Trockene Böden in Brandenburg - "Der Regen ist jetzt ungefähr auf zwei Meter Tiefe angekommen"

Do 16.03.23 | 17:24 Uhr | Von Tanja Lange
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Jörg Haase kontrolliert Lysimeter
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 15.03.2023 | Nachrichten | Bild: rbb

Der Winter war bislang vergleichsweise nass und feucht. Doch die Dürren der vergangenen Jahre haben den Böden zu schaffen gemacht. Ob die Niederschläge für Entspannung gesorgt haben, erfoschen Wissenschaftler in Ostbrandenburg. Von Tanja Lange

Wissenschaftler Jörg Haase ist auf Kontrollgang im uckermärkischen Dedelow. Routinemäßig schreitet er über ein Feld, auf dem mehrere große Zylinder in den Boden eingelassen sind. Gefüllt mit Erde liefern die sogenannten Lysimeter Daten darüber, wie viel Wasser der Boden speichern kann.

Direkt daneben befindet sich ebenfalls unterirdisch eine Messstation. Über eine Leiter klettert Haase hinunter und prüft mit Sickerwasser gefüllte Flaschen: die Ausbeute der vergangenen Niederschläge. Anhand der Messungen kann der Wasser- und Stoffhaushalt des Bodens in Abhängigkeit von der jeweiligen Nutzung sowie den klimatischen Verhältnissen untersucht werden.

Lysimeter-Netzwerk in ganz Deutschland

Weitere solcher Testfelder sind über ganz Deutschland verteilt. Ausgewertet werden die dort gesammelten Daten vom beteiligten Leibniz-Zentrum für Agrar- und Landschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Es ist eines der Mitglieder des sogenannten Lysimeter-Netzwerkes. Gemeinsam mit weiteren Forschungseinrichtungen werden die Daten aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands gesammelt. Diese Daten werden wiederum für die Analyse der verschiedenen Bodenverhältnisse genutzt.

Lysimeter und trockene Böden in DedelowLysimeter in Dedelow, Uckermark

Messungen sind auf zehn Gramm genau

Die Wägung des einfallenden Regenwassers und damit des mehr oder weniger nassen Bodens ist dabei erstaunlich genau. "Bei einem Eigengewicht von etwa dreieinhalb Tonnen des Lysimeters beträgt die Gewichtsgenauigkeit bei der Wägung bis zu zehn Gramm", so der Bodenphysiker Hort Gerke vom ZALF. "Somit ermöglicht es auch eine relativ genaue Messung von Niederschlägen."

Benetzungshemmung im Blumentopf

Was passiert, wenn der Boden zu lange austrocknet, erklärt Gerke an einem alltagsnahen Beispiel: "Bei starker Austrocknung an der Bodenoberfläche kann es zu einer Benetzungshemmung kommen. Wie in einem Blumentopf, der lange nicht gegossen wurde. Wenn die Erde zu stark ausgetrocknet ist, kann sie sich bei erneutem Gießen nicht sofort wieder befeuchten." Das bedeutet für die Brandenburger Böden, dass zu lange Trockenperioden die Wasseraufnahme und Speicherkapazität zumindest kurzfristig herabsetzen.

Welche langfristigen Folgen die derzeitigen Klimaveränderungen auf die Bodenverhältnisse haben, lässt sich derzeit noch nicht genau sagen. Das Lysimeter-Projekt hilft aber jetzt schon dabei, besser verstehen zu können, wie sich ausbleibender Niederschlag auf den Boden auswirkt.

Bodenphysiker Hort Gerke vom ZALF
Bodenphysiker Horst Gerke vom ZALF | Bild: Tanja Lange/rbb

Ein Modell für die richtigen Pflanzen auf dem passenden Boden

Laut Gerke sei das Ziel der Lysimeter, bestimmte Modelle zu entwickeln. "Wir wollen eigentlich Modelle für die Beschreibung der Wasserbewegung des Stoffhaushaltes und des gleichzeitigen Pflanzenwachstums entwickeln, sodass wir das Ökosystem besser verstehen können."

Es ginge in erster Linie um den Erkenntnisgewinn. Erkenntnisse, mit denen beispielweise Prognosen für die Bewirtschaftung verschiedener Böden erstellt werden können. Somit ließe sich vorhersagen, welche Pflanzen auf welchem Boden gut gedeihen, ohne dass dies in verschiedenen Testreihen erst geprüft werden müsse. Die Lysimeter-Ergebnisse könnten so Grundlage für eine andere, klimaangepasste Landwirtschaft sein.

Ein verregneter Winter und damit alle Sorgen los?

Der Diplom-Agraringenieur und Hydrologe Gunnar Lischeid blickt mit gemischten Gefühlen auf den nassen Winter. "Für die Landwirtschaft sieht es gut aus, für die Forstwirtschaft mittelmäßig und für die Grundwasserwirtschaft schlecht. Da hat sich nichts getan", sagt Lischeid dem rbb.

Die Feuchtigkeit in den letzten Monaten sei zwar stärker als normal und habe auch günstige Auswirkungen für die Böden. Doch in die wirklichen tiefen Schichten der Erde sei sie noch nicht vorgedrungen. "Der Regen ist jetzt ungefähr auf zwei Meter Tiefe angekommen, also im sogenannten Oberboden. Das ist der typische Bereich, in dem Kulturpflanzen wurzeln." Dieser Bereich sei also mittlerweile wieder gut versorgt, wie es auch typischerweise am Ende des Winters sein sollte.

Kein Regen - kein Trinkwasser?

Weiter unten im Boden sähe das allerdings ganz anders aus. Auf etwa 20 bis 30 Metern Tiefe, wo bei uns der Grundwasserspiegel liegt, sei alles noch viel zu trocken. Laut Lischeid gingen die Grundwasserstände dieser Tiefe jedoch schon seit circa 40 Jahren stetig zurück. Dafür benötige es zwar wiederum keine weiteren 40 Jahre, um diese wieder zu füllen, doch zwei bis drei feuchte Jahre würden dafür auch nicht ausreichen.

Es ginge darum, bundesweit zusammenzuarbeiten, um das Wasserangebot in ganz Deutschland einheitlicher zu gestalten und eine Wasserversorgung auch für die Zukunft sicherzustellen. Schließlich seien die vorhandenen Grundwasserstände innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich. In Brandenburg gebe es beispielsweise 10- bis 20-mal weniger Wasser als in Bayern, so Lischeid.

Kommt das Wasser künftig aus Bayern?

Eine entsprechende Maßnahme zur deutschlandweiten Wasserversorgung könnte die nationale Wasserstrategie der Bundesregierung sein, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Damit soll das Problem nicht nur landes-, sondern auch bundesweit angegangen und verschiedene Maßnahmen genutzt werden, um einer kritischen Entwicklung entgegenzuwirken.

Eine Möglichkeit wäre die zunehmende Nutzung von Fernwasserleitungen. Damit wird beispielsweise derzeit schon Hannover aus dem Harz mit Wasser versorgt. Und auch in Bayern liegen bereits mehrere hundert Kilometer lange Fernwasserleitungen vor. Lischeid schließt die Option nicht aus, dass wir in Zukunft von bayerischen Wasserüberschüssen mittels Fernwasserleitungen profitieren könnten, auch wenn dies eine sehr kostspielige Angelegenheit sei.

Welche genauen Maßnahmen mit der neuen nationalen Wasserstrategie nun letztendlich umgesetzt werden, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Bis dahin heißt es: auf Regen hoffen und Wasser nicht mehr als selbstverständliches, sondern kostbares Gut zu begreifen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 15.03.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Tanja Lange

11 Kommentare

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  1. 11.

    Die Karte zeigt auch das Verteilungsproblem auf und warum die BWB von einem großen Schwerindustriekonzern den Auftrag bekommen hatten, aktiv das Grundwasser abzusenken. Auch im Südosten Berlins ist das Dilemma der teils sehr hohen Grundwasserstände und der sich daraus ergebenden Grundwasserhaltung erkennbar. Vielleicht sollte man das Wasserwerk Johannisthal doch wieder in Betrieb nehmen, wie das ja auch im Berliner Versorgungskonzept vorgesehen ist.

  2. 10.

    Das Wasserportal Berlins zeigt auch noch, dass insbesondere auf den Hochflächen die Grundwasserstände extrem niedrig sind und sich nicht erholt haben:
    https://wasserportal.berlin.de/messwerte.php?anzeige=karte&thema=gws

  3. 9.

    In einigen Regionen wahrscheinlich nie. Hoyerswerda würde teilweise absaufen ohne Grundwasserabsenkung.

  4. 8.

    So eine Drainage und/oder Entwässerungsgraben kann bei schwerem Boden durchaus Sinn machen. Auf Kleckerpampe wächst nicht viel und Essen wollen alle - vorzugsweise billig. Was dagegen keinen Sinn macht, ist das Wasser über kilometerweite Grabensysteme in Flüsse einzuleiten. Hier wären reine Verrieselungsflächen und entsprechende Anlagen wohl das Mittel der Wahl. Stichwort Grundwasseranreicherung. Finanzierung im Umlageverfahren wäre machbar, da letztlich auch alle davon profitieren - also vom Wasser. Gekniffen wären die Landwirt*innen, aber letztlich profitieren diese auch davon.

  5. 7.

    Ich hatte immer wieder versucht hier eine Seite mit von ihnen geforderten Daten zu verlinken. Es gibt solche Seiten, aber selbst die Stichworte für Google wurden hier nicht veröffentlicht.

    Was Sie dort sehen können, ist das zumindest die 2 Jahresdurchschnitte spätestens die dreijahresdurchschnitte auf praktisch Mittelwert liegen. Aber seit rund 10 Jahren gibt es nur noch eine Richtung, bei der Temperatur schon seit 30 Jahren und die Dürre im Osten war jetzt 5 Jahre...

    Aber das wollen Sie natürlich nicht hören...

  6. 6.

    Der/die/das Mitte - nun, das ist ein Durchschnitt.
    Da gibt es in beide Richtungen Ausreißer, immer schon.
    Dann gibt es ja auch den (Vergleichs-) Zeitraum - mal seit Beginn der Wetteraufzeichnung, mal seit 1990, mal dieses Jahrtausend, mal ... - letztlich so wie es (un-) bequem ist um es als bedenklich zu präsentieren.
    Meine Neugier besteht darin, egal welchen Wetteraufzeichnung-Zeitraum es betreffen würde, in welchen Jahren der Durchschnitt/Mittelwert überhaupt eins zu eins gegeben war.
    Meine Mutmassung = NIE!!!

  7. 5.

    Danke für den interessanten Artikel. Sachlich dargestellt. Sehr gut.

  8. 4.

    Noch ist das Problem nicht akut aber absehbar.
    Aber der Markt wird das schon regeln solange Getränkekonzernen erlaubt wird unser aller Wasser zu fördern und für den tausendfachen Preis zu verkaufen.
    Als Grünenwählerin wäre ich für ein Verbot denn mit sozialer Marktwirtschaft hat diese Praxis nichts zu tun.

  9. 3.

    Wann werden endlich die Entwässerungsgräben und Drainagen in Äckern und Wiesen zurückgebaut? Wann hört man endlich mit dem Tagebau und der damit verbundenen Grundwasserabsenkung auf?

  10. 2.

    rbb: Könnte dieser Beitrag und die Beiträge:
    https://www.rbb24.de/studiocottbus/panorama/2023/03/wasser-lausitz-flutung-speicher.html
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/03/regen-kaelte-duerre-wetter-berlin-brandenburg-fruehjahr-sommer.html
    + evtl. weitere vergange Beiträge zu einem Spezial zusammengefaßt werden? Mit den vielen Einzelbeiträgen zerfasert das sonst zunehmend sehr.

  11. 1.

    Hannover liegt ja noch vergleichsweise dich am Harz. Die Wasserleitungen der Harzwasserwerke reichen aber sogar bis hinauf nach Bremen. Lustig anzusehen war dort eine junge Boulevardreporterin, die in einem Hochwasserschutzbauwerk posierte, während ein paar Kilometer weiter die Trinkwassertalsperren zum gleichen Zeitpunkt überdurchschnittlich gefüllt gewesen sind. Hier hingegeben ist es schon eine Sensation, wenn eine neue Fernwasserleitung von einem Ortsteil einer Gemeinde in einen andere angedacht wird.

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