Interview | Kampf um Lützerath aus Lausitzer Sicht - "Die Region ist möglicherweise ganz froh, dass es ein Stück weit weg ist"
Der Kampf von Braunkohlegegnern gegen die Abbaggerung des Dorfes Lützerath für den Braunkohleabbau sorgt für Aufsehen und Debatten. In der Lausitz betrachte man den Kampf eher distanziert, sagt Andreas Rausch, Leiter des rbb-Studios Cottbus im Interview.
rbb: Andreas Rausch, wie werden die Proteste in Lützerath in der Lausitz verfolgt?
Andreas Rausch: Ich würde sagen, mit einem leicht distanzierten Schaufenster-Blick - gerade die Information, dass bundesweit heute Fridays for Future zu Solidaritätskundgebungen aufruft. Aber vielleicht sagt es genug aus, wenn mir hier in der Lausitz keinerlei solcher Demonstrationen oder Kundgebungen bekannt sind.
In der Tat ist es so, dass auch die Lausitz in den letzten Jahren immer mal wieder Schauplatz war von Auseinandersetzungen zwischen Klimaaktivisten und der Politik beziehungsweise der Kohlelobby. Das haben wir hier auch erlebt. Allerdings lässt sich das an einer Hand abzählen. Und dann muss man wahrscheinlich feststellen, dass für die Klimaschutzbewegung die Lausitz vielleicht auch ein Stück weit weg von den großen Schmelzpunktes des Protestes ist, und es auch sehr mühsam ist, hier so tief in den Osten einzutauchen. Insofern schaut sich die Region das an und ist möglicherweise nicht ganz unfroh, dass es ein Stück weit weg ist.
Auch in der Lausitz wird noch ein Dorf abgebaggert, genauer gesagt in Sachsen, kurz hinter der Brandenburger Landesgrenze: Mühlrose. Ist das klar, dass das kommt?
Das wird so kommen. Denn die Pläne zum Abbaggern des Dorfes Mühlrose für den Tagebau Nochten liegen schon weit vor dem Kohlekompromiss der Kohlekommission und dann dem Kohleausstiegsgesetz vor zweieinhalb Jahren. Braunkohle ist immer ein langfristiges Geschäft. Das hat viel mit Planungssicherheit zu tun. Aber in der Tat flammte dann noch mal kurz Protest auf. Aber jetzt ist es so, dass seit August die LEAG als Eigentümerin des Geländes dort angefangen hat, den Ort abzubrechen.
Der Ort ist nicht mehr lebenswert. Man muss sich das vorstellen, man lebt auf einer Insel, ähnlich wie Lützerath. Direkt vor der Nase ist eine Braunkohle-Grubenkante, da geht es hundert Meter tief in die Erde. Das Grundwasser abgepumpt, man kann also seinen Garten nicht mehr wässern. Und die Lebensqualität ist dort so, dass man in der Tat abwägt und sagt, am besten die Heimat abgeben. Und das ist in Mühlrose so erlebt worden. Es gibt dort zwei, drei Häuser, die noch von Einwohnern bewohnt werden. Der Rest ist schon längst weggezogen und hat sich auch mehrheitlich verbeten, dass der Ort instrumentalisiert wird für eine größere Auseinandersetzung um das Thema Klimaschutz.
Also auf der einen Seite sind die Brandenburger und auch Sachsen deutlich gelassener, was das angeht. Auf der anderen Seite sind sie entschiedener, nicht früher auszusteigen aus der Braunkohle. Denn das ist im Westen der Deal, dass RWE nicht 2038, sondern schon 2030 aussteigt aus der Kohle, und dafür eben noch Lützerath bekommt. Warum lehnt Brandenburg einen früheren Kohleausstieg so vehement ab?
Zum einen berufen sich die ostdeutschen Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg gemeinsam auf den Kohlekompromiss. Der ist ja gesellschaftlich mühevoll ausgehandelt worden und man hat sich auf das Jahr 2038, möglicherweise schon 2035 für ganz Deutschland verständigt. Auf der anderen Seite ist es so, dass im RWE-Gebiet rund um Lützerath in Nordrhein-Westfalen der Kohleausstieg 2030 im Grunde eine Zeitverschiebung nach vorne ist: Denn in der Zeit bis 2030 kann RWE noch sehr viel mehr Kohle und am Ende ist der Effekt für das Klima gar nicht so groß. Und die Debatte, die um dieses Ausstiegsdatum 2030 oder 2038 läuft, ist im Wesentlichen nicht mehr eine Arbeitsplatz-Debatte und eine Strukturwandel-Debatte, sondern eine Versorgungssicherheits-Debatte.
Jetzt im Moment bringt noch keine Photovoltaikanlage ein Watt Leistung ins Netz. Wir haben noch keine Stromspeicher, wir haben noch kein ausgebautes Stromnetz. Und da gibt es schlicht die Debatte, wenn wir zu zeitig aus Kohle aussteigen, parallel aus Atomstrom, dass es nicht genug Strom gibt, um diese Industrienationen Deutschland am Leben zu erhalten.
Um da kurz einzuhaken: Es gibt ja auch den EU-Emissionshandel, gerade ab 2030 wird der den Kohlestrom extrem teuer machen. Da gibt es dann auch die Debatte zu sagen, lieber gezielt und begleitet von der Politik ab 2030 aussteigen, als kalt erwischt zu werden. Wie wird das hier debattiert?
Das ist richtig. Der Ausstieg läuft quasi schon. Zwar wurden jetzt im Zuge des Russlandkrieges in der Ukraine alte Meiler noch mal verlängert. Aber in der Tat ist es so, dass über den Zertifikate-Handel, das Thema CO2 in die Luft zu blasen, für die Unternehmen zunehmend teurer wird, auch schon in den letzten Jahren teurer geworden ist. Aber wie gesagt, es tobt die Debatte. Wir haben im letzten Jahr auch trotz der extrem hohen Gaspreise viel Gas verbrannt, um Strom zu erzeugen. Wenn am Ende das Thema Versorgungssicherheit oder Blackout auf der auf der Tagesordnung steht, bezweifle ich, dass eine reine Preisdebatte dazu führen wird, dass wir aus der Kohle aussteigen.
Andreas Rausch, danke für das Gespräch.
Das Interview führte Angela Ulrich für rbb24 Inforadio. Es handelt sich um eine redigierte Fassung. Die Audiofassung können Sie anhören, wenn Sie oben links auf das Symbol im Bild klicken.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.01.2023, 07:05 Uhr