Fahrer müssen umlernen - Von Diesel auf Elektro: Angermünder Spediteur stellt Lkw-Flotte um
Lkw mit Elektro-Antrieb? Die Skepsis ist vielerorts groß. Ein Spediteur aus Angermünde stellt seine Flotte nun um. Damit seine Lastwagen ihr Ziel erreichen, müssen Fahrer lernen - und mehr Ladesäulen an die Straßen. Von Fred Pilarski
Mit hohem Tempo beschleunigt eine Lkw-Zugmaschine auf einem Speditionsgelände in Angermünde (Uckermark). Bei dem Fahrzeug handelt es sich um ein Gefährt mit Elektro-Antrieb. Kunden, Lokalpolitiker und Geschäftspartner konnten sich am Dienstag selbst einmal hinter das Steuer setzen. Mit dabei: Schwedts Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD). Als sie vom Bock steigt, freute sie sich über die Leichtigkeit, mit der sich das Fahrzeug bewegen lässt. "So viel Kraft, die dahintersteckt!" Dieser Beruf sei definitiv auch etwas für Frauen, so Hoppe.
Mit E-Flotte gegen CO2-Ausstoß
Anlass war die Übergabe eines neuen Elektro-Lkw an die Angermünder Spedition "Euba". Die hat jetzt insgesamt drei davon in ihrer Flotte, zwölf sollen noch kommen. Geschäftsführer Andreas Garkisch ist damit Vorreiter in Brandenburg. "Unsere gesamte Flotte - wir haben 95 Lkw - stößt im Monat 600 Tonnen CO2 aus", sagt der Spediteur. "Wir müssen etwas dagegen machen."
Mit einer halben Millionen Euro sind die Laster zwar mehr als doppelt so teuer wie ein herkömmlicher Diesel. Doch Garkisch hat sich um Förderung bemüht. 80 Prozent der zusätzlichen Anschaffungskosten trägt der Bund. Inzwischen soll der Fördertopf geschlossen sein.
Eine Frage der Reichweite
Erst im Mai bekam Garkisch den ersten E-Truck geliefert und setzte ihn vor allem zwischen Schwedt und Berlin ein. Die Erfahrung: Mit etwa 300 Kilometern reicht die Batterieladung für die Tour hin und zurück. Aber, sagt der Spediteur heute: Das viele Stopp and Go im Stadtverkehr sei nicht sehr effektiv. "Wir haben gemerkt, dass man im erweiterten Fernverkehr bessere Verbräuche erzielt. Wir fahren jetzt Reichweiten von 450 bis 500 Kilometer und schaffen genauso viel wie konventionelle Dieseltrucks."
Die Fahrer hätten sich inzwischen eine sparsame Fahrweise antrainiert - von zunächst 125 auf jetzt 88 Kilowattstunden pro hundert Kilometer.
Mangel an E-Ladesäulen
Geladen werden die Lkw vor Fahrtantritt auf dem Betriebshof in Angermünde. Der Strom soll fast ausschließlich vom Solardach des Firmengebäudes kommen, zwischengespeichert in großen Batterien in einer der Hallen des Unternehmens. Auf der langen Strecke aber muss auch unterwegs geladen werden. Das sei schwer zu kalkulieren, räumt Garkisch ein. "Wenn ich zum Beispiel an eine Tankstelle fahre, sehe ich bei Verbrenner-Kraftstoffen den Preis. Den Strompreis sehe ich nicht. Den erfahre ich erst, wenn ich die Rechnung kriege. Das ist das Schlimme, dass das noch nicht so richtig reguliert ist." Dass er seine Elektro-Lkw überhaupt unterwegs laden kann, führt Garkisch auf eine Partnerschaft mit dem Tankstellenbetreiber Aral zurück, der an seinen Stationen ein Ladenetz betreibt.
Ansonsten ist die noch dünne Ladeinfrastruktur ein Problem für die gesamte Branche. Roger Alm, Präsident von Volvo Trucks, der seinen Kunden in Angermünde besucht hatte, kündigte Verbesserungen an. Volvo, Daimler-Trucks und Traton (u.a. Scania) haben unter dem Namen "Milence" ein Joint Venture gegründet. "Damit bauen wir dann die Infrastruktur von Ladepunkten in einer Reihe von EU-Staaten auf", sagte Roger Alm dem rbb. Geplant seien 1.700 Hochleistungsladepunkte bis 2027.
Mix aus grünen Kraftstoffen für die Zukunft?
Für die Angermünder Spedition sind batterieelektrisch betriebene Trucks die Zukunft. Andere setzen auf Biokraftstoffe wie CNG ("Compressed Natural Gas"), das ganz in der Nähe von der Verbio AG in Schwedt produziert wird. Die Schwedter PCK-Raffinerie treibt derzeit die Transformation zu einer Produktion auf Basis von grünem Wasserstoff voran, mit dem sich beispielsweise E-Fuels - klimaneutrale Flugzeugtreibstoffe - herstellen lassen. PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer will nicht ausschließen, dass E-Fuels auch für Lkw-Antriebe interessant werden können. "Es wird sich zeigen, was sich da durchsetzt. Wenn man schon synthetische Kohlenwasserstoffe macht, wird auch Diesel als Nebenprodukt möglich sein."
Erstmals in seinem Leben fuhr der Raffinerie-Chef bei der Veranstaltung in Angermünde einen Elektro-Truck zur Probe. "Cool, ein tolles Erlebnis". Es sei ihm schon klar, dass die Elektromobilität auf dem Vormarsch ist, aber sie werde nicht alle Bereiche durchdringen. "Wir denken aber, dass die Energiedichte beim flüssigen Kraftstoff, also den Produkten, die wir herstellen, noch lange gebraucht wird", sagte der PCK-Chef dem rbb.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuelle 10.10.2023, 19:30 Uhr