Influencer-Klub Delay Sports - Sie können auch kicken

Di 20.12.22 | 21:19 Uhr | Von Lukas Witte
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Elias Nerlich klatscht mit Zuschauern am Spielfeldrand ab (Imago Images/Matthias Koch)
Bild: Imago Images/Matthias Koch

Der von Influencern gegründete Fußballverein Delay Sports spaziert geradewegs durch die Kreisliga C und sorgt auch neben dem Platz für Aufsehen. Schon bald soll der Klub dank einer Jugendabteilung wachsen und den Weg in höhere Spielklassen gehen. Von Lukas Witte

Wenn Elias Nerlich über sein Herzensprojekt Delay Sports spricht, ist er kaum zu bremsen. Stolz und voller Zufriedenheit blickt er auf die Entwicklung der letzten sechs Monate. "Es lief besser als ich gedacht hätte. Rein sportlich und auf Social-Media", sagt er. Wovon einer der bekanntesten deutschen YouTuber (1,1 Millionen Abonnenten) und Twitch-Streamer (1,3 Millionen Follower) dort schwärmt, ist ein Fußballverein in der niedrigsten Berliner Spielklasse, der Kreisliga C.

Ex-Hertha-Profi ist Top-Torjäger

Seit dieser Saison nimmt Delay Sports dort am Spielbetrieb teil. Und das mit großem Erfolg: Bisher haben sie jedes ihrer zwölf Spiele gewonnen, führen die Liga mit einem Torverhältnis von 73:7 an und steuern geradewegs auf den Aufstieg zu.

Kein Wunder, denn im Team des Influencers gibt es einige Spieler mit hoher Qualität. So zum Beispiel Alieu Swaneh, der vergangene Saison noch in der Regionalliga spielte. Oder Vereinsmitgründer und Ex-Hertha-Profi Sidney Friede, der es mittlerweile ebenfalls zu großer Bekanntheit in den sozialen Medien gebracht hat und mit 13 Treffern an der Spitze der Torjäger-Liste von Delay Sports steht.

Auch Nerlich steht - wann immer er kann - auf dem Rasen. Fußball sei schon von jungen Jahren an sein Leben gewesen und er hätte es durchaus auf Regionalliga-Niveau schaffen können, erzählt er. Durch zwei Verletzungen endete seine sportliche Karriere aber abrupt und er wendete sich dem E-Sport zu, der ihn so bekannt gemacht hat. "Dass ich mittlerweile wieder einigermaßen Fußball spielen kann und das auch noch für meinen eigenen Verein, das ist ein Traum", sagt er.

Der Uli Hoeneß von Delay Sports

Der Influencer hat bei Delay Sports aber weitaus mehr zu tun als nur Tore schießen. "Ich würde sagen, ich bin so eine Mischung aus Trainer, Vorstand und Spieler. Vielleicht so wie Uli Hoeneß damals bei den Bayern." Er sei in alle geschäftlichen Entscheidungen eingebunden und telefoniere mehrmals die Woche mit dem Trainer.

Ich würde sagen, ich bin so eine Mischung aus Trainer, Vorstand und Spieler. Vielleicht so wie Uli Hoeneß damals bei den Bayern

Elias Nerlich über seine Rolle bei Delay Sports

Neben dem Fußball hat Nerlich noch eine eigene Modemarke, vertreibt sein eigenes Trend-Getränk (Vitaminwasser), produziert Youtube-Videos und livestreamt fast jeden Abend für zehntausende Zuschauer. An über 300 Tagen saß er in diesem Jahr für seine Fans vor der Kamera. Deswegen seien er und Friede - der ebenfalls streamt und an den Firmen von Nerlich beteiligt ist - auch die einzigen, die nicht zum Training kommen müssten und trotzdem auf dem Platz stehen dürften.

Influencer als Zuschauermagnet

Um die restliche Aufstellung kümmert sich Cheftrainer Andreas Schild. Der 46-Jährige hat Erfahrung im Amateurbereich und betreute zuvor jahrelang die dritte Mannschaft des 1. FC Schöneberg. "Viele meiner Spieler kannten Eli von früher und wollten dann zu Delay Sports wechseln. Die hatten allerdings noch keinen Trainer und deshalb haben sie mich gefragt, ob ich mitkommen will", berichtet er. Damals habe er allerdings noch nicht gewusst, worauf er sich da eingelassen hatte.

Denn die Internet-Stars sorgten mit ihrer Mannschaft auch neben dem Platz für Aufsehen. Gerade in der Anfangsphase kamen tausende Fans von Nerlich und Friede zu den Spielen, um anzufeuern und vor allem auch eines der begehrten Selfies mit den Influencern zu ergattern. "Dass da plötzlich über 3.000 Menschen zu einem Testspiel kamen und auch die große mediale Aufmerksamkeit, das war für mich überhaupt nicht greifbar", erzählt Schild. Mittlerweile habe er sich daran gewöhnt.

Nicht alle profitieren von der Reichweite

Der Hype um den Verein ist vor allem bei Jugendlichen groß. Mittlerweile hat Delay Sports auf Instagram deutlich mehr Follower als die Berliner Bundesligisten Hertha und Union. Auch für die Gegner in der Kreisliga wurden Heimspiele gegen Delay Sports deshalb zu einem außergewöhnlichen Ereignis. Sie verkauften plötzlich jede Menge Eintrittskarten, mussten Sicherheitspersonal engagieren und stellten Imbissbuden auf. "Die meisten freuen sich, wenn wir kommen. Da sind dann viel mehr Fans als sonst und du hast gemerkt, dass die Gegner richtig heiß auf das Spiel waren", sagt Nerlich.

Nicht immer lief es allerdings so harmonisch. Ende August bekam der FC Grunewald die negativen Folgen der großen Reichweite ihres Gegners zu spüren. Während der hitzigen Partie kam es auf dem Platz zu Beleidigungen und Sticheleien zwischen beiden Mannschaften. Dafür kritisierte Nerlich die Grunewald-Spieler später auf Instagram und löste so eine Welle von Anfeindungen gegen den Südberliner Verein aus.

Die Follower des Influencers stürmten die Online-Auftritte der Grunewalder und beleidigten Spieler und Trainer. "Das war das erste Mal, dass ich in so einer Situation war. Ich habe aber auch daraus gelernt. Wir haben eine gewisse Verantwortung. Aber nur, weil wir Personen des öffentlichen Lebens sind, müssen wir uns auch nicht alles gefallen lassen", sagt Nerlich heute.

Zwei Jugendmannschaften in der Planung

Er weiß, dass nicht alle mit seinem Projekt einverstanden sind. Trotzdem oder gerade deshalb ist ihm wichtig, zu betonen, dass Delay Sports mehr ist als nur ein Influencer-Team. "Wir sind Kumpels, die einfach Fußball spielen wollen. 90 Prozent der Mannschaft kenne ich seit mindestens sechs Jahren. Ich war mit den meisten von denen schon früher in einer Mannschaft, auf der Schule oder in einer Klasse. Wir fangen ganz unten in der Kreisliga C an und haben uns nirgendwo eingekauft, was wir hätten machen können. Wir haben keine dicken Sponsorengelder angenommen, was wir auch hätten machen können, sondern wir spielen für die Deutsche Krebshilfe", sagt er.

Wir sind Kumpels, die einfach Fußball spielen wollen. 90 Prozent der Mannschaft kenne ich seit mindestens sechs Jahren.

Elias Nerlich, Sport-Influencer

Tatsächlich hätten sie als neu gegründeter Klub eigentlich erstmal drei Jahre in der Freizeitliga spielen müssen. Der Berliner Fußball-Verband (BFV) erteilte ihnen allerdings eine Sondergenehmigung in der Hoffnung, dass die Influencer den Amateurfußball in Berlin stärken würden. Bedingung für einen Start in der Kreisliga C war, dass der Verein bis zum Jahr 2024 zwei Jugendmannschaften gründen muss.

Genau das soll nun auch der nächste Schritt sein. Im Preussenstadion an der Malteserstraße in Lankwitz soll bald eine B-Jugend von Delay Sports trainieren. Hinzu komme entweder eine C- oder A-Jugend, verrät Nerlich. Die Nachfrage könnte dank der jungen Zielgruppe von ihm und Co-Gründer Friede wohl riesig werden. Schließlich werden viele der Fans die Chance nutzen wollen, in einem Verein mit ihren Stars Fußball zu spielen.

Der weite Weg nach oben

Aber auch mit der ersten Mannschaft soll es voran gehen. Eine Aufstiegsserie durch die Ligen der Hauptstadt wäre durchaus denkbar. Trainer Schild geht davon aus, dass der aktuelle Kader qualitativ in der Landesliga mitspielen könnte. Das wäre vier Spielklassen über der Kreisliga C, der Weg ist also noch weit.

Perspektivisch könnte es aber sogar noch höher hinaus gehen. "Der Kader bleibt ja nicht so, wie er ist. Wir haben jetzt schon viele Anfragen von Spielern aus oberklassigen Ligen bekommen, die bei uns spielen wollen. Sogar umsonst, weil sie einfach das Projekt cool finden." Dass sich der Kader in den kommenden Jahren verändern wird, sei wahrscheinlich, sagt Nerlich. "Dann schauen wir mal, wie weit wir kommen." Das Projekt Delay Sports verspricht also weiter zu wachsen und auch im kommenden Jahr erfolgreich zu sein.

Sendung: rbb24, 20.12.2022, 18 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

3 Kommentare

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  1. 3.

    Der Fußball ist was die menschlichen Werte anbelangt am Ende. Wenn es so weitergeht, gibt es Fußball nur noch im großen Stadion für teuer Geld, weil niemand mehr um die Ecke zum kicken geht. Einfach traurig.

  2. 2.

    Don't believe the hype! Da hat sich ja die Medienbubble wunderbar ihre ganz eigene Selbstbespaßung geschaffen. Dass diese Narzisten den anderen Klubs nur Ärger durch ihre Kinderscharr im Schlepptau verursachen, wird wie immer kleingeschrieben. Echtes Ehrenamt ist halt nicht sexy genug.

  3. 1.

    "Wie Uli Hoeneß bei Bayern"...
    Da kommt einem ja alles hoch.
    Sinnloser, unsympathischer geht es kaum.

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