Stadtflucht nach Brandenburg - Zugezogene und Alteingesessene halten Joachimsthal am Leben

Fr 21.04.23 | 17:21 Uhr | Von Franziska Eberlein
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Der Werbellinsee im Biosphärenreservat Schorfheide (Bild: dpa/Patrick Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 21.04.23 | Franziska Eberlein | Bild: dpa/Patrick Pleul

Kleine Orte auf dem Land werden für Großstädter beliebter. Im brandenburgischen Joachimsthal leben inzwischen viele Zugezogene. Sie bestreiten, dass es Konflikte mit den Alteingessesenen gibt - und prägen das Kulturleben des Ortes.

In Joachimsthal (Landkreis Barnim) lebt seit einiger Zeit eine große Gemeinschaft von Zugezogenen, viele von ihnen kommen aus dem Ausland. Damit folgt die Barnimer Kleinstadt einem aktuellen Trend: Der Umzug auf das Land wird für Großstädter zunehmend attraktiv.

In Joachimsthal gebe es auch deswegen inzwischen wenige Möglichkeiten, Immobilien zu erwerben oder Schulplätze zu ergattern, sagte Sarah Phillips, Projektleiterin von Biorama, dem rbb. "Wir werden oft gefragt, ob wir einen Ort kennen, wo Leute eine Immobilie kaufen oder mieten können – sie wollen raus aus der Stadt", so Phillips. Dieser Wunsch komme vor allem von jungen Menschen mit Kindern.

Natur und Ruhe im Alter zunehmend wichtig

Insbesondere im Alter merke man, dass die Natur und die Ruhe eine große Rolle im Leben spielen. Auch deshalb entschloss sich Phillips zusammen mit Ihrem Mann vor 20 Jahren nach Joachimsthal zu ziehen und das Biorama Projekt zu eröffnen – zuvor lebte das Paar unter anderem in England, Spanien und Hongkong, wie sie sagte.

Die Gemeinschaft in Joachimsthal sei besonders, zudem gebe es eine große Vielfalt an Sachen zu unternehmen und lieben, sagte die gebürtige Engländerin.

Laut Angaben des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung haben deutsche Großstädte im Jahr 2021 durch Umzüge so stark an Bevölkerung verloren wie zuletzt im Jahr 1994. Den Angaben zufolge ist die Zahl der Fortzüge in kleinere Städte und ländliche Regionen im Vergleich zum Jahr 2019 um 1,8 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Zuzüge in Städte mit mehr als 100.000 Einwohner ist dagegen um 5,4 Prozent gesunken.

Aus Berliner Drei-Zimmer-Wohnung in Joachimsthaler Landhaus

Die attraktiven Seiten des Landlebens könne auch Brigitte Koppehl gut nachvollziehen. Vor zwei Jahren zog die Pfarrerin aus einer Drei-Zimmer-Wohnung im dritten Stock in Berlin in ein Haus mit Garten in der Gemeinde am Rande der Schorfheide.

Die dreifache Mutter habe gerne in der Stadt gewohnt, sei dennoch sehr glücklich in Joachimsthal. "Ich kann auf jeden Fall verstehen, dass der Wunsch bei vielen da ist", sagte Koppehl. Insbesondere für Ihre Kinder wäre das Leben auf dem Land eine Möglichkeit sich freier sicherer und eigenständig zu bewegen.

Bilder von dem BAFF Programm in der Kirche aufgehangenDas BAFF-Projekt der Kirchengemeinde kommt gut bei Kindern und Jugendlichen der Gemeinde an

Mehr Möglichkeiten auf Gemeinschaft und Wohnraum

Auch der Engländerin Ruth Butterfield fehle das Stadtleben nicht – seit 16 Jahren wohnt die Englischlehrerin in Joachimsthal. "Joachimsthal, ist ein kleiner Ort und so lernt man sich schnell kennen. In der Großstadt ist es viel unpersönlicher. Die meisten Leute haben einen Kachelofen und eine gemütliche Küche. Die Häuser sind im Durchschnitt dann größer als in der Stadt, wenn man nur eine Wohnung hat", sagt Butterfield.

Auch das kulturelle Angebot sei für die Bevölkerungsdichte gut – derzeit hat Joachimsthal etwas über 3.000 Einwohner:innen. Butterfield engagiert sich in der Gemeinde für ein ausgewogenes Kulturprogramm und renovierte vor einigen Jahren zusammen mit Ihrem Mann den Heidekrug-Saal – aus eigener Tasche. Im Heidekrug finden heutzutage wöchentliche unter anderem Kinoabende, Konzerte und Theatervorführungen statt.

Konflikt zwischen Zugezogenen und Alteingesessenen "erfunden"

Doch wie so oft in ländlicheren Regionen redet man auch in Joachimsthal von Konflikten zwischen Zugezogenen und Alteingesessenen. Jedoch binde das bunte gesellschaftliche Programm jung und alt in der Stadt zusammen, sagte die Englischlehrerin. "Dieser Konflikt ist irgendwie erfunden. Mir scheint es so, als würden alle gut miteinander klarkommen und wir lernen voneinander." Die Engländerin habe von Anfang an einen guten Anschluss gefunden.

Auch Phillips vom Biorama-Projekt nehme die Problematik nicht wahr und habe sich in Joachimsthal gut aufgenommen gefühlt. "Wir haben am Anfang gesagt, dass wir unser Projekt nicht weitermachen würden, wenn wir keine Unterstützung bekommen oder wir nicht akzeptiert werden. Aber von Anfang an haben wir immer gute Beziehungen gehabt”.

Phillips arbeite täglich mit ihrer Mitarbeiterin aus Joachimsthal zusammen und engagiere sich im Heimatverein. Auch regelmäßige Besuche im Biorama-Café erfreuen die Projektleiterin. "Eine fast 90-jährige Frau aus Joachimsthal liebt unseren Ort und kommt regelmäßig, um mit mir zu quatschen und Kaffee und Kuchen zu bekommen", so Phillips weiter.

Ladenschließungen - schläft die Stadt ein?

Auch das Schließen von Geschäften ist in ländlichen Regionen oft ein Sorgenthema. In Joachimsthal mangele es, wie oft wahrgenommen, nicht an Bedarf. Dass Läden nach und nach schließen, sei die Auswirkung einer normalen generationellen Entwicklung, sagte Butterfield. Wenn der Bäker in Berlin schließt, falle es niemandem auf – in einer kleinen Gemeinde wie Joachimsthal würde man gleich davon sprechen, dass die Stadt einschäft, so Butterfield.

"Alle Städte schlafen mehr oder weniger ein. Die Gesellschaftsstruktur hat sich geändert und vor allem wenn man was kaufen will, kann man es im Internet bestellen. Aber das ist schon ein Vorteil für Menschen, die auf dem Land leben, dass man nicht hundert Kilometer fahren muss, um beispielsweise Wanderschuhe zu kaufen. Das trauern manche vielleicht ein bisschen nach." Butterfield finde die modernen Möglichkeiten würden das Landleben attraktiver machen.

Joachimsthal Heidekrug-Saal von InnenDer Heidekrug-Saal bietet viel Raum - bis zu hundert Leute waren schon zum Kinoabend dort

Kulturprogramm zum erhalten der Gemeinschaft

In Joachimsthal arbeite man gemeinsam dafür, die Gemeinde zu stärken und den Ort auch attraktiv für Besucher:innen zu machen, sagt Phillips. Derzeit kann man im Biorama-Projekt die Ausstellung "Sea of Change” (See der Veränderung) betrachten – eine Kunstausstellung, die sich der Plastikverschmutzung unserer Ozeane widmet.

Zudem soll es Anfang Juni ein Konzert im Rahmen des Projekts der Kirchengemeinde "Bands auf festen Füßen" geben – ein Projekt, in dem sich Kinder und Jugendliche in Verbänden von Tanzgruppen und Bands mit Musik auseinandersetzen können, erklärte Pfarrerin Koppehl. Das vor 27 Jahren gegründete politische Projekt gegen Fremdenfeindlichkeit, für Toleranz und Offenheit würde das Engagement der Gemeinde Joachimsthal wiederspiegeln, sagte Butterfield dem rbb.

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.04.23, 14 Uhr

Beitrag von Franziska Eberlein

4 Kommentare

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  1. 4.

    Hab öfter auch schon anderes gehört, das der Bauer verklagt wird weil der Hahn zufrüh kräht oder der Misthaufen stinkt.etc.

  2. 3.

    Auch ein buntes Programm an Schreib- und Grammatikfehlern, die Fälle bunt gemischt,
    ein neuer Tante-Emma-Laden.

  3. 2.

    Zugezogene können entleerete Orte bereichern. Bei Berlinern kann das aber auch manchmal anstrengend sein. Eigentlich nur logisch, aus Berlin zu verschwinden.

  4. 1.

    Zugezogene können entleerete Orte bereichern. Bei Berlinern kann das aber auch manchmal anstrengend sein. Eigentlich nur logisch, aus Berlin zu verschwinden.

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