Union-Physiotherapeut Silvio Thieme - Vom Biathlon in die Bundesliga
Jahrelang behandelte Silvio Thieme erfolgreiche Biathleten - bis ihn Union in die Bundesliga lockte. Welche ungewöhnlichen Trainingsmethoden auf die Berliner warten könnten und warum Olympiasieger jetzt mit Union jubeln. Von Lisa Surkamp-Erler
Silvio Thieme steht auf der Tribüne im leeren Stadion An der Alten Försterei und wischt sich ein paar Tränen aus den Augen. Gerade hat sich der Physiotherapeut des Fußball-Bundesligisten Union Berlin Grußbotschaften der deutschen Biathlon-Männer angeschaut. Denn deren Muskeln hat der 49-Jährige vor seinem Wechsel nach Berlin über sieben Jahre lang bearbeitet.
Weltmeister und Olympiasieger lagen da auf seiner Massageliege. Zahlreiche Erfolge feierten die deutschen Männer in dieser Zeit. "Daran hattest du einen ziemlich großen Anteil dran", sagt Sprint-Olympiasieger Arnd Peiffer und rührt den gebürtigen Thüringer damit zu Tränen.
"Ich bin beim geilsten Verein in Deutschland gelandet."
"Das bedeutet mir wahnsinnig viel", erzählt Thieme mit etwas wehmütiger Stimme. "Wir haben sehr intensive Jahre miteinander verbracht - und eine sehr erfolgreiche Zeit. Aber vor allem - und das steht über allem - habe ich super Menschen kennengelernt." Was zog den ehemaligen Langläufer also aus dem Wintersport auf den grünen Rasen?
"Es war eigentlich immer mein Wunsch, mal in der Bundesliga als Sport-Physiotherapeut zu arbeiten. Im Frühjahr nach den Olympischen Spielen hat sich hier bei Union die Tür aufgetan", erklärt er. Bei seinen Besuchen in Berlin habe er gleich ein gutes Gefühl gehabt und sich dann für einen Wechsel zum Erstligisten entschieden - den er bisher nicht bereut. "Ich muss sagen, ich bin eigentlich beim geilsten Verein in Deutschland gelandet. Es macht super viel Spaß und die Truppe hat mich super aufgenommen."
Andere Verletzungen bei Fußballern im Vergleich zum Biathlon
Mit drei anderen Therapeuten und einem Masseur bildet Thieme das Physio-Team der Berliner - und hat auch an den Erfolgen von Union seinen Anteil. Denn dank seiner Arbeit und der Belastungssteuerung von Trainer Urs Fischer haben die Köpenicker die vielen englischen Wochen gut überstanden und hatten kaum Verletzte. "Die englischen Wochen mit den vielen Spielen waren schon sehr intensiv. Man hat das den Spielern auch angemerkt. Das Schlagwort ist einfach Regeneration. Wir versuchen natürlich auch, viel präventiv zu arbeiten."
Eine große Umstellung ist die Behandlung von Fußballern statt von Biathleten aus Thiemes Sicht nicht. Aber: "Wir haben hier eine Kontaktsportart, da gibt es viele Muskelverletzungen und Prellungen. Das ist ein kleiner Unterschied", so der Physiotherapeut, der übrigens Fan von Dynamo Dresden ist.
Biathleten fiebern plötzlich mit Union mit
Den Biathleten ist Thieme als loyaler Helfer in guter Erinnerung geblieben. Aber auch als "Feier-Biest" mit - zumindest außergewöhnlichen - Trainingsideen. "In Sardinien gab es eine legendäre Step Aerobic-Einheit", erinnert sich Arnd Peiffer. Denn weil der Physiotherapeut in seiner heimischen Praxis solche Kurse anbot, wollte er auch mit den Profis etwas Neues ausprobieren. "Wir hatten alle Spaß dran und das hat auch ein bisschen das harte Training aufgelockert", denkt er zurück. Den Spielern von Union blieb das bisher erspart. "Aber vielleicht ist es mal eine Option", sagt der 49-Jährige mit einem breiten Grinsen.
Eines ist ihm auf jeden Fall schon gelungen: Die Biathleten schauen jetzt besonders auf die Bundesliga. "Ich verfolge seitdem Fußball viel mehr, als ich es vorher getan habe und freue mich immer besonders, wenn Union gewinnt", erzählt Arnd Peiffer.
Auch Ex-Weltmeister Simon Schempp fiebert mit. "Mein Herz schlägt eigentlich für die Roten, aber seitdem du bei Union bist, verfolge ich auch deren Weg unheimlich intensiv. Es freut mich, dass ihr so gut in der Tabelle dasteht", sagt der ehemalige Biathlet. Und geht Unions Erfolgsgeschichte auch im neuen Jahr so weiter, wird das sicher nicht sein letzter emotionaler Moment im Stadion An der Alten Försterei gewesen sein.
Sendung: rbb24, 13.12.2022, 18 Uhr