Trockene Böden in Brandenburg - "Der Regen ist jetzt ungefähr auf zwei Meter Tiefe angekommen"
Der Winter war bislang vergleichsweise nass und feucht. Doch die Dürren der vergangenen Jahre haben den Böden zu schaffen gemacht. Ob die Niederschläge für Entspannung gesorgt haben, erfoschen Wissenschaftler in Ostbrandenburg. Von Tanja Lange
Wissenschaftler Jörg Haase ist auf Kontrollgang im uckermärkischen Dedelow. Routinemäßig schreitet er über ein Feld, auf dem mehrere große Zylinder in den Boden eingelassen sind. Gefüllt mit Erde liefern die sogenannten Lysimeter Daten darüber, wie viel Wasser der Boden speichern kann.
Direkt daneben befindet sich ebenfalls unterirdisch eine Messstation. Über eine Leiter klettert Haase hinunter und prüft mit Sickerwasser gefüllte Flaschen: die Ausbeute der vergangenen Niederschläge. Anhand der Messungen kann der Wasser- und Stoffhaushalt des Bodens in Abhängigkeit von der jeweiligen Nutzung sowie den klimatischen Verhältnissen untersucht werden.
Lysimeter-Netzwerk in ganz Deutschland
Weitere solcher Testfelder sind über ganz Deutschland verteilt. Ausgewertet werden die dort gesammelten Daten vom beteiligten Leibniz-Zentrum für Agrar- und Landschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Es ist eines der Mitglieder des sogenannten Lysimeter-Netzwerkes. Gemeinsam mit weiteren Forschungseinrichtungen werden die Daten aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands gesammelt. Diese Daten werden wiederum für die Analyse der verschiedenen Bodenverhältnisse genutzt.
Messungen sind auf zehn Gramm genau
Die Wägung des einfallenden Regenwassers und damit des mehr oder weniger nassen Bodens ist dabei erstaunlich genau. "Bei einem Eigengewicht von etwa dreieinhalb Tonnen des Lysimeters beträgt die Gewichtsgenauigkeit bei der Wägung bis zu zehn Gramm", so der Bodenphysiker Hort Gerke vom ZALF. "Somit ermöglicht es auch eine relativ genaue Messung von Niederschlägen."
Benetzungshemmung im Blumentopf
Was passiert, wenn der Boden zu lange austrocknet, erklärt Gerke an einem alltagsnahen Beispiel: "Bei starker Austrocknung an der Bodenoberfläche kann es zu einer Benetzungshemmung kommen. Wie in einem Blumentopf, der lange nicht gegossen wurde. Wenn die Erde zu stark ausgetrocknet ist, kann sie sich bei erneutem Gießen nicht sofort wieder befeuchten." Das bedeutet für die Brandenburger Böden, dass zu lange Trockenperioden die Wasseraufnahme und Speicherkapazität zumindest kurzfristig herabsetzen.
Welche langfristigen Folgen die derzeitigen Klimaveränderungen auf die Bodenverhältnisse haben, lässt sich derzeit noch nicht genau sagen. Das Lysimeter-Projekt hilft aber jetzt schon dabei, besser verstehen zu können, wie sich ausbleibender Niederschlag auf den Boden auswirkt.
Ein Modell für die richtigen Pflanzen auf dem passenden Boden
Laut Gerke sei das Ziel der Lysimeter, bestimmte Modelle zu entwickeln. "Wir wollen eigentlich Modelle für die Beschreibung der Wasserbewegung des Stoffhaushaltes und des gleichzeitigen Pflanzenwachstums entwickeln, sodass wir das Ökosystem besser verstehen können."
Es ginge in erster Linie um den Erkenntnisgewinn. Erkenntnisse, mit denen beispielweise Prognosen für die Bewirtschaftung verschiedener Böden erstellt werden können. Somit ließe sich vorhersagen, welche Pflanzen auf welchem Boden gut gedeihen, ohne dass dies in verschiedenen Testreihen erst geprüft werden müsse. Die Lysimeter-Ergebnisse könnten so Grundlage für eine andere, klimaangepasste Landwirtschaft sein.
Ein verregneter Winter und damit alle Sorgen los?
Der Diplom-Agraringenieur und Hydrologe Gunnar Lischeid blickt mit gemischten Gefühlen auf den nassen Winter. "Für die Landwirtschaft sieht es gut aus, für die Forstwirtschaft mittelmäßig und für die Grundwasserwirtschaft schlecht. Da hat sich nichts getan", sagt Lischeid dem rbb.
Die Feuchtigkeit in den letzten Monaten sei zwar stärker als normal und habe auch günstige Auswirkungen für die Böden. Doch in die wirklichen tiefen Schichten der Erde sei sie noch nicht vorgedrungen. "Der Regen ist jetzt ungefähr auf zwei Meter Tiefe angekommen, also im sogenannten Oberboden. Das ist der typische Bereich, in dem Kulturpflanzen wurzeln." Dieser Bereich sei also mittlerweile wieder gut versorgt, wie es auch typischerweise am Ende des Winters sein sollte.
Kein Regen - kein Trinkwasser?
Weiter unten im Boden sähe das allerdings ganz anders aus. Auf etwa 20 bis 30 Metern Tiefe, wo bei uns der Grundwasserspiegel liegt, sei alles noch viel zu trocken. Laut Lischeid gingen die Grundwasserstände dieser Tiefe jedoch schon seit circa 40 Jahren stetig zurück. Dafür benötige es zwar wiederum keine weiteren 40 Jahre, um diese wieder zu füllen, doch zwei bis drei feuchte Jahre würden dafür auch nicht ausreichen.
Es ginge darum, bundesweit zusammenzuarbeiten, um das Wasserangebot in ganz Deutschland einheitlicher zu gestalten und eine Wasserversorgung auch für die Zukunft sicherzustellen. Schließlich seien die vorhandenen Grundwasserstände innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich. In Brandenburg gebe es beispielsweise 10- bis 20-mal weniger Wasser als in Bayern, so Lischeid.
Kommt das Wasser künftig aus Bayern?
Eine entsprechende Maßnahme zur deutschlandweiten Wasserversorgung könnte die nationale Wasserstrategie der Bundesregierung sein, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Damit soll das Problem nicht nur landes-, sondern auch bundesweit angegangen und verschiedene Maßnahmen genutzt werden, um einer kritischen Entwicklung entgegenzuwirken.
Eine Möglichkeit wäre die zunehmende Nutzung von Fernwasserleitungen. Damit wird beispielsweise derzeit schon Hannover aus dem Harz mit Wasser versorgt. Und auch in Bayern liegen bereits mehrere hundert Kilometer lange Fernwasserleitungen vor. Lischeid schließt die Option nicht aus, dass wir in Zukunft von bayerischen Wasserüberschüssen mittels Fernwasserleitungen profitieren könnten, auch wenn dies eine sehr kostspielige Angelegenheit sei.
Welche genauen Maßnahmen mit der neuen nationalen Wasserstrategie nun letztendlich umgesetzt werden, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Bis dahin heißt es: auf Regen hoffen und Wasser nicht mehr als selbstverständliches, sondern kostbares Gut zu begreifen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 15.03.2023, 19:30 Uhr