Einsatz von KI-Tools - Mit "Parla" und "Bobbi" gegen das Datenchaos in der Berliner Verwaltung

Di 04.06.24 | 20:06 Uhr
  17
Symbolbild: Aus zwei Computertasten wurde das Wort KI Gebildet. (Quelle: dpa/Sascha Steinach)
Bild: dpa/Sascha Steinach

Die Berliner Verwaltung ist und bleibt ein Sorgenkind der Stadt. Auf Bürgeramtstermine muss ewig gewartet werden und online geht noch fast gar nichts. In Zukunft gehen auch noch viele Beamte in Rente. Manche hoffen auf die KI als Retter in der Not. Von Simon Wenzel

Schon im vergangenen Jahr blieben tausende Stellen in der Berliner Verwaltung unbesetzt, zusätzlich gehen in den nächsten zehn Jahren etwa 40.000 der derzeit Beschäftigten in Rente. Die Probleme für die Bürger, lange Wartezeiten auf Termine und bei Anträgen, sind so nur schwer zu beheben.

Eine Chance könnte Künstliche Intelligenz bieten. Das ist nicht nur logisch, sondern auch schon von Berlins Finanzsenator vor über einem Jahr in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" [Bezahlschranke] ins Gespräch gebracht worden. Konkret wurde Stefan Evers (CDU) damals nicht. Erste Projekte gibt es inzwischen, aber auch noch viele Bedenken. rbb|24 hat sich im Rahmen der Digitalkonferenz "Republica" in Berlin bei Expertinnen und Experten umgehört - nicht alle glauben an das Allheilmittel KI.

"Parla" zeigt, wie es gehen kann

Im "City Lab Berlin", einem Innovationslabor der Technologiestiftung Berlin, mitfinanziert vom Land, beschäftigen sie sich fast täglich mit dem möglichen Einsatz von KI in der Verwaltung: "Das ist für uns ein Riesenthema", sagt Benjamin Seibel, der Leiter des City Labs. Im letzten Jahr sei schon viel mit KI gearbeitet worden, "wir haben Anwendungsfelder durchgespielt", sagt Seibel, im Innovationslabor gehe das ganz gut - geschützter Rahmen, weniger Datenschutzvorschriften, er beschreibt es als eine "Spielwiese".

Herausgekommen ist als ein erster, tatsächlich nutzbarer Service: "Parla" (externer Link: parla.berlin). Eine KI, die hilft, Dokumente aus dem Berliner Abgeordnetenhaus durchsuchbar zu machen, schriftliche Anfragen zum Beispiel. Das hilft Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern bei der Beantwortung von Fragen, zu denen bereits Antworten vorliegen. Es kann aber auch zur Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern beitragen oder Journalistinnen und Journalisten die Arbeit erleichtern.

"Wissensmanagement" nennt Benjamin Seibel das, was Parla macht und er findet: Das sei eine der offensichtlichsten Einsatzmöglichkeiten von KI in der Verwaltung. "Der Dokumentenbestand in der Verwaltung ist sehr groß und sehr unübersichtlich. Darin nach Informationen zu suchen, das können die gängigen KI-Modelle schon ganz gut - aus 10.000 Dokumenten zum Beispiel schnell die richtige Quelle finden - dann kann der Einsatz von KI extrem viel Zeit sparen", sagt er. Auch die Vorsortierung von Anträgen würde Seibel einem Programm zutrauen. "Es gibt Sachbearbeiter, bei denen liegen 50.000 Anträge und die müssen jeden erstmal einzeln prüfen, ob er vollständig ist. Diese Vorsortierung ist etwas, was KI gut machen könnte", sagt er.

Stelleneinsparung schlägt Mitarbeiterentlastung?

Die Vorstellung: Wenn KI die formelle Prüfung übernimmt, könnten die Menschen in der Verwaltung mehr Zeit haben, die Fälle inhaltlich zu prüfen. Nicht alle Experten sind da aber so optimistisch wie Benjamin Seibel.

Nikolai Horn, vom digitalen Think-Tank "iRights Lab" findet zwar auch, dass das theoretisch eine gute Idee ist. Er sieht neben den genannten sogar noch weitere Anwendungsfelder: KI könnte beispielsweise bei Infrastrukturprojekten Prognosen errechnen und so deren Bewertung verbessern. Horn glaubt nur noch nicht daran, dass die Aufteilung in der Realität so ablaufen wird. KI übernimmt sinnvolle Hintergrundaufgaben und die vorhandenen Mitarbeiter haben mehr Zeit für die Bürger - klingt gut, aber nicht realistisch, findet Horn: "Werden die Stellen nicht vielleicht einfach nur eingespart? Dann bleiben die Verwaltungsmitarbeiter, die noch da sind trotzdem überlastet. Nur die, die mit Routineaufgaben beschäftigt waren, die sind nicht mehr da. Häufig ist doch Stelleneinsparung das oberste Gebot und nicht die Mitarbeiterentlastung", sagt er. Der Einsatz von KI sei in Zukunft dennoch wohl notwendig, wenn zahlreiche Mitarbeiter in Rente gehen.

Dénes Jäger vom gemeinnützigen Verein "Open Knowledge Foundation" sieht noch ein anderes Problem: Setzen die deutschen Verwaltungen jetzt auf teure KI-Projekte, könnte das Gelder verschlingen, die zunächst zur Verbesserung der Grundlagen benötigt würden. "Wenn Geld in KI-Projekte fließt, fließt es nicht in Personal, Infrastruktur oder nachhaltiges Datenmanagement", sagt Jäger. Sein Hauptthema als Journalist und "Data Researcher" ist das Datenmanagement. Einheitliche Datenerfassung, strukturierte Ablage, all das müsste zuerst verbessert werden, findet er. Sonst kann auch KI nicht anständig arbeiten.

Bei KI ist es so: Garbage in, garbage out.

Dénes Jäger, Journalist und Data Researcher

Um das zu verdeutlichen, hat Jäger in seinen Vortrag auf der "Republica" ein Meme eingebaut: Auf dem Bild ist zu sehen, wie jemand am Fuß einer Treppe steht und mit einem viel zu großen Schritt direkt zur dritthöchsten Stufe gehen will. Auf der hohen Stufe steht "KI Leuchtturmprojekte bauen". Die Treppenstufen, die ausgelassen werden, sind mit "schnelles Internet", "Basic Datenkompetenzen und ethische Gedanken machen" und "Datenbanken aufsetzen" beschriftet. Der Schritt zur hohen Stufe ist so groß, dass er nicht zu schaffen ist.

Die Verwaltung in Deutschland hat also noch viele Digitalisierungsschritte zu nehmen, bevor KI-Projekte gestartet werden, findet Jäger. "Ein beliebter Fehler ist: KI braucht nicht weniger, sondern mehr Kompetenzen und ein Verständnis dafür, was sie eigentlich macht", sagt er. Vor allem die Datenlage in der Verwaltung sei derzeit aber häufig so schlecht, dass auch künstliche Intelligenz damit nicht arbeiten könne: "Bei KI ist es so: Garbage in, garbage out", sagt Jäger. Gibt man also schlecht gepflegte Daten rein, kommen auch wenig aussagekräftige wieder heraus.

Die Bertelsmann-Stiftung hat zum Einsatz von KI in Verwaltungen ein Cluster erarbeitet, in dem sieben Kompetenzarten mit insgesamt 21 Kompetenzen vorgegeben sind, die notwendig sind. Neben technischen, auch kommunikative, gesellschaftliche, rechtliche oder organisatorische. Jäger findet, das zeige, der Einsatz von KI sollte nicht unüberlegt und überstürzt aufgrund einer Modeerscheinung geschehen, sondern nur gut vorbereitet.

Sein etwas provokanter Ansatz zum Thema: Wenn in Deutschland gerade alle heiß auf KI-Projekte sind, die Verwaltung aber erstmal gute Daten braucht, könnte man dann nicht vermeintliche KI-Ideen vorschieben, um tatsächlich durch die Hintertür Geld für besseres Datenmanagement zu bekommen? Beispielsweise einen Chatbot kreieren, mit dem Projektgeld aber vor allem eine gute Datengrundlage schaffen für dessen Benutzung. Auf der "Republica" fragte er anwesende Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aus ganz Deutschland, ob sie so etwas schon mal gemacht hätten. Ergebnis seiner nicht repräsentativen Umfrage: 19 von 30 sagten ja.

Ein intelligenter Chatbot für Berlinerinnen und Berliner

City Lab-Leiter Benjamin Seibel bewertet die Chancen der KI dennoch wesentlich enthusiastischer. Er meint: Parla war erst der Anfang für Berlin. "Das Interesse in der Verwaltung, das muss man sagen, ist auch jetzt schon sehr groß. Der Bedarf ist längst erkannt, es geht jetzt vor allem um die Frage: Wie können wir das rechtssicher einsetzen." In den IT-Stellen der Ämter gebe es beispielsweise noch Datenschutzbedenken, zumindest bei ausländischen Services wie dem US-amerikanischen "ChatGPT". Seibel findet: "Manchmal muss man sich auch einfach trauen. Beim Einsatz von neuen Technologien gibt es oft anfangs Grauzonen, wir müssen ja am Anfang keine gefährlichen Anwendungsfälle machen."

Eine Vision: Ein neuer, intelligenter Chatbot für die Berliner Verwaltung. Es gibt schon einen, der hört auf den Namen "Bobbi", ist aber in etwa so zeitgemäß wie eine Diskette. Bobbi erkennt höchstens ein paar Stichworte und spuckt dann Links als Antworten aus, konkrete Fragen beantworten kann er nicht. Wenn ChatGPT künstliche Intelligenz ist, ist Bobbi künstlich unintelligent.

Eine modernere Version, die alle Informationen der Berliner Verwaltungen durchsucht und Bürgerfragen im Chat beantwortet, wäre da ein immenser Fortschritt: "Wenn wir mal nur auf die Inhalte von "berlin.de" schauen, da gibt es wahnsinnig viele Themen mit tausenden von Unterseiten", sagt Seibel, "ein intelligenter Bot, der mit diesen Informationen gefüttert wäre, sodass er beispielsweise beantworten kann, wann ein bestimmtes Schwimmbad geöffnet ist oder was ich tun muss, wenn ich meinen Personalausweis verloren habe, der wäre schon ein großer Gewinn." In zwei oder drei Jahren schon könnten solche oder ähnliche Technologien in Betrieb sein, glaubt Seibel. Die Strukturen zum Einsatz von KI müssten also schnell wachsen, denn die Künstliche Intelligenz ist kein normaler Mitarbeiter, sondern funktioniert nur mit gut geschultem Personal.

Sendung:  

17 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 17.

    Wenn Ihr Personalausweis in Verlust geraten ist, haben Sie i.d.R. die Möglichkeit in jedes Bürgeramt ohne Termin, Ihr Anliegen (neuen Perso) zu erledigen. Dauert halt nur ein bisschen länger (Wartezeit).

  2. 16.

    Ach hätten wir doch schon seit 20 Jahren KI.
    Einfach das Anliegen auf PC oder APP eingeben und schwupp hat man einen Termin für den nächsten Tag bzw. eine Woche später Ausweis, Reisepass oder Führerschein.
    Also vieles was das Bürgerherz erfreut.

  3. 15.

    Also wenn es schon ein Gewinn sein soll, dass ein Bot mir sagen kann, wann ein bestimmtes Schwimmbad geöffnet hat oder was ich tun muss, wenn mein Perso weg ist, wundert es mich nicht, dass es schleppend vorangeht. Dafür bemühe ich einfach Google. Das können doch nicht die eigentlichen Ziele für KI sein?

    Wenn mein Perso weg ist, brauche ich schnell einen Termin beim Bürgeramt. Da hakt es doch. Wieviel Zeit muss man dafür investieren, um erstmal einen Termin zu bekommen?

  4. 14.

    Parla klingt ja nach einer netten Idee um die Bearbeiter zu unterstützen, aber wie viel Zeit sparen sie wirklich dadurch?
    Die anderen KI helfen nicht wirklich bei der Verwaltung der Menschen und den Aufgaben der Behörden in meinen Augen, also ist das nur ein Gekratze an der Oberfläche. KI soll lösen was das mangelnde IT Handwerk in Deutschland nie aufgebaut hat. Das kann nur schwierig werden und ist sehr fehleranfällig.
    Wir schaffen es hierzulande ja nicht einmal Schnittstellen für den Datenaustausch zwischen den Bundesländern zu definieren.
    Datenschutz ist auch ein wichtiges Thema, da die persönliche Daten der Behördennutzer mit in die KI einfließen. Auch hier bleibt die Frage offen welche Gefahren sich daraus ergeben.

  5. 13.

    Is die männliche und die weibliche Form zu nennen jetzt auch abzulehnen? Dieser Hass auf freiwillige Sprachnutzung erzeugt wilde Stilblüten.

  6. 12.

    Bis die Verwaltung KI in nennenswertem Umfang einsetzt wird es wohl noch lange dauern.
    Es wird eh jedes BL sein eigenes System haben, inkompatibel zu anderen und selbstverständlich das Billigste das zu kriegen ist.
    Vielleicht denkt man ja auch die fehlende Digitalisierung (kaum etwas lässt sich wirklich digital erledigen) wird die KI dann schon richten.
    Aber vielleicht irre ich mich ja vollkommen.

  7. 10.

    Der Begriff „Beamte“ ist eher sinnbildlich gedacht. Die meisten Mitarbeitenden des ÖD sind Tarifbeschäftigte. Besonders in den Bürgerämtern. Es geht ja auch nicht um Beamte. Also, wenn das Ihr großes Problem ist, dann den Artikel nochmal lesen. Dann wissen Sie, worum es geht.

  8. 9.

    Alles auf KI abzuwälzen ist, meines Erachtens nicht der richtige Weg.
    Erstens weil heute noch nicht abzusehen ist, wie gefährlich der Umgang, gerade in der kritischen Infrastruktur ist.
    Daraus resultiert zweitens, dass gerade kriminelle Banden jetzt schon, für ihre Zwecke, besser KI nutzen und dabei erfolgreich und oft auch unerkannt ihren Machenschaften nachgehen.

  9. 8.

    Beamte gehen nicht in Rente (oder Pension), sondern werden umgebettet...

    Aber mal ernsthaft:
    Das Beamtentum gehört endlich abgeschafft.
    Es ist ein Relikt aus den letzten Jahrhunderten, wo man in dieser Stellung noch mit einer gewissen Würde und Hochachtung repräsentiert wurde.
    Heute passt eher, dass Beamtentum heißt, egal ob, was und wieviel man macht: Hauptsache die Bezüge sind sicher.
    Sie sind nicht mehr leistungsorientiert, sondern einfach nur Verwaltung nach Vorschrift!
    Nur Kostenintensiv.

  10. 7.

    "etwa 40.000 der derzeit Beschäftigten in Rente."

    Beamte werden im Artikel mit keinem Wort erwähnt, da im ÖD auch Angestellte arbeiten. Verrückt, nicht wahr?!

  11. 6.

    KI steht in der Berliner verwaltung für keine Ideen. Es gibt dagegen zusammengefasst immer zwei Bedenken.
    1. Eine Änderung braucht es nicht; denn das haben wir schon immer so gemacht.
    2. Eine Änderung braucht es nicht; denn so haben wir das noch nie gemacht.

  12. 5.

    Lieber RBB: wie kommen Sie eigentlich dazu, der Berliner Verwaltung ein "Datenchaos" zu attestieren ? Quantität ist kein Chaos. Und was soll das heißen, dass die "Ablage so schlecht ist" ? Die können Sie wohl kaum kennen. Wieso befeuern Sie ein Bild der Inkompetenz ? Einige Ihrer Schlagworte sind so ungehörig wie unzutreffend. Von einem Regionalsender kann man erwarten, dass nicht der Sport des "auf die Verwaltung einhauens" betrieben wird !

  13. 4.

    Es ist eine BELEIDIGUNG der Bürger gegenüber, das dir Bürgerdienste vernachlässigt werden und das seit Jahren.
    Das sind Mühlen für dir Rechten!!!
    Ein Trauerspiel und man darf die Frage stellen, wenn es seit zig Jahren bekannt ist, warum funktioniert es ÜBERALL außerhalb von Berlin?

    Note 6!!!

  14. 2.

    "Gendern" ist sächsisch und bedeutet soviel wie mit dem Boot umkippen (Hochdeutsch: Kentern)

  15. 1.

    Beamte gehen in Pension und nicht in Rente. Lieber RRB, gendern ist nicht alles

Nächster Artikel