BR Volleys gegen Ankara - Entscheidungsspiel trotz Katastrophe
Wegen der Erdbeben-Katastrophe wird in nur einem statt zwei Spielen entschieden, ob die BR Volleys oder Ankara ins Viertelfinale der Champions League einziehen. Für den türkischen Meister ist derzeit allerdings kaum an Volleyball zu denken.
Matheus Krauchuk schaut am Rande des Trainings betrübt auf sein Handy. Immer wieder erreichen den Profi der BR Volleys Bilder, Videos und Erfahrungsberichte von Betroffenen des Erdbebens in der Türkei. Der gebürtige Brasilianer ist schockiert von der Katastrophe, die über seine alte Heimat hineingebrochen ist. Jahrelang spielte er selbst in der Türkei. "Mein erstes Team dort kam ziemlich aus der Nähe der betroffenen Region und schon damals hat meine Frau dort viele Erdbeben mitbekommen", erzählt er. Dass es einmal so heftig kommen würde, hinterlässt ihn sprachlos.
Eigentlich sollte Krauchuk mit den BR Volleys in der vergangenen Woche in die Türkei reisen, um in den Playoffs der Champions League das Hinspiel gegen Ziraat Bank Ankara zu bestreiten. Doch wegen des Erdbebens hatte die Regierung alle Events abgesagt. "Der Sport steht gerade auf jeden Fall im Hintergrund. Sie haben tagelang nicht trainiert, und der Verband hat seine Arbeit eingestellt", erzählt Krauchuk, der immer noch ein paar Freunde in der Türkei und auch im Team von Ankara hat, mit denen er in engem Kontakt steht. "Wir müssen die Situation respektieren und da helfen, wo wir können."
Aus zwei Spielen wurde eins
Der Terminkalender im europäischen Volleyball ist allerdings eng. Viel Zeit die Situation und den Schock zu verarbeiten haben die Profis von Ankara nicht. Am Mittwoch (19:30 Uhr) müssen sie das Rückspiel gegen die Volleys in der Max-Schmeling-Halle bestreiten. Und in diesem ersten von eigentlich zwei Spielen geht es plötzlich um Alles oder Nichts.
Denn die abgesagte Partie in Ankara wird nicht wiederholt werden. Darauf einigten sich beide Vereine in Übereinstimmung mit dem europäischen Volleyball-Verband (CEV). Deshalb wird nun einzig die Begegnung in Berlin über den Einzug ins Viertelfinale der europäischen Königsklasse entscheiden. Glücklich scheint der türkische Meister damit nicht zu sein. Erschöpft und sichtlich mitgenommen landete das Team am Montag am BER. "Es ist nicht die richtige Entscheidung, dass es nur ein Spiel geben wird, um ins Viertelfinale einzuziehen. Normalerweise wäre das inakzeptabel", sagte Trainer Mustafa Kavaz bei der Ankunft. "Wir haben alles versucht, um zwei Spiele austragen zu können, aber das wurde nicht akzeptiert." Warum genau und an wem diese Bemühungen scheiterten, verriet er nicht.
An Volleyball ist kaum zu denken
Wirklich gut vorbereiten konnten sich die Gäste auf dieses so entscheidende Spiel in Berlin nicht. In den letzten Tagen ging es vielmehr darum, den Betroffenen des Unglücks vor Ort zu helfen. Vor allem Lebensmittel brachten sie in die vom Erdbeben zerstörten Regionen. "Wir werden den Leuten so lange helfen, bis das Problem gelöst ist. Alle Profisport-Teams in der Türkei tun gerade, was sie können", sagte Ankaras Kapitän Arslan Eksi, bevor er gemeinsam mit seinen Mitspielern vor dem Terminalgebäude des BER eine große türkische Flagge hochhielt, um die Solidarität zu bekunden.
Sie alle wissen, dass es sportlich für sie in der Max-Schmeling-Halle wegen der Situation sehr schwierig werden wird. "Wir können kaum an Volleyball denken. Natürlich haben wir ein bisschen trainiert, aber nicht wie sonst. Wir sind sehr traurig und versuchen so gut wie möglich damit umzugehen. Physisch geht es uns gut, aber mental sind wir völlig am Ende", sagte Kavaz. Trotzdem sei seine Mannschaft nicht in die deutsche Hauptstadt gereist, um zu verlieren. "Wir sind hier, um zu kämpfen. Auch für unser Land. Vielleicht können wir ihnen so wenigstens eine gute Nachricht bescheren."
Volleys wollen Heimvorteil nutzen
Das weiß auch BR-Volleys-Diagonalspieler Krauchuk, der sich auf ein enges Spiel vorbereitet. "Volleyball ist der Stolz ihres Landes, und sie werden auf jeden Fall kämpfen und alles geben", sagt der Brasilianer. Auch er hat in den letzten Tagen versucht, so gut es geht zu helfen. "Vor allem mit Geld. Das ist alles, was man von hier aus gerade tun kann", erklärt er.
Trotz der Umstände wollen natürlich auch die Berliner den Einzug ins Viertelfinale in jedem Fall erreichen und den Heimvorteil in diesem entscheidenden Spiel nutzen. "Die Zuschauer können von uns 100 Prozent erwarten, schließlich ist es auch für uns ein Alles-oder-Nichts-Spiel", sagt Krauchuk. Zuletzt hatten die Volleys sich überraschend schwach präsentiert und kassierten in der Liga eine Niederlage in Lüneburg. Für die Partie gegen den türkischen Meister würden die Chancen nun "fifty-fifty" stehen, glaubt Geschäftsführer Kaweh Niroomand.
Die Fans werden also wohl ein spannendes Match zu sehen bekommen, das beide Teams um jeden Preis gewinnen wollen. Und das, obwohl der Sport für viele der Akteure gerade völlig im Hintergrund steht.
Sendung: rbb24, 14.02.2023, 18 Uhr