Auch Brandenburg dabei - Neun Verbraucherschutzminister sprechen sich für Zuckersteuer auf Softdrinks aus
Weil die Industrie immer noch zu viel Zucker in Getränke gebe, wollen einige Verbraucherschutzminister eine Zuckersteuer darauf einführen. Experten sehen Vorteile für Gesundheit und Volkswirtschaft. Bundesminister Özdemir ist pessimistisch. Von Julian von Bülow
Die Bundesregierung soll eine Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke prüfen. Das fordern die Verbraucherschutzminister von neun Bundesländern. Das geht aus einem Vermerk im Protokoll der Verbraucherschutzministerkonferenz von vergangener Woche hervor.
Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und das Saarland kommen zu dem Schluss: "Trotz freiwilliger Selbstverpflichtung und Zusagen der Industrie in Deutschland ist der durchschnittliche Zuckergehalt von z. B. Softgetränken in den vergangenen Jahren nicht in dem Maße gesunken, wie für eine gesundheitsförderliche Ernährung erforderlich wäre", heißt es in dem Protokoll. Daher nun der Vorschlag einer Zuckersteuer.
Özdemir sieht keine Chance vor den nächsten Bundestagswahlen
Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) glaubt nicht an die Einführung einer Zuckersteuer in dieser Legislaturperiode. Er sagte dem rbb am Dienstagnachmittag, in Deutschland gebe es bislang keine Mehrheit dafür: "Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister, die das jetzt vorschlagen, müssten vielleicht auch in ihren Bundesländern mit ihren eigenen Chefs, den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten reden, dann hätte es eher eine Chance durchgesetzt zu werden." Özdemir befürwortet nach eigenen Angaben eine Zuckersteuer.
Man versuche jetzt zumindest, speziell an Kinder gerichtete Werbung für Produkte, die deutlich zu viel Zucker, Salz und Fett haben, zu reduzieren und dafür eine gesetzliche Regelung vorzubereiten. Das mache es den Eltern dann auch einfacher beim Einkaufen, so Özdemir.
Innerhalb der Bundesregierung ist die Zuckersteuer umstritten. Özdemir scheiterte mit seinen Vorschlägen bisher am Nein der FDP. So hatte der stellvertretende Vorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, Vorstöße in diese Richtung als "politischen Aktionismus" bezeichnet. Der vom Bundestag einberufene Bürgerrat Ernährung lehnte den Vorschlag einer Zuckersteuer ebenfalls ab, er stimmte mit 51 Prozent dagegen, dem Bundestag die Maßnahme vorzuschlagen.
Zucker fördert Diabetes und Fettleibigkeit
Ein Grund für eine Steuer auf Zucker in Getränken sei die Gesundheitsvorsorge, sagt Andrea Willgeroth. Sie ist zuständig für Ernährungsberatung und Präventionskurse bei der Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin (IKK BB). Denn zu viel Zucker erhöhe das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Zahnschäden, Fettstoffwechselstörungen, Fettleibigkeit und damit einhergehend Gelenkerkrankungen.
"Wir haben immer höhere Anteile an Erkrankten von Diabetes Typ 2, die Zahlen steigen von Jahr zu Jahr. Und auch die Ausgaben haben sich verzichtfacht im Laufe der Jahre", sagt Willgeroth. Die Ausgaben für Medikamente, Augen- und Nierenerkrankungen, Durchblutungsstörungen wie diabetischen Fuß seien enorm. "Das wird uns als Krankenkassen und als Gesellschaft irgendwann das Genick brechen." Die Zuckersteuer könne die Gesundheit der Menschen verbessern und Kosten sparen.
Bis zu 16 Milliarden Euro in 20 Jahren einsparbar
Wie viel Geld man mit einer solchen Steuer einsparen könnte, haben Forscher der Technischen Universität München im vergangenen Jahr ausgerechnet. Sie simulierten eine 20- und 30-prozentige Abgabe auf Softdrinks. Damit kämen volkswirtschaftliche Einsparungen von bis zu 16 Milliarden Euro innerhalb von zwanzig Jahren zustande. In der Simulation der Forscher wurden nur Menschen über 30 berücksichtigt, da die meisten mit Zucker in Verbindung gebrachten Krankheiten ab jenem Alter auftreten würden. Da der Softdrink-Konsum aber bei Teenagern am höchsten sei, könnten die gesundheitlichen und finanziellen Vorteile noch höher ausfallen.
Mit einer Abgabe auf gezuckerte Getränke würden weniger Behandlungen nötig. Kosten durch Krankheitstage, Arbeitsunfähigkeit und ähnliches sänken ebenfalls. "Durch eine Besteuerung würden unseren Modellen zufolge innerhalb der nächsten 20 Jahre bis zu 244.100 Menschen später oder gar nicht an Typ-2-Diabetes erkranken", sagt Forscher Karl Emmert-Fees.
Zuckerverband warnt vor Zuckersteuer
Hauptgeschäftsführer Günter Tissen vom Verein der Zuckerindustrie sagte dem rbb, eine Zuckersteuer helfe nicht gegen Übergewicht. "Es geht nicht um einen Nährstoff, sondern die Kalorien, die sind entscheidend. Das sieht man auch an der Entwicklung der Übergewichtsrate in Mexiko." Die steige weiter, trotz Zuckersteuer. "Wir halten nichts von einer Strafsteuer auf Zucker, weil diese nicht hilft, weil sie bürokratisch ist und die Menschen gängelt", so der Tissen. Die Menschen bräuchten stattdessen eine ausgewogene Ernährung sowie genügend Bewegung.
Die Weltgesundheitsorganisation wiederum empfiehlt eine Zuckersteuer von mindestens 20 Prozent auf zuckerhaltige Getränke. Laut dem Obesity Evidence Hub existieren bereits in 54 Ländern verschiedene Formen von Steuern auf zuckersüße Getränke. In Großbritannien etwa müssen Unternehmen seit 2018 Abgaben leisten, die sich nach der Menge an Zucker in den Softdrinks richten. Andrea Willgeroth von der IKK BB befürwortet das Modell. Sie sagt: "Je mehr Zucker, desto höher die Steuer. Dadurch wurde die Industrie faktisch gezwungen, weniger Zucker in ihre Produkte hineinzugeben." Daraufhin sei der Zuckerkonsum zurückgegangen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.06.2024, 19:30 Uhr
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