Interview | VfL Potsdam in der Handball-Bundesliga - "Unser Glaube und unser Wille sind ungebrochen"
Der VfL Potsdam bestreitet sein erstes Jahr in der Handball-Bundesliga nur mit Spielern unter 30. Trotz des schwachen Saisonstarts glaubt der sportliche Leiter Axel Bornemann daran, dass diese Philosophie für den Klassenerhalt reichen kann.
rbb|24: Herr Bornemann, nach der Niederlage in Kiel war häufig zu lesen, der VfL Potsdam habe lange gut mitgehalten und dem Rekordmeister ein enges Spiel geliefert. Was hat gefehlt zum ersten Punktgewinn?
Axel Bornemann: Wir sehen, dass wir mit 27 Gegentoren in Kiel eine sehr gute Abwehrleistung hatten. Ich finde auch, dass unser Torhütergespann mit Frederik Höler und Martin Tomovski immer besser harmoniert. Im Moment ist unser Manko, vorne die Tore zu erzielen. Doch man muss sagen, dass uns gegenüber jetzt ein Andi Wolff (Nationaltorhüter Andreas Wolff, Anm. d. Red.) steht, die Nummer 1 in Deutschland, die einfach eine viel höhere Qualität hat. Und gegen diese Qualität dürfen wir jetzt antreten, dürfen uns beweisen und uns zeigen gegen Gegner, die einfach Weltniveau oder zumindest internationales Niveau haben.
Würden Sie sagen, dass nach diesen sechs Spielen schon eine Anpassung an die Bundesliga stattgefunden hat, oder ist der Sprung zwischen 2. und 1. Liga so groß, dass Ihre Mannschaft noch mehr Zeit braucht?
Wir haben keine Zeit zu verlieren und wir wünschen uns jetzt schon Pluspunkte auf der Habenseite, die wir auch dringend und schnellstmöglich benötigen. Nichtsdestotrotz sind das Welten zwischen der 1. und der 2. Liga - hier die stärkste Liga der Welt und da die 2. Liga. Das ist vom Niveau der Gegenspieler etwas ganz anderes und auch der Rahmen verlangt dir einiges ab, worauf du dich als junger Spieler einstellen musst, wenn du in Kiel vor über zehntausend Zuschauern - sozusagen in der Kathedrale des europäischen Handballs - auflaufen darfst. Wir sind in diesem Lernprozess, aber ich glaube, dass wir den größten Entwicklungsprozess aller Teams in der Liga nehmen werden. Ich finde, wir sind nicht weit weg. Und wir werden knallhart weiterarbeiten. Wir werden noch härter arbeiten, mit jeder Niederlage werden wir noch stärker arbeiten. Der Glaube ist ungebrochen, der Wille ist ungebrochen und wir werden so knallhart arbeiten, dass wir uns die Punkte verdienen werden.
Die Leistungsträger aus dem Aufstiegsjahr mussten Sie abgeben, Zweitliga-Torschützenkönig Max Beneke und Torwart Lasse Ludwig spielen jetzt für Ihren Kooperationspartner, die Füchse Berlin. Sehen Sie trotzdem die Qualität Ihrer Mannschaft so, dass Sie sagen, mit dieser Mannschaft ist der Klassenerhalt in der Bundesliga realistisch?
Ja. Wir vertrauen unserem Team sehr. Unsere Aufgabe ist es außerdem nicht, hier nur Punkte einzusammeln, sondern für uns steht die Entwicklung und die Ausbildung der Jungs zu gestandenen Bundesligaspielern an oberster Stelle, idealerweise sogar zu internationalen Größen. Wir wussten, dass wir Qualität entwickeln müssen, und das werden wir im Laufe dieser Saison tun und das machen wir auch schon von Spiel zu Spiel. Man kann immer stärker sein im Kader, aber wir haben uns auf die Fahne geschrieben, auszubilden und zu entwickeln und von der Philosophie rücken wir nicht ab.
Seit dem Aufstieg ist der VfL Potsdam Ligakonkurrent der Füchse Berlin. Inwiefern profitieren Sie trotzdem weiter von der Kooperation?
Wir profitieren in der Gesamtheit, von der Erfahrung eines Spitzenteams in der Bundesliga. Es geht bei den Strukturen der Geschäftsstelle los über die sportliche Leitung, ob es Stefan Kretzschmar (Sportvorstand der Füchse, Anm. d. Red.) ist oder Bob Hanning, der auch bei uns als Head of Sports agiert. Wir schauen uns an, wie die Infrastruktur im Nachwuchsleistungszentrum der Füchse aussieht, meiner Meinung nach dem besten in Deutschland. Wir schauen, was wir daraus lernen können. Wir profitieren im Austausch der Trainer, im Austausch der medizinischen Abteilung. Da könnte ich stundenlang weiter aufzählen. Obwohl es uns viele absprechen, profitieren wir weiterhin, auch wenn beide Klubs nun in der 1. Liga spielen.
Ist es ein realistisches Ziel, sich mit dem VfL Potsdam in der Bundesliga zu etablieren?
Wir wollen die höchstmögliche Spielklasse für unsere jungen Leute. Wir möchten einfach jungen Leuten hier die Chance geben, Spielpraxis zu sammeln. Das ist das Angebot, das wir machen und das werden wir weiterhin tun. Wir haben wirklich eine Entwicklungspyramide, angefangen bei der C-Jugend an den beiden Sportschulen in Berlin und in Potsdam. Und so entwickeln wir unsere eigenen Talente. Weil wir Wert auf eine hohe Identifikation legen. Aber wir bieten es allen Spielern an, die woanders nicht ihre Möglichkeit bekommen. Denn die Spieler profitieren am meisten, wenn es im Wettkampf um Punkte geht und du dich zum Beispiel in Kiel mit den weltbesten Spielern messen darfst.
Am Samstag spielen Sie zuhause gegen den VfL Gummersbach. Woran wird denn jetzt im Training verstärkt gearbeitet?
Wir müssen in der Offensive präziser werden, uns noch mehr Würfe nehmen. Wir müssen noch wettkampfnäher trainieren. Ich glaube, dass die Abwehr gut ist, dass das Zusammenspiel bei uns passt. Aber wir müssen Tore werfen und zum Beispiel das Spiel der gegnerischen Abwehr kleinteilig und differenziert analysieren. Wir müssen nach einer Niederlage aber nicht den gesamten Entwicklungsweg in Frage stellen. Und man muss auch klar attestieren, dass die Liga im Tabellenkeller wirklich schwächelt. Wir haben eine Chance und wir wollen schnellstmöglich da unten mitspielen. Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen und davon rücken wir nicht ab.
In der Stadt haben Sie in Turbine Potsdam, dem SC Potsdam oder den Potsdam Royals starke Konkurrenz, was die Gunst der Zuschauer und der Sponsoren angeht. Wie sehen Sie sich da jetzt positioniert?
Ich glaube, dass wir eine superattraktive Sporart anbieten. Natürlich würden wir uns wünschen, in der stärksten Liga der Welt vom ersten Spieltag an die Halle immer ausverkauft zu haben. Aber wir wollen keine Konkurrenz zu den anderen Vereinen darstellen. Ich finde, diese Stadt hat so viel Leistungssport zu bieten. Wer Bock auf Sport hat, ist in Potsdam super aufgehoben, aber Handball ist eben der geilste Sport (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Tabea Kunze, rbb Sport.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.10.2024, 12:15 Uhr