Kritik an EU-Agrarreform - Wie die Landwirtschaft umweltfreundlicher werden kann

Sa 16.01.21 | 08:11 Uhr | Von Stefanie Otto
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Traktor auf Feld mit Zwischenfruchtmischung (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Am Samstag protestiert das Bündnis "Wir haben es satt!" gegen Klimakrise, Tierfabriken und Höfesterben. Auch vielen Brandenburger Landwirten geht die EU-Agrarreform, die derzeit in Brüssel verhandelt wird, nicht weit genug. Von Stefanie Otto

Dürresommer, ausgelaugte Böden, Winderosion und immer wieder neue Auflagen von der Politik. Brandenburgs Landwirte haben zurzeit sicher andere Prioritäten, als sich um Umwelt- und Artenschutz, um Schmetterlinge, Kröten und Feldlerchen, zu kümmern.

Peter Kaim vom Havellandhof Ribbeck macht es trotzdem. Seit 2017 sind seine rund 1.000 Hektar Äcker und Weiden Demonstrationsflächen im Artenschutz-Projekt F.R.A.N.Z. Zehn Jahre lang kann er mit Naturschutzmaßnahmen wie Blühstreifen, Lerchenfenstern und Feuchtbiotopen experimentieren, ohne auf den Ernteertrag dieser Flächen angewiesen zu sein. Experten für Naturschutz und Landwirtschaft begleiten ihn dabei.

Nach vier Jahren im Projekt hat Peter Kaim für sich herausgefunden, dass er zehn Prozent seiner Fläche Tieren und Insekten als Lebensraum überlassen muss, um effektiven Artenschutz zu leisten. Der Landwirt, der seine Äcker nebenbei auch auf bodenschonende Bearbeitung und Dauerbegrünung umstellt, ist jetzt begeistert von der Rückkehr der Feldlerchen, Hummeln und Feldhasen. Er weiß aber auch, welches Umdenken das von den Bauern erfordert: "Es muss einem bewusst sein, dass zehn Prozent wirklich ein Kraftakt für einen Landwirt sind, wenn er sagt, er nimmt zehn Prozent als Betriebszweig Naturschutz mit auf."

EU will mehr Subventionen an Umweltmaßnahmen binden

Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU will die Landwirte nun zu diesem Kraftakt zwingen. Für die vollen Agrar-Subventionen müssen die Bauern künftig mehr Artenschutz leisten. Bisher gibt die EU Landwirten 261 Euro pro Hektar Ackerland – auch für eine Mais-Monokultur. Nur fünf Prozent der Fläche muss für Öko-Maßnahmen, das sogenannte Greening, reserviert oder stillgelegt werden. Mit der Agrar-Reform soll es zukünftig anders laufen.

Allein für die Fläche gibt es dann wohl nur noch 80 Prozent der EU-Subventionen. Erst wenn der Landwirt freiwillige Umweltschutz-Maßnahmen umsetzt, die sogenannten Eco-Schemes, gibt es die restlichen 20 Prozent. Mit Blick auf die noch laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene fordert Peter Kaim, "dass der Landwirt auch die Möglichkeit hat, aus einem gewissen Portfolio auszuwählen, welche Maßnahme für seinen Standort, für seine Betriebskreisläufe am effektivsten ist."

Landwirt Peter Kaim, Havellandhof Ribbeck (Quelle: rbb)Landwirt Peter Kaim vom Havellandhof Ribbeck

Kritik an pauschaler Flächenprämie

Umwelt- und Verbraucherschützer wie auch Verbände von bäuerlicher und biologischer Landwirtschaft kritisieren die Pläne der EU jedoch: Die Anreize für Umweltmaßnahmen gingen nicht weit genug.

In einem Appel des Naturschutzbundes (Nabu), den knapp 50.000 Menschen online unterzeichnet haben, wird die Reform als "fauler Kompromiss" bezeichnet. Weder gäbe es verbindliche Klima- und Biodiversitätsziele, noch ausreichend Fördergelder für Naturschutzmaßnahmen. Stattdessen solle der Löwenanteil der Subventionen weiter pauschal nach Fläche gezahlt werden.

Dabei gäbe es mit bereits geeignete Richtlinien der EU: Diese sehen unter anderem vor, den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika um 50 Prozent und den Einsatz von Dünger um 20 Prozent bis 2030 zu senken. Außerdem soll der Anteil an ökologisch bewirtschafteten Flächen auf ein Viertel steigen.

Das Bündnis "Wir haben es satt!" geht sogar noch einen Schritt weiter. Unterstützt von 400 Organisationen aus 12 EU-Staaten fordert es ein Ende der pauschalen Flächenprämien. Stattdessen müssten öffentliche Gelder in Zukunft vorrangig für öffentliche Leistungen, also Arten- und Klimaschutz, Tierwohl und gute Löhne und Arbeitsbedingungen eingesetzt werden.

Statt Klimaschutz nur Klimaanpassung

Nach drei Dürrejahren besteht ein breiter Konsens darüber, dass sich die Landwirtschaft an die Folgen des Klimawandels anpassen muss, um weiterhin gute Erträge zu erzielen. Doch bei der Bekämpfung der Ursachen der Erderwärmung gibt es noch kein einfaches Rezept für die Landwirte.

Erst im Dezember hat die Europäische Union ihr Klimaziel bis 2030 verschärft. Der Ausstoß von Treibhausgasen soll im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden. Alle Bereiche der Wirtschaft werden davon betroffen sein. Doch die Landwirtschaft ist noch weit davon entfernt, ihren Anteil der Emissionen zu reduzieren.

In Deutschland ist die Landwirtschaft für etwa 7,4 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Hier entsteht zwar kein Kohlenstoffdioxid in großen Mengen. Jedoch setzen Tiere und Böden die klimaschädlichen Gase Methan und Lachgas frei. Methan kommt aus den Mägen von Wiederkäuern und aus den Lagern von Mist und Gülle. Lachgas entsteht vor allem beim Düngen der Felder. Dabei sind Methan und Lachgas 25-mal bzw. 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid.

Erster Betrieb Brandenburgs mit Klimabilanz

Sind Kühe also Klimakiller? Helge Milatz von der Agrargenossenschaft Quitzow bei Perleberg wollte genau diese Frage klären. Für seine 350 Kühe, 3.200 Schweine und 2.600 Hektar Land hat der Betrieb als erster Brandenburgs eine Klimabilanz aufstellen lassen. Denn Partnerbetriebe wie die Molkerei fragen neuerdings solche Zahlen bei ihm nach.

Zwar zeigte die Bilanz auch, wo der Betrieb schon Ressourcen effizient einsetzt. Doch der Fußabdruck von über 11.000 Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2019 war doch ernüchternd. Die Genossenschaft hat aber einen Weg gefunden, um die Bilanz zu verbessern: Sie produziert Strom und Wärme in einer eigenen Biogasanlage und hat mehrere Stalldächer mit Photovoltaik-Modulen ausgestattet. So muss Leiter Helge Milatz weniger Energie zukaufen. In der Bilanz spart er 300 Tonnen klimawirksame Gase ein – so viel wie 200 Berufspendler pro Jahr mit dem Auto ausstoßen.

Blühende Wildkräuterwiese (Quelle: rbb)Blühende Wildkräuterwiese

Doch damit werden die Ausscheidungen der Tiere nicht weniger. Nach dem Klimaplan der Bundesregierung soll die Landwirtschaft bis 2030 weitere 14 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen. Eine Landwirtschaft völlig ohne Emissionen ist nicht möglich. Daher schlagen Experten vor, den Tierbestand zu reduzieren und die Produktion stattdessen auf pflanzliches Eiweiß umzustellen. Gülle und Mist sollen zukünftig geschlossen gelagert sowie weniger Dünger und Energie verbraucht werden.

Weniger Tiere und Dünger hieße für die Genossenschaft aber: weniger Ertrag, also weniger Einkommen oder Arbeitsplätze. Nur ein Umdenken in der Subventionspolitik könnte das ändern, bekräftigt auch Helge Milatz: "Damit jeder Landwirt sich damit beschäftigt, muss er damit irgendwo Geld verdienen. Und solange wir Milch produzieren können und zusätzlich die Umwelt schonen können, sind wir natürlich dabei."

Sendung: Brandenburg Aktuell, 08.01.2021, 19:30 Uhr

Beitrag von Stefanie Otto

8 Kommentare

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  1. 8.

    Solange in Deutschland Gülle aus den Niederlanden auf deutschen Feldern für viel Geld verklappt wird, geht's wahrscheinlich der Umwelt noch zu gut. In den Niederlanden regelt der Staat die Menge an Gülle, die auf die Felder gebracht werden dürfen. In D muss erst die Trinkwasserversorgung zusammenbrechen, bis die Regierung reagiert.

  2. 7.

    Danke für den letzten Satz. Es ist mir schon lange unverständlich, dass Deutschland in beachtlichen Mengen Schweinefleisch exportiert. Gülle in den bisherigen Mengen auf s Land verbringen geht schon gar nicht. Es ist doch längst alles wissenschaftlich durchgekaut wie die Landwirtschaft optimiert werden kann. Hier hat auch kein Schweinemassenzüchter aus NL sein "Unwesen" zu betreiben. Die genannten Zahlen sind natürlich alarmierend aber wie sieht es in anderen Ländern aus ? Habe kürzlich eine Sendung über die Inuits auf Grönland gesehen. Die haben zwar dort auch Fleischangebote im Markt aber ihr selbst geschossenes Wildtier ist etwas ganz anderes; das Fleisch ungleich besser. Wieviel Wild gäbe hier der Bestand her ohne diesen auszurotten. Die so extreme Zunahme des Wolfbestandes ist ja gewollt. Die Schäden auch ? Es scheint so. Warum importiert man Hirschfleisch aus Neuseeland ?

  3. 6.

    Wenn die Landwirtschaft nachgewiesenermaßen ihren Anteil an der CO2 Bilanz hat, wäre es da nicht naheliegend diesen auch über die CO2 Steuer zu sanktionieren um Anreiz für Maßnahmen zur Senkung der CO2 Produktion zu schaffen. Momentan versucht man das doch nur für die Energie und Wärmewirtschaft oder gibt es da schon was in der Landwirtschaft?

  4. 5.

    Thema Gülle
    Gibt es eigentlich Gedanken oder Ansätze wie man das Problem mittelfristig in den Griff bekommen möchte. Bei menschlichen Verdauungsrückständen gibt es ja zu Recht hohe Anforderungen für die Abreinigung. Das geklärte und behandelte Wasser darf nicht aufs Feld, der Klärschlamm auch immer weniger. Die unbehandelte Gülle darf zu bestimmten Jahreszeiten weiterhin aufs Feld? Das passt doch nicht zusammen. Für Entwässerung der Gülle gibt es Technologien, anschließende thermische oder biologische Verwertung wäre dann doch recht einfach. Oder erst in die Vergärung zur Gasgewinnung.
    Dafür dass man recht sicher die Nitratbelastung genau auf die Gülle zurückführt, hört man wenig von Alternativen zur Feldverbringung

  5. 4.

    Ich habe nicht gesagt, dass Landwirte nicht wirtschaftlich arbeiten dürfen, aber es geht nur unter Berücksichtigung auf Umweltschutz, Artenschutz und Tierwohl.

  6. 3.

    @Lucky: Ich möchte nicht widersprechen, dass Tierwohl und Naturschutz mehr Beachtung finden müssen. Aber wieso darf ein Bauer nicht wirtschaftlich denken?
    Auch Landwirte haben Familien und Mitarbeiter die auf Geld in ihrem Leben angewiesen sind. Und es ist ja in den letzten Jahren für alle offensichtlich geworden, dass manch einer kaum noch von der harten Arbeit leben kann.
    Es ist mehr als ungerecht den Landwirten das recht des wirtschaftens absprechen zu wollen. Jeder andere Unternehmer darf doch seine arbeit auch so gestalten, dass er oder sie davon leben kann...

  7. 2.
    Antwort auf [Berliner] vom 16.01.2021 um 10:31

    Vielen Dank für diesen Artikel. Es ist selten geworden, dass man so gute und sachliche Informationen zum Thema Landwirtschaft liest.

  8. 1.
    Antwort auf [Berliner] vom 16.01.2021 um 10:31

    Die meisten Bauern denken rein wirtschaftlich, mehr mehr mehr, egal ob die Umwelt und das Tierwohl darunter leiden! Das ganze funktioniert jedoch nur, wenn alles berücksichtigt wird, Tierwohl und Artenschutz und Umweltschutz. Wer nur eine Sache bewirtschaftet, also nur Kühe oder nur Schweine oder Monokultur betreibt, darf sich über Folgeschäden nicht wundern! Und Massentierhaltung, um das Fleisch ins Ausland zu exportieren, muss sofort verboten werden. Tierhaltung soll bitte nur für das eigene Land ausreichen.

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