Kommentar | Entlassung von Sandro Schwarz - Eine Niederlage für die Hertha-Vereinsspitze
Für die Entlassung von Sandro Schwarz als Trainer von Hertha BSC gab es viele Argumente. Trotzdem sieht Herthas Führung dabei nicht gut aus: Sie hatte sich entschieden zum Weg mit dem Trainer bekannt - um ihn am Ende doch zu entlassen. Von Till Oppermann
Fast zwei Tage brauchte Hertha BSC, um offiziell zu verkünden, was längst sowieso alle wussten: Sandro Schwarz ist nicht mehr Trainer von Hertha BSC. Schon am Samstagvormittag hatte der glücklose Coach nach einem Gespräch mit Geschäftsführer Tom Herrich, Sportdirektor Benjamin Weber und Teammanager Andreas Neuendorf das Olympiagelände verlassen, noch während die Mannschaft durch den Nieselregen trabte.
Es folgten Beratungen der Vereinsspitze, die an eine Papstwahl erinnern. Immerhin: Während dieses herthanischen Konklaves kam lange nichts Handfestes an die Öffentlichkeit. Am Sonntag sickerte dann durch: Es übernimmt zum dritten Mal Pal Dardai, der Hertha schon zweimal vor dem Abstieg bewahrte.
So oder so: Für die sportliche Führung ist die Schwarz-Entlassung eine Niederlage. Sie hatte sich wieder und wieder zum gemeinsamen Weg mit dem Trainer bekannt und lange an ihm festgehalten.
Vereinsführung wollte Stabilität
Vielleicht folgte auf die Niederlage gegen Schalke deshalb dieses Wochenende der langen Wartezeit auf das Unausweichliche. Präsident Kay Bernstein und Sportdirektor Benjamin Weber wollten doch alles anders machen als ihre Vorgänger in den wilden Jahren mit Ex-Investor Lars Windhorst, in denen Hertha zwar ebenfalls gegen den Abstieg spielte, aber dabei seine Trainer wechselte wie Unterhosen.
Noch nach der desolaten 2:5-Niederlage auf Schalke sprach Weber von einer "klaren Haltung und Überzeugung", die der Klub habe, und führte aus, was zum Hertha-Weg gehören solle: "Wonach lechzen wir denn? Nach Kontinuität, nach Stabilität."
Gute Argumente gegen Schwarz
Weil aber die von Schwarz aufgestellte Abwehr gegen die schlechteste Offensive der Liga von Stabilität so weit entfernt war wie der Aquadom und Hertha deshalb kurz vor Saisonende auf den letzten Platz abrutschte, haben die Entscheidungsträger nun doch das Vertrauen in den Trainer verloren.
An Argumenten mangelt es ihnen nicht: Mit einem Durchschnitt von 0,78 Punkten in dieser Saison taumelt Hertha der zweiten Liga entgegen. Schwarz reagierte auf die Leistungen seiner Truppe zuletzt reichlich ratlos. Sogar der 36-jährige Prince Boateng rotierte wieder in die Startelf und sollte mit seinem maladen Körper leisten, was Spieler wie Suat Serdar selbst im besten Fußballeralter nicht können.
Mannschaft verantwortet Misere
Positiv formuliert haben die Hertha-Bosse mit ihrer Treue zu Schwarz lange den Reflexen des Profi-Fußballs widerstanden. Ihr Plan A war Sandro Schwarz und das ist eine verständliche Haltung. Dafür, dass Trainerwechsel nicht automatisch den Aufschwung garantieren, liefert die Bundesliga in dieser Saison einige Beispiele. Da muss man nur mal in München nachfragen.
Und Herthas Misere verantwortet in allererster Linie die von Fredi Bobic und Dirk Dufner zusammengestellte Mannschaft. Das wissen alle, die ihre regelmäßigen Totalausfälle im Stellungsspiel und Zweikampfverhalten sehen. Dennoch war eben Sandro Schwarz dafür verantwortlich, diese Mannschaft einzustellen.
Kein Plan B?
In der Hinrunde hatte Schwarz dabei mit seinem Pressing-Fußball noch verhaltenen Erfolg – zumindest spielte Hertha endlich nach einer erkennbaren Idee. Das wurde begleitet von einem Umfeld, das sich nach der Wahl von Bernstein so sehr eine ruhige Hertha wünschte, dass auch auf schlechte Spiele mit geschlossener Unterstützung reagiert wurde.
Während die Aufräumarbeiten der Windhorst-Gegenbauer-Trümmer mit der Freistellung leitender Mitarbeiter wie Bobic und Dufner, den Sorgen um die Lizenz und den Verhandlungen mit dem neuen Investor 777 viel Aufmerksamkeit brauchten, machte sich im sportlichen Kerngeschäft eine "Es wird schon alles gut gehen"-Haltung breit. Dabei gingen die Leistungen spätestens seit Jahresbeginn steil bergab.
In Gelsenkirchen verlor die Vereinsspitze dann das Vertrauen in ihren Plan A Sandro Schwarz. Dass sie nach seiner Abfahrt vom Friesenhaus so lange brauchten, um das auch Mitgliedern und Fans mitzuteilen, gibt kein gutes Bild ab. Die Hertha-Entscheider haben es versäumt, rechtzeitig einen Plan B zu entwickeln. Zu ihrem Glück war Pal Dardai – der beste Plan B auf dem Markt – nie wirklich ganz weg, weil er seine Hertha auch nach zwei hässlichen Trennungen noch liebt.
Sendung: rbb24, 16.04.2023, 18 Uhr