Interview | Berliner Ajax-Fan - "Ich habe mich jahrelang darauf gefreut"

Di 21.02.23 | 12:25 Uhr
Sheraldo Becker im Zweikampf mit Jurrien Timber (Bild: Imago Images/Eibner)
Bild: Imago Images/Eibner

Er ist noch auf der Suche nach einem Ticket, aufs Europa-League-Spiel zwischen Berlin und Amsterdam freut sich Ajax-Fan Alex Bosch trotzdem. Im Interview spricht er über deutsche und niederländische Fans und seine Erwartungen fürs Rückspiel.

rbb|24: Alex Bosch, konnten Sie inzwischen eine Karte fürs Spiel ergattern?

Alex Bosch: So halb. Ein Bekannter meinte, dass er vielleicht noch eine hat, aber er wollte sich nochmal melden. Ich habe es noch über andere Kontakte versucht, aber bei einem so kleinen Stadion wie dem An der Alten Försterei ist das Gästekontingent sehr überschaubar.

Wenn sie letztes oder vorletztes Jahr gegen Union gespielt hätten, als Feyenoord hier im Olympiastadion zu Gast war, dann wäre das eine ganz andere Geschichte gewesen. Aber so ist das schwierig.

Zur Person

Alexander Bosch (Bild: privat)
privat

Alex Bosch ist Wahlberliner und seit seiner Kindheit Ajax-Fan. Der 39-Jährige wuchs als Sohn eines Niederländers und einer Deutschen in beiden Ländern auf. Wenn er sich gerade nicht mit Fußball beschäftigt, ist er wissenschaftlicher Mtarbeiter an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

Mit Ihrer Suche nach einem Ticket sind Sie nicht allein. Das Spiel findet im Stadion An der Alten Försterei statt und nicht im deutlich größeren Olympiastadion. Können Sie verstehen, dass sich Union fürs heimische Stadion entschieden hat?

Auf jeden Fall. Das ist Unions Wohnzimmer. An der Alten Försterei herrscht eine enorme Stimmung. Das ist natürlich ein Vorteil, den Union da genießt. Den würde ich als Heimfan auch nicht abgeben wollen. So kann ich das nachvollziehen. Mit dem Olympiastadion fremdelt man als Unioner ja, glaube ich, sowieso und da ist die Stimmung dann auch nicht so wie An der Alten Försterei.

Sie sind zugezogener Berliner, aber Ihr Fanherz schlägt klar für Ajax-Amsterdam. Wie ist es zu dieser Vereinsliebe gekommen?

Ich bin 2009 fürs Studium nach Berlin gekommen und danach hier hängengeblieben. Ich bin aber Ajax-Fan seit Kindheitstagen. Ich bin in den Niederlanden geboren und dann sind mein Vater und meine Mutter nach Deutschland ins schöne Meppen gezogen. Mein Vater ist Niederländer und meine Mutter Deutsche. Und mein Vater ist großer Ajax-Fan, da war das irgendwie klar. Wir waren aber auch beim SV Meppen. Eine Zeit lang hatten wir bei beiden Dauerkarten und waren jedes Wochenende im Stadion.

Und dann bin ich Ajax-Fan geblieben. Ajax hatte in den 90ern natürlich auch die großen Erfolge. 1995 der Champions League-Sieg, 1996 nochmal im Finale gewesen, im Jahr danach im Halbfinale. Die Zeit war als gerade heranwachsender Fan toll.

Sie haben den direkten Vergleich: Was ist der größte Unterschied zwischen deutschen und niederländischen Fußballfans?

In Deutschland ist der Stadionbesuch immer noch schöner als in den Niederlanden, weil man bestimmte Restriktionen nicht hat. Man kann am Spieltag noch eine Karte kaufen, darf individuell anreisen und wenn es kein Risikospiel ist, darf man Bier trinken. Das sind Dinge, die in den Niederlanden bei vielen Vereinen so nicht mehr möglich sind.

Aber Niederländer sind, obwohl sie eher im Norden leben, teilweise fanatisch. Wenn man zum Beispiel am Wochenende die Bilder vom Derby zwischen Cambuur Leeuwarden und Heerenveen gesehen hat, waren da Stimmung, aber leider auch Gewalt und Aggressionen dabei. Diese Form des Fanatismus und der Emotionalität, die da herrschen, gibt es bei deutschen Spielen nicht so.

Was bedeutet es Ihnen, dass Ajax jetzt in Berlin spielt?

Eigentlich habe ich mich da jahrelang darauf gefreut. Als ich nach Berlin zog, spielte Hertha international und nicht Union. Das hat sich jetzt etwas verändert. Da hatte ich immer die Hoffnung und habe das herbeigesehnt. Da es in der jetzigen Phase gegen Union geht, wo der Gästeblock noch relativ klein ist und sich Ajax sportlich in einer Übergangssaison befindet, ist das ein zwiespältiges Verhältnis. Dafür bin ich zu sehr als Niederländer sozialisiert worden: Wir verlieren ungern gegen deutsche Mannschaften.

In Amsterdam machten die Köpenicker vor dem Tor einfach zu und Ajax stand ohne auch nur einen Torschuss da. Was erwarten Sie im Rückspiel?

Ich glaube, es wird ein Spiel mit offeneren Visieren, weil beide Mannschaften liefern müssen. Ich erwarte mir als Ajax-Fan, dass wir nicht so abwartend spielen. Ich hatte schon den Eindruck, dass wir nicht den Konter laufen wollten. Ajax muss das eigene Spiel aufziehen, dominant und offensiv spielen und den Druck eher auf die Verteidigungslinie von Union aufbauen. Sie dort zu Fehlern zwingen.

Jede Ajax-Mannschaft hat eigentlich das Potenzial, aufgrund ihrer technischen Überlegenheit den Ball schnell laufen zu lassen, im engen Raum Kombinationsfußball zu spielen und damit andere Mannschaften in Probleme zu bringen. Das war in Amsterdam nicht der Fall. Ich erwarte ein emotionales und sehr temporeiches Spiel, das nicht 0:0 ausgehen wird. Es werden Tore fallen. Ich hoffe für Ajax, aber gefühlt ist Union leichter Favorit.

Stehen für Sie einzelne Spieler im Fokus? Wer wird den Unterschied machen?

Wenn bei Ajax Tadic und Kudus einen sehr guten Tag haben, dann wird das für Union gefährlich. Und wenn bei Union die Abwehr steht und Becker gut aufgelegt ist, dann wird es für Ajax gefährlich.

Wo werden Sie das Spiel am Donnerstagabend verfolgen? Stellen Sie sich mit Poster vor das Stadion, wenn es mit dem Ticket vorher nicht klappt?

Häufig versuche ich das, aber ich würde mir mit ein paar Freunden in Neukölln eine Kneipe suchen. Das habe ich auch beim Hinspiel schon gemacht. Am Tag danach muss ich recht früh für eine Dienstreise fliegen, da kann ich nicht so lange an der Alten Försterei rumhängen, wenn ich keine Karte habe.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lynn Kraemer, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 22.02.2023, 18 Uhr

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