Herthas 2:3 in Karlsruhe in der Analyse - Eine vielversprechende Niederlage
Hertha spielt gegen den Karlsruher SC eines seiner besseren Saisonspiele, verliert aber mit 2:3. Die Niederlage bestätigte vielversprechende Ansätze, aber auch anhaltende Probleme der Berliner. Trainer Dardai trifft keine Schuld. Von Marc Schwitzky
"Im Fußball zählt immer nur der nächste Pass", erklärt Pal Dardai immer wieder. Der Trainer von Hertha BSC weiß, dass es im Geschäft Profi-Fußball stets das neue Ziel braucht. Vergangene Erfolge zählen wenig. Angesichts des gesicherten Platzes zwischen oberer Tabellenhälfte, dem Mittelfeld und der geringen Aussicht auf das Erreichen von Rang drei, setzte der Ungar zuletzt einen Reiz für die nächsten Wochen. "Wir wollen zeigen, dass wir dreimal hintereinander gewinnen können. Das haben wir lange nicht geschafft."
Genau genommen gelang der "alten Dame" solch eine Serie zuletzt zwischen September und Oktober 2019. Damaliger Trainer? Nicht Pal Dardai, sondern sein damaliger Nachfolger Ante Covic. Dardai selbst gelang solch ein Dreierpack zuletzt zu Beginn der Saison 2016/17. Nach der 2:3-Niederlage beim Karlsruher SC muss Dardai einen neuen Versuch unternehmen, jene Serie zu wiederholen. Dabei traf den 48-Jährigen am Sonntag wenig Schuld.
Teile der Zutaten waren vorhanden
Doch was braucht es eigentlich, um gleich dreimal hintereinander als Sieger vom Platz zu gehen? Da wäre zum einen Konstanz. Und hierfür auch personelle Stabilität. Trainer Dardai sorgte dafür, indem er dieselbe Startelf gegen den KSC auf den Rasen schickte wie beim 4:0-Erfolg gegen Rostock aus der Vorwoche. Wenig überraschend, hatte der Heimsieg kaum Anlass für Kritik und somit personelle Umstellungen gegeben.
Jene Zutat verträgt sich bestens mit einer weiteren: Ein festes System und einstudierte Abläufe. Beim Sieg über Rostock stellte Dardai erstmals seit langer Zeit wieder auf ein 4-3-3 um - das System der ersten Saisonphase. Die etwas andere Aufteilung im Mittelfeld im Vergleich zum vorher üblichen 4-2-3-1 kam den Berlinern sichtlich zugute - so auch gegen Karlsruhe. Dort knüpften Herthas erste 30 Minuten an, wo die Berliner gegen Rostock aufgehört hatten - an famosen Ballbesitzfußball.
Die Hauptstädter bauten in einem 3-3-3-1 auf, in dem einer der Außenverteidiger neben die Innenverteidiger rückte und so eine Dreierkette entstehen ließ. Der andere Außenverteidiger, meist Michal Karbownik, rückte dafür ins Mittelfeldzentrum ein oder auf der Außenbahn weit nach vorne auf. Auch die zentralen Mittelfeldspieler ließen sich immer wieder in Halbräume fallen. So gelang es Hertha, die Deckung des KSC immer wieder durcheinanderzubringen und Räume für vor allem Flügelspieler Fabian Reese zu öffnen.
Hertha agierte entgegen seiner eigenen Natur
Immer wieder gab es äußerst ansehnliche Ballpassagen, die ins letzte Drittel führten und Gefahr auslösten. Dabei agierten die Gäste auch überaus geduldig. Am Ende der Begegnung hatte Hertha 53 Prozent Ballbesitz verzeichnet. Mit durchschnittlich 47,2 Prozent Ballbesitz liegt die Mannschaft im Ligavergleich ansonsten auf Rang zwölf. Aus der Umschaltmannschaft ist gegen Rostock und den KSC ein Ballbesitzteam geworden.
Hertha konnte aber auch anders. Ergab sich die Lücke, wurde das Spiel urplötzlich pfeilschnell. So wie in der 23. Minute, als Innenverteidiger Marc Oliver Kempf, den startenden Reese erspähte und ihn mit einem hervorragenden langen Ball bediente. Reese war daraufhin nicht mehr einzuholen und legte das Tor von Haris Tabakovic zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleichstor auf.
Hertha schläferte sich selbst ein
Doch die meiste Zeit war Herthas Ballbesitzspiel ruhig angelegt, irgendwann allerdings zu ruhig. Die Berliner kontrollierten das Spiel zwar, doch mit der Zeit mangelte es den eigenen Aktionen an Punch. "Wir sind hier zum Fußballspielen, nicht zum Schlafen", brüllte Trainer Dardai seinen Spielern um die 40. Minute herum entgegen.
Und so schläferten sich die Berliner selbst ein. War es beim 0:1 noch der entscheidende Zweikampf im Strafraum, den Hertha nicht bestritt, war es beim 1:2-Treffer des KSC eine eher kollektive Schlafmützigkeit. Die Berliner verteidigten bei langen Bällen des Gegners die Tiefe nachlässig, konnten so die einfache Flanke und den daraus resultierenden Kopfballtreffer von Igor Matanovic nicht verhindern. "Wir haben in der ersten Halbzeit in manchen Momenten dominiert, aber waren zu hochnäsig", fasste Tabakovic zusammen.
Die letzten Prozentpunkte fehlen
Dem Rückstand lief Hertha den Rest des Spiels hinterher, ohne aber aufzustecken. Die Berliner spielten weiter konstruktiv nach vorne, erspielten sich eine Vielzahl an sehr vielversprechenden Angriffen, denen jedoch zu oft der entscheidende Pass, der Abschluss oder schlicht das letzte Quäntchen Glück fehlte.
Zudem war es lobenswert, dass Hertha bei allen Offensivbemühungen defensiv keine größeren Strukturprobleme zuließ. Die Mannschaft verteidigte weiterhin konsequent als Verbund, gewann viele zweite Bälle und ließ nur wenige Karlsruher Umschaltmomente zu. Und dennoch fiel auch das dritte Gegentor. In der 77. Minuten verteidigten die Berliner erneut zu passiv, ein einfacher Doppelpass nahm gleich drei Herthaner aus dem Spiel, sodass Marvin Wanitzek zum 1:3 einnetzen durfte. Schwächen einer Defensive, die in der Rückrunde die meisten Gegentreffer der gesamten zweiten Liga kassiert hat.
Keine Niederlage wie die andere
Zwar kam Hertha durch einen verwandelten Foulelfmeter noch zum 2:3-Anschlusstreffer, die Niederlage konnte aber nicht mehr verhindert werden. Die Enttäuschung im Berliner Lager dürfte groß sein - doch nicht aus denselben Gründen wie bei anderen Niederlagen. Denn diese Niederlage war keine wie andere. Selten hat der Hauptstadtklub ein Spiel verloren, in dem er die eigentlich bessere Mannschaft war. Trainer Dardai hatte seine Spieler gut eingestellt, ihnen klare Muster im Ballbesitz an die Hand gegeben und so an das Rostock-Spiel angeknüpft. Daraus ergaben sich 53 Prozent Ballbesitz, 19:9 Torschüsse und ein xGoals-Wert von 2,27 zu 0,66. Hertha hat sich gegen den KSC weit mehr erspielt als bei so manchem Saisonsieg.
Hertha hat nicht verloren, weil es spielerisch nicht gereicht oder es kein klares Konzept gegeben hätte. Hertha aufgrund von kleinen Nachlässigkeiten in der Defensive, mangelnder Effizienz und einem eiskalten Gegner verloren. Es sind genau diese Niederlagen, die sich ein Verein in einer Übergangssaison erlauben darf. Weil Ansätze zu erkennen waren, die sich über das einzelne Spiel hinaus bezahlt machen werden. Ja, es bleiben Kritikpunkte: Hertha muss die individuellen Abwehrfehler abstellen und im letzten Drittel noch bessere Entscheidungen treffen. Auch das Spiel durchs Zentrum muss sich noch verbessern.
Doch sind all das Probleme, die angegangen werden können. Anders als viele Spiele zuvor macht das 2:3 in Karlsruhe nicht die grundsätzlichen Fragen wie die um die Trainerpersonalie auf. Gegen Karlsruhe fehlten Details. Details, die die Verantwortlichen ärgern, aber nicht zweifeln lassen müssen. Das Rezept zum dritten Sieg infolge mag noch nicht geklappt haben, einige Zutaten sind aber schon da.
Sendung: rbb24, 21.04.2024, 21:45 Uhr