Nach langem Leidensweg - Torgarant Tim Heike blüht bei Energie Cottbus auf
Tim Heike sollte Regionalligist Energie Cottbus eigentlich schon in der vorherigen Saison mit Toren helfen, doch den damaligen Neuzugang bremste eine schwere Knieverletzung aus. Nun ist der Stürmer bei hundert Prozent und trifft und trifft... Von Marc Schwitzky
Wenn's läuft, dann läuft's. In der 22. Spielminute nimmt Tim Heike einen vor den Strafraum gespielten Querpass ohne weitere Ballberührung direkt, die Kugel schlägt nach seinem brachialen Abschluss ansatzlos in den oberen Winkel ein. Doch der Angreifer ist noch nicht fertig. Beim Stand von 1:1 nimmt Heike in der 40. Minute einen Steckpass erneut mit einem perfekten Lauf auf, sprintet in den gegnerischen Strafraum und überlüpft den gegnerischen Torhüter technisch wunderschön zum 2:1.
Sein Tor sollte zum Siegtreffer und Heike mit seinen beiden Treffern zum Spieler des Spiels werden. Der 23-jährige Stürmer führt Energie Cottbus auch am 8. Spieltag der Regionalliga Nordost gegen die VSG Altglienicke zum Sieg. Saisontor sieben und acht lassen den gebürtigen Wolfenbütteler weiter auf einer Wolke schweben. Heike verkörpert derzeit das, was allgemeinhin als "Selbstverständnis" definiert wird. Dabei sah die Welt des Energie-Spielers vor kurzer Zeit noch ganz anders aus.
Schwere Verletzung bremst Heike aus
Bei Germania Halberstadt hatte Heike auf sich aufmerksam gemacht. In der Saison 2021/22 gelangen dem Offensivspieler elf Regionalliga-Tore, die ihn in das Blickfeld von Energie Cottbus brachten. "Wir haben ihn damals einen Tag, nachdem wir gegen ihn gespielt hatten, verpflichtet. Das macht man ja nicht, wenn man nicht überzeugt ist", erzählt Cottbus-Trainer Claus-Dieter Wollitz gegenüber rbb|24.
In der Lausitz verspricht man sich viel von dem in Wolfsburg und Braunschweig ausgebildeten Torjäger, doch die Vorfreude hält nur wenige Spiele: Von Oktober 2022 bis Februar 2023 fällt Heike mit einem Außenmeniskuseinriss aus, eine alte Verletzung war aufgebrochen. Nach der überstandenen Leidenszeit fand Heike nur schwer in vergangene Spielzeit hinein, meist als Einwechselspieler kam er noch zu 17 Einsätzen, in denen ihm drei Tore gelangen. Eine gebrauchte Debütsaison in der Lausitz, die Heike wohl kaum in die Notizbücher der Regionalliga-Beobachtenden gezaubert hat.
Großes Vertrauen von Energie Cottbus
Doch die Verantwortlichen bei Energie Cottbus ließen sich nicht beirren und vertrauten auf den Neuzugang. Im Dezember 2022 verlängerte der Regionalligist sogar den Vertrag des damals verletzten Heikes. "Wir sind von Tims Qualitäten, die wir zu Saisonbeginn auch schon sehen durften, absolut überzeugt. Er hat eine enorme physische Präsenz, Abschlussstärke und fantastische Laufwege, die unser Offensivspiel bereichern", stellt Wollitz damals klar. Der Trainer glaubt, dass "er noch stärker zurückkommen wird. Von daher war es uns wichtig, dass er auch über die Saison hinaus bei uns bleiben möchte."
Der Verein hat sogar solch großen Glauben an den 23-Jährigen, dass die Abgänge von Eric Hottmann und Nicolas Wähling, die 2022/23 zusammen 35 direkte Torbeteiligungen gesammelt hatten, nur mit Spielern aufgefangen werden, die Heike nicht die Aussicht auf Spielzeit versperren. "Ich glaube, Vertrauen und Anerkennung ist das Wichtigste. Man darf sich nicht manipulieren lassen, dass man noch neue Stürmer zu verpflichten hätte", so Wollitz deutlich.
Heike führt die Torjägerliste an
Stattdessen setzen die Lausitzer voll auf Heike – und der zahlt es mit acht Toren in acht Begegnungen zurück. Nur Jorden Winter vom FSV Luckenwalde hat ebenfalls acht Treffer erzielt, mit ihm führt Heike die Torjägerliste der Regionalliga Nordost an. "Ich habe immer gesagt: Der weiß nicht, wie gut er ist, denkt aber sehr viel nach, hinterfragt sich selber viel zu viel und ist sehr enttäuscht, wenn etwas nicht funktioniert. Deshalb braucht er meiner Ansicht nach maximale Unterstützung", erklärt Trainer Wollitz den besonderen Umgang mit seinem Schützling. Ihm hätte es, so der Übungsleiter, mental gar nicht gutgetan, neben sich noch mehrere Konkurrenten zu haben.
So blüht Heike nun voll auf und zeigt sein ganzes Potenzial. "Die größte Aufgabe war es, diese Überzeugung in ihn selber hineinzubekommen. Ich sehe ihn ja im Training: Abschlussstärke, beidfüßig, schnell, bei Standardsituationen ist er gut – was ein Stürmer braucht, hat er. In seiner Schusskraft hat er außergewöhnliche Fähigkeiten", setzt Wollitz zur Lobeshymne an. Tatsächlich kommt Heike als beeindruckend kompletter Stürmer daher, athletisch wie technisch schwebt er womöglich sogar über dem Niveau der vierten Liga. Heike überzeugt sowohl mit Wucht als auch Eleganz.
Ein herausragendes Duo mit Timmy Thiele
Maßgeblich unterstützt wird Heike dabei von Sturmpartner Timmy Thiele. Der 32-Jährige schloss sich im Januar dieses Jahres Energie Cottbus an und hatte zunächst selbst Anlaufschwierigkeiten bei den Lausitzern. Zusammen aber bilden die beiden Angreifer ein schwer zu verteidigendes Duo. "Es hat sich schon die letzten Spiele immer mehr eingegroovt zwischen uns. Wir verstehen uns sehr gut und kommen in dieser Konstellation sehr gut miteinander aus. Ich kenne seine Laufwege, er meine", sagt Heike selbst. "Zunächst hieß es immer nur: er oder ich. Da haben wir öfter drüber gesprochen: Warum spielen wir nicht einfach beide? Dann ist es einmal so gekommen und hat auf Anhieb gut funktioniert. Das entwickeln wir nun Spiel für Spiel weiter."
Bereits zwölf Saisontore haben die beiden Stürmer gemeinsam erzielt, dazu hat Thieles Partner Heike beim jüngsten Ligaerfolg gegen Altglienicke zum ersten Mal einen Treffer direkt aufgelegt. "Es ist schön, dass die Beiden sich so gefunden haben, weil wir grundsätzlich gerne in diesem 4-3-3 spielen, um unsere Abläufe und Prinzipien abrufen zu können. Sie machen es sehr ordentlich, zwölf Tore sprechen für sich", zeigt sich Coach Wollitz höchst zufrieden.
Der Kipppunkt
Der Beginn all dessen war laut Thiele der dritte Spieltag. Nach nur einem Punkt aus den ersten zwei Spielen setzte Energie auch die erste Halbzeit gegen Hansa Rostock II in den Sand. "Das war eine ganz kritische Phase bei uns: ein holpriger Start, dann so ein Auswärtsspiel mit einem 0:2-Rückstand", erzählt Thiele. "Das ist natürlich unangenehm und kann in eine ganz andere Richtung gehen." Doch Cottbus lehnte sich auf und drehte mit Joker Heike, der nach seiner Einwechslung zwei Tore erzielte, das Spiel. Mit dem 3:2-Sieg sorgte Cottbus für einen Umschwung, der anhält.
Seitdem haben die Lausitzer kein einziges Spiel mehr verloren, sechs Siege und zwei Unentschieden reihen sich aneinander. Nur drei Punkte trennen den FC Energie von Tabellenführer Greifswald. Sollte das Duo Heike-Thiele weiter so harmonieren, könnte auch dieses Hindernis überwunden werden. Die Geschichte von Tim Heike bei Energie Cottbus zeigt: Geduld zahlt sich aus.
Sendung: rbb24, 27.09.2023, 21.45 Uhr