Nach Sportschau-Recherche - Wie ein Antisemitismus-Vorfall im Berliner Fußball die Justiz und Politik beschäftigt
Ein Fall von massivem Antisemitismus schlägt in Berlin Wellen. Nach einem Sportschau-Bericht werden Politik und Justiz aktiv. Zwei Spielern von Hertha 06 drohen strafrechtliche Konsequenzen, eine Entschuldigung stößt bei Makkabi Berlin auf Skepsis. Von Matthias Wolf
Am Freitag war Ergün Cakir um Schadensbegrenzung bemüht. Er wolle sich entschuldigen, sagte der Vorsitzende des Charlottenburger FC Hertha 06 aus Berlin.
Der Fall von massivem Antisemitismus am Rande des A-Jugendspiels zwischen Hertha 06 und TuS Makkabi Berlin am 13. November 2022, über den das WDR-Magazin "Sport inside" und die Sportschau in der vergangenen Woche berichtet hatten [sportschau.de], hat mittlerweile Folgen: Er beschäftigt Justiz und Politik.
Ermittlungen gegen Spieler
Die Staatsanwaltschaft Berlin bestätigte auf WDR-Anfrage Ermittlungen gegen die beiden Spieler, die bei der Partie schlimmsten Judenhass gezeigt hatten. Laut einem Bericht der Zeitung "B.Z." war es der Sprecher des Berliner Innensenats, Thilo Cablitz, der nach der WDR-Berichterstattung die Polizei informiert und um Einleitung eines Verfahrens gebeten hatte.
Schon unmittelbar nach dem Spiel im November seien jedoch bereits zwei Anzeigen gegen die Spieler eingegangen: Hierbei gehe es um die Tatbestände der möglichen Volksverhetzung und das Verwenden von verfassungswidriger Symbolik (Paragraph 86a), erklärte die Polizei auf Nachfrage.
Ob auch die Aussagen von Ergün Cakir in der WDR-Dokumentation strafrechtlich relevant seien, werde noch geprüft, teilte die Polizei weiter mit. Cakir hatte sich dort - auf die zweijährige Sperre seines Sohnes durch das Sportgericht des Berliner Fußballverbandes angesprochen - antisemitischer Denkweisen bedient und erklärt, sein Sohn werde "die Juden in seinem kompletten Leben hassen".
Vereinsvorsitzender entschuldigt sich
Für die Aussagen geriet Cakir bundesweit in die Kritik. Er werde nun selbst massiv angefeindet, sagte der Bauunternehmer am Freitag im Gespräch mit "Sport inside" vom WDR: "Es gibt ständig Droh-Anrufe." Er fühle sich falsch verstanden und bedaure mittlerweile seine Aussagen.
Noch am Donnerstag hatte die "B.Z." berichtet, er habe sich im Gespräch mit der Zeitung uneinsichtig gezeigt. Nun sagte er: "Ich entschuldige mich für das, was geschehen ist", so Cakir, "das hätte nicht passieren dürfen auf einem Sportplatz. Ich entschuldige mich für meinen Verein, unsere Spieler - und als Vater eines Jungen, der sowas gemacht hat."
Er unterstrich noch einmal, wie multikulturell Hertha 06 sei: "Wir haben auch russische Juden im Verein." Jugendleiter Haldun Öztek erklärte, man plane auch noch eine versöhnliche Geste in Richtung der A-Jugend von Makkabi, die regelrecht vom Sportplatz hatte flüchten müssen.
Makkabi Berlin bleibt skeptisch
Bei Makkabi Berlin ordnet man Cakirs neue Aussagen vorsichtig ein. Ilja Gop, Sprecher des Vorstandes, sagte dem WDR: "Eine Entschuldigung ist immer willkommen, wenn man was falsch gemacht hat - aber sie muss aufrichtig sein. Und da haben wir Zweifel." Ihn irritiere, dass Cakir sowohl vor dem Sportgericht als auch noch in dem "Sport-inside"-Bericht wenig Verständnis für die Situation des TuS Makkabi aufgebracht habe.
"Wir werden sehen, ob es nachhaltig ehrlich gemeint ist, oder ob es ihm nur darum geht, dass sein Verein nicht so hart bestraft wird. Dann sehen wir weiter", sagte Gop. Er hätte sich gewünscht, dass Cakir schon am vergangenen Sonntag auf die Makkabi-Verantwortlichen zugekommen wäre. Da fand das Punktspiel beider Männermannschaften in der Oberliga statt - auf dem selben Platz, auf dem das A-Jugendspiel eskaliert war.
Fall beschäftigt Berliner Fußball-Verband
Am kommenden Montag (06.02.23) wird sich das Präsidium des Berliner Fußball-Verbandes mit möglichen weiteren Maßnahmen gegen Hertha 06 beschäftigen. Dazu gibt es auch ein Gespräch von Präsidiumsmitgliedern mit Cakir.
Die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Berlin-Charlottenburg, Heike Schmitt-Schmelz, hat unterdessen in einem Statement sogar bereits gefordert, der CFC Hertha 06 möge sich von seinem Vorsitzenden distanzieren: "Sollte dieser Vorfall im Verein keine Konsequenzen haben, lasse ich bereits Maßnahmen prüfen, die bis zum Entzug der Sportflächen und auch der öffentlichen Sportförderung gehen.", so Schmitt-Schmelz. Die Forderung nach seinem Rückzug wolle er nicht kommentieren, sagte Cakir.
Sendung: rbb24, 03.02.2023, 18 Uhr