungen, Fettleibigkeit und damit einhergehend Gelenkerkrankungen.

"Wir haben immer höhere Anteile an Erkrankten von Diabetes Typ 2, die Zahlen steigen von Jahr zu Jahr. Und auch die Ausgaben haben sich verzichtfacht im Laufe der Jahre", sagt Willgeroth. Die Ausgaben für Medikamente, Augen- und Nierenerkrankungen, Durchblutungsstörungen wie diabetischen Fuß seien enorm. "Das wird uns als Krankenkassen und als Gesellschaft irgendwann das Genick brechen." Die Zuckersteuer könne die Gesundheit der Menschen verbessern und Kosten sparen.

Bis zu 16 Milliarden Euro in 20 Jahren einsparbar

Wie viel Geld man mit einer solchen Steuer einsparen könnte, haben Forscher der Technischen Universität München im vergangenen Jahr ausgerechnet. Sie simulierten eine 20- und 30-prozentige Abgabe auf Softdrinks. Damit kämen volkswirtschaftliche Einsparungen von bis zu 16 Milliarden Euro innerhalb von zwanzig Jahren zustande. In der Simulation der Forscher wurden nur Menschen über 30 berücksichtigt, da die meisten mit Zucker in Verbindung gebrachten Krankheiten ab jenem Alter auftreten würden. Da der Softdrink-Konsum aber bei Teenagern am höchsten sei, könnten die gesundheitlichen und finanziellen Vorteile noch höher ausfallen.

Mit einer Abgabe auf gezuckerte Getränke würden weniger Behandlungen nötig. Kosten durch Krankheitstage, Arbeitsunfähigkeit und ähnliches sänken ebenfalls. "Durch eine Besteuerung würden unseren Modellen zufolge innerhalb der nächsten 20 Jahre bis zu 244.100 Menschen später oder gar nicht an Typ-2-Diabetes erkranken", sagt Forscher Karl Emmert-Fees.

Zuckerverband warnt vor Zuckersteuer

Hauptgeschäftsführer Günter Tissen vom Verein der Zuckerindustrie sagte dem rbb, eine Zuckersteuer helfe nicht gegen Übergewicht. "Es geht nicht um einen Nährstoff, sondern die Kalorien, die sind entscheidend. Das sieht man auch an der Entwicklung der Übergewichtsrate in Mexiko." Die steige weiter, trotz Zuckersteuer. "Wir halten nichts von einer Strafsteuer auf Zucker, weil diese nicht hilft, weil sie bürokratisch ist und die Menschen gängelt", so der Tissen. Die Menschen bräuchten stattdessen eine ausgewogene Ernährung sowie genügend Bewegung.

Die Weltgesundheitsorganisation wiederum empfiehlt eine Zuckersteuer von mindestens 20 Prozent auf zuckerhaltige Getränke. Laut dem Obesity Evidence Hub existieren bereits in 54 Ländern verschiedene Formen von Steuern auf zuckersüße Getränke. In Großbritannien etwa müssen Unternehmen seit 2018 Abgaben leisten, die sich nach der Menge an Zucker in den Softdrinks richten. Andrea Willgeroth von der IKK BB befürwortet das Modell. Sie sagt: "Je mehr Zucker, desto höher die Steuer. Dadurch wurde die Industrie faktisch gezwungen, weniger Zucker in ihre Produkte hineinzugeben." Daraufhin sei der Zuckerkonsum zurückgegangen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.06.2024, 19:30 Uhr

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Beitrag von Julian von Bülow

79 Kommentare

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  1. 79.

    ... und die 47 Plastikstrohhalme/Jahr/Kopf nicht vergessen, die mit 15! Gramm den Plastikmüllberg merklich entlasten. Auf Kreuzfahrten, Karibik und Südseeinseln. im Gegensatz dazu, aber weiterhin in den Ozeanen landen.

  2. 78.

    Richtig, die haben sogar mehr "E"s und die Fanta schmeckt wie Fanta und hat noch die Farbe aus den 80ern.
    EGAL. Wir sind alle nicht zu bevormunden!

    Hr. Ozdemir könnte sich ja auch um mit Zucker gestreckte "Fruchtsaftgetränke" und Nektar kümmern, oder um Eis, oder um Ketchup, oder um Süßkram, oder um die ganze elende Schokolade

  3. 77.

    Da haben Sie mich aber völlig falsch verstanden. Natürlich sollte jeder eigenverantwortlich handeln. Aber es könnte dafür gesorgt werden, dass es den Verbrauchern leichter gemacht wird zuckerreduzierte, bzw zuckerfreie Lebensmittel zu bekommen, ohne dass Zuckerersatzstoffe verwendet werden und der Preis dafür nicht höher ist als für zuckerhaltige Lebensmittel.

  4. 76.

    "Das einfachste wäre, Kindermilchschnitte verbieten und für alle zuckerhaltigen Produkte inklusive Softdrinks gesetzliche Höchstmengen einführen!" Ich frage Sie ganz einfach "Warum" Können Sie sich nicht beherrschen mit der Milchschnitte oder Ihre Kinder dahin gehend aufzuklären??
    Wie war das bei Verboten und Kindern.....
    Warum werden keine Obstsalate verboten.....sind die gesünder??? Nein.

  5. 75.

    Der Bauernverband mit seiner Beschäftigung......n Zuckerlobby sollte endlich mal Verbraucherfreundliche Arbeit leisten und Klimaschutzvorkehrungen aktivieren. Die schießen sich mit ihrer Verweigerungshaltung ins eigene Knie und uns schaden sie alle!

  6. 74.

    Artikel richtig gelesen?
    „"Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister, die das jetzt vorschlagen, müssten vielleicht auch in ihren Bundesländern mit ihren eigenen Chefs, den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten reden, dann hätte es eher eine Chance durchgesetzt zu werden." Özdemir befürwortet nach eigenen Angaben eine Zuckersteuer.“

    Man sollte den Grünen nur das Anlasten, für was sie in ihrer Amtszeit auch Verantwortung tragen bzw. beeinflussen können.

  7. 73.

    Wenn ich auf meine Lohnabrechnung gucke, dann kann ich Ihre fast kostenlose Gesundheitsversorgung nicht erkennen.
    Wenn ich dann noch die Beiträge des Arbeitgebers hinzurechne, könnte ich mir glatt Dr. Karl Lauterbach ans bestellen. Zum Glück bin ich nicht krank und erwarte von der Politik, dass sie das Solidarprinzip nicht länger mit der total kostenlosen Versorgung von Menschen überstrapaziert, die arbeitsfähig sind und gutgelaunt am Tropf der Beitragszahler hängen.

  8. 72.

    Dänemark hat ein rekordverdächtigen Zuckerverbrauch und traditionell hohe extra Steuern auf Süßkram und fahren zum Hamstern deswegen sogar nach Schweden oder Deutschland. Wie Hoch sollen diese Steuern denn sein. Brause und Zucker ist doch sowieso schon überdurchschnittlich im Preis gestiegen. Seit den 70ern ist die Lebenserwartung um 10 Jahre gestiegen mit nur leicht Rückläufigen (ohne extra Steuern) Zuckerverbrauchswerten in dieser Zeit. Mir gefällt einfach nicht, daß damit wieder dramatisiert und emotionalisiert wird. Wie an den Kommentaren zu sehen ist herrscht schon jetzt ein rauer Wind aus der gehobener Zeigefinger Fraktion.

  9. 71.

    Diese ganze Diskussion bzw. Steuererhebung wird wie alles andere verpuffen.
    Wie lange ist die Diskussion, um Süsswaren und Alkohol im Kassenbereich her?
    Nichts ist passiert!

    Und da war doch auch etwas mit Plastiktüten und Wattestäbchen für die Ohren ...
    Alles nur noch heiße Luft!

  10. 70.

    "Herr Özdemir ist als Verbraucherschutzminister eine absolute Enttäuschung."
    Tja, es ist halt schwer, sich gegen die Lobbyisten aus der FDP, dem Bauernverband oder der Zuckerindustrie durchzusetzen...
    Die FDP will keine Zuckersteuer und auch keine Zuckerhöchstmenge in Lebensmitteln. Das soll alles dem "freien Markt" überlassen werden und dem Bürger. Wie sehr und ob das überhaupt funktioniert, sieht man ja!
    Die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie aus der Zeit von Merkel, den Zuckeranteil zu reduzieren, ist nie erfüllt worden. Einzelne Anbieter haben höchstens den Zuckergehalt von 11 auf 10,2 Gramm gesenkt- das bringt nicht viel. Außerdem hab ich persönlich noch keinen gesehen, der NUR 100 ml Limo trinkt. Die meisten nehmen die 1/2-Liter-Flasche.
    Das sind dann allein schon über 50 g Zucker und da ist der versteckte Zucker in verarbeiteten LM noch gar nicht dabei!
    Die freiwillige Verpflichtung war übrigens der Trick der Industrie, um ein entsprechendes Gesetz zu vermeiden.

  11. 69.

    Auf nach Polen oder Dänemark!

  12. 68.

    Mir ist das vollkommen egal was diese Minister vor haben. Will ich etwas mit viel Zucker kaufe ich es. soll es zuckerfrei oder mit geringen Zuckeranteil sein kaufe ich es auch. So habe ich es immer gehalten und wenn etwas teurer wird ist es mir eben egal.
    Und den Kids auch.

  13. 67.

    Na ich denke mal, die fast 20% für Kranken und Pflegekasse sind doch "fast geschenkt".-).

  14. 66.

    >"Nein, wer sich selber was Gutes tun will, versucht Lebensmittel mit weniger Süße zu konsumieren!"
    Ich bin da mal von Erwachsenen mit einer süßen Geschmacksprägung ausgegangen. Wenns denn süß sein soll, eben mit Zuckerersatzstoffen.
    >"Weniger Limo, weniger Süßzeug, weniger süßes Obst, mehr Balaststoffe, mehr Grünzeug, mehr Bitterstoffe.
    Gerade in der Kindheit wird schon zu sehr Süß-‚Jieper‘ antrainiert. "
    Daher mein Aufruf an die Eltern. Die haben es in der Hand, die Geschmacksprägung einer ganzen Generation zu beeinflussen. Unsereins ist noch ohne Cola und Brause aufgewachsen. Wenn dann gabs das nur mal zum Kindergeburtstag oder so mit anderem Süßkram. Daher schmecken mir viele Dinge heute nicht weil zu süß. Geschmacksprägung halt. Ich gebe auch mal zu, dass das für Eltern heute nicht einfach ist. Aber im Kleinkindalter kann man schon noch was beeinflussen, wenn man sich den Anforderungen stellt und das Kind nicht einfach schnell ruhig stellen will.

  15. 65.

    Kantinen mit Frischküchen..., Und Schulspeisung in Bio und Fairtrade für umme. Beides Personal- und Kostenintensiv. Aber vielleicht kann da ja die CD, die Tschechische Staatsbahn helfen. Die weiß zumindest noch, wie man Speisewagen MIT Frischküchen betreibt.

  16. 64.

    Welchen Staat meinen Sie und was verstehen Sie unter "fast kostenlos"?

  17. 63.

    So wie in jedes Gebäck eine Prise Salz gehört, gehört auch in jedes Essen eine Prise Zucker rein. Aber wohl gemerkt eine Prise - in Maßen und nicht in Massen!
    Jemand hat mal einen Vergleich gemacht, wieviel Zucker in einem Glas Cola stecken: 7 Stück Würfelzucker! Wer würde sich in 200 ml Tee so viel Zucker rühren?
    Das einfachste wäre, Kindermilchschnitte verbieten und für alle zuckerhaltigen Produkte inklusive Softdrinks gesetzliche Höchstmengen einführen!
    So dick, wie viele junge Leute heutzutage sind, hätte man früher mit24/7 Nahrungsaufnahme nicht geschafft.

  18. 62.

    Ich bin sogar für eine Zuckersteuer in allen Lebensmitteln. Ein Staat, der eine fast kostenlose Gesundheitsversorgung für seine BürgerInnen anbietet, sollte auch die gesunde Ernährung regulieren. Alles andere ist dann eben Luxus für die, die zu viel Geld haben und ihre Gesundheit gerne auf Kosten der Volkswirtschaft ruinieren.

  19. 61.

    So wie in jedes Gebäck eine Prise Salz gehört, gehört auch in jedes Essen eine Prise Zucker rein. Aber wohl gemerkt eine Prise - in Maßen und nicht in Massen!
    Jemand hat mal einen Vergleich gemacht, wieviel Zucker in einem Glas Cola stecken: 7 Stück Würfelzucker! Wer würde sich in 200 ml Tee so viel Zucker rühren?
    Das einfachste wäre, Kindermilchschnitte verbieten und für alle zuckerhaltigen Produkte inklusive Softdrinks gesetzliche Höchstmengen einführen!
    So dick, wie viele junge Leute heutzutage sind, hätte man früher mit24/7 Nahrungsaufnahme nicht geschafft.

  20. 60.

    In den Staaten ist das Gesundheitswesen noch teurer, aber Service&Leistung nur ein Bruchteil der deutschen.

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