Dreierpack zum Auftakt - Unions Kopfballkönig Kevin
Eine neue Saison und Union Berlin feiert einfach weiter: Beim 4:1 gegen Mainz köpfte sich Kevin Behrens mit drei Toren zum Matchwinner. Er hat sich bei Union zu einem Topstürmer entwickelt. Von Till Oppermann
Das breiteste Grinsen von ganz Berlin hatte am Sonntagnachmittag Kevin Behrens. "Das ist ein geiles Gefühl", sagte der Angreifer nach dem Sieg seiner Unioner strahlend, als er auf seinen ersten Dreierpack in der Bundesliga angesprochen wurde. Nicht der 100 Millionen Euro-Stürmer Harry Kane führt nach dem ersten Spieltag die Torschützenliste an, sondern Behrens, für den in seiner ganzen Karriere trotz zahlreicher Wechsel kein Cent Ablöse bezahlt wurde. Dabei haben Kane und Behrens mindestens zwei Sachen gemeinsam: Sie beide sind tolle Stürmer und haben ihr Bundesligadebüt erst mit 30 Jahren gegeben.
Von der Regionalliga in die Champions League
Nur die Gründe für ihre späte Bundesligapremiere sind unterschiedlich. Während Harry Kane in seiner englischen Heimat in den letzten acht Jahren die meisten Tore in der besten Fußballliga der Welt erzielte und einfach erst jetzt nach Deutschland wechselte, kämpfte sich Behrens durch die unteren Profiklassen.
Wenn er nach Spielen wie gegen Mainz die "brutale Kulisse" lobt, meint er es ernst. Denn vor seinem inneren Auge hat er womöglich den ein oder anderen etwas besser befestigten Sportplatz, der in der Regionalliga als Stadion gilt. Auf seinem Weg zum 1. FC Union spielte Behrens lange viertklassig für Aachen, Essen und Saarbrücken. In wenigen Wochen wird derselbe Kevin Behrens dann in der Champions League auflaufen. Mehr Fußballromantik geht kaum.
Weiterentwicklung bei Union
Wobei man diskutieren könnte, ob es wirklich noch derselbe Kevin Behrens ist. Denn in seinen zwei Jahren bei Union hat er sich trotz seiner über 30 Jahre enorm entwickelt. Als Behrens 2021 in Berlin ankam, war er nach einer guten Zweitligasaison in Sandhausen eine risikofreie und günstige Alternative für den damaligen Rekordtransfer Taiwo Awoniyi. Behrens sollte lange Bälle festmachen und weiterleiten, mit seinem Körper dem Gegner wehtun. "Keilspitze" heißt das im Fußballjargon der Köpenicker Kaderplaner um Oliver Ruhnert und das ist genauso grobschlächtig gemeint, wie es klingt.
Zwei Jahre später tut er dem Gegner zwar immer noch weh. Doch inzwischen holt sich Behrens die Bälle auch flach im Mittelfeld ab und ist dabei so schwer zu stoppen, dass gleich zwei Mainzer für Fouls am Union-Stürmer eine gelbe Karte sahen. "Wenn man das letzte halbe Jahr sieht, ist es überragend für mich gelaufen", sagt Behrens, der sich mit seinen Toren in der Rückrunde der letzten Saison einen Stammplatz erkämpfte, aber mittlerweile auch zur spielerischen Entwicklung der Mannschaft beiträgt. "Aber ich habe auch hart dafür gearbeitet."
Behrens sieht aus wie ein Bademeister
Wie hart er gearbeitet hat, sieht spätestens dann jeder, wenn Unions Torjäger nach dem Spiel sein Trikot auszieht. Behrens hat den perfekten Körper, vielleicht wirken seine 1,85 Meter auf dem Platz deshalb so, als wäre er zehn Zentimeter größer. Der durchtrainierte Behrens sieht aus wie ein Bademeister und spielt wie eine deutsche Version von Edinson Cavani.
Hansi Flick habe trotzdem noch nicht angerufen, sagt Behrens allen Journalisten, die ihn schon für eine Option für die Nationalmannschaft halten. Ihn beschäftige das Thema aber auch nicht: "Ich versuche einfach hier Vollgas zu geben und meinen Job zu machen", so Behrens. Diesen Job beschrieb sein Trainer Urs Fischer am Sonntag so: "Kevin war da, wo er sein muss: Sehr präsent in der Box und er hat die Bälle attackiert." Gegen Mainz gewann Behrens zwölf Kopfballduelle, das sind dreimal so viele wie der beste Mainzer.
Stärken perfekt ausgespielt
Kevin Behrens ist ein gutes Beispiel für eines der Erfolgsgeheimnisse von Urs Fischer. Er macht Spieler erfolgreicher, indem er es ihnen ermöglicht, ihre Stärken optimal auszuspielen. Mainz-Verteidiger Stefan Bell klagte angesichts der drei Kopfballtreffer von Behrens: "Typisch Union, wenn man sie Flanken lässt, haben sie brutale Klasse." Diese Klasse besteht aber auch darin, dass Union die Flanken besonders gut vorbereitet.
Vor dem 2:0 startete beispielweise David Datro Fofana in die Tiefe und zog einen Mainzer Verteidiger aus der Kette. Danach spielte er zurück auf den zentralen Mittelfeldspieler Aissa Laidouni, der gemäß Unions Plan vorher auf die Außenbahn auswich. Bei dessen Flanke standen neben Behrens auch der andere Achter Brenden Aaronson und Linksverteidiger Jerome Roussillon im Strafraum. Was dann passierte beschrieb der Torschütze so: "Ich konnte mich ein bisschen lösen, ein bisschen Abstand erhaschen." Und "ein bisschen" dreimal einköpfen: Das gelang vor Behrens übrigens seit Beginn der Datenerfassung keinem Bundesligastürmer in nur einem Spiel.
Sendung: rbb24, 20.08.2023, 22 Uhr