Arbeitskräftemangel in Berlin und Brandenburg - Jetzt werden auch ungelernte Arbeitskräfte knapp

Do 12.01.23 | 17:41 Uhr | Von Jan Pallokat
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Ein Schild mit dem Schriftzug „Ab sofort; wegen Personalmangel / Krankheit Montag geschlossen“ steht vor einem Geschäft.(Quelle:dpa/S.Sauer)
Bild: dpa/S.Sauer

Viele Geschäfte schränken ihre Öffnungszeiten ein, Kitas gehen in den Notbetrieb, Behörden schließen wochenweise. Der Arbeitskräftemangel beginnt den Alltag in der Region zu prägen. Ein Vorgeschmack - denn in den Unternehmen wird es immer enger. Von Jan Pallokat

  • Nach den Fachkräften gehen Unternehmen auch Beschäftigte für einfache Tätigkeiten aus
  • Über eine halbe Million Stellen könnten in Berlin und Brandenburg bis 2035 unbesetzt bleiben
  • Personalgewinnung wird zur Mammutaufgabe und bindet selbst viel Personal

Wer in Berlin und Brandenburg Dienstleistungen in Anspruch nehmen will, ist immer häufiger mit dem Problem konfrontiert, dass das Personal dafür fehlt. Telefonläden haben beispielsweise Werkstätten für Handy-Reparaturen, aber kein Personal, um das Glas auszutauschen. Die digital gesteuerte Fußbodenheizung funktioniert tagelang nicht, weil die Wartungsfirma keine Techniker auftreiben kann. Die Kita fleht per SOS-Kurzbotschaft Eltern an, ihre Kinder früher abzuholen, weil das Personal für die Betreuung fehlt.

Oft ist der enorme Krankenstand der vordergründige Anlass. Doch selbst wenn alle gesund wären, wäre das grundlegende Problem nicht vom Tisch. Wegen der demographischen Struktur tun sich Unternehmen immer schwerer, Ersatz zu finden für Mitarbeiter, die nun massenhaft in Rente gehen, weil sie geburtenstarken Jahrgängen angehören. Und die immer dünneren Personaldecken werden zunehmend auch außerhalb der Unternehmen sichtbar.

Nicht nur Fachkräfte fehlen, sondern auch Ungelernte

"Gaststätten wechseln auf Selbstbedienung. Der Bäcker macht um 14 Uhr zu, und im Hotel können sie nicht mehr vor vier Uhr einchecken, weil früher kein Putztrupp zu finden ist", so beschreibt Detlef Gottschling von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Potsdam die derzeitigen Herausforderungen für Unternehmen. "Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Fachkräfte fehlen schon 20 Jahre. Jetzt fehlen auch Arbeitskräfte." Was Gottschling damit meint, sind etwa Angelernte, die im Hotel die Betten glattstreichen.

Bei den besonders begehrten Fachkräften ist der Mangel längst chronisch. Das offenbart der am Donnerstag erschienene "Fachkräftereport" [dihk.de] der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). In ihm ist von zwei Millionen vakanten Arbeitsplätzen in ganz Deutschland die Rede. Jedes zweite von 22.000 befragten Unternehmen hat demnach angegeben, Stellen nicht besetzen zu können, und zwar ausdrücklich auch aus sogenannten Zukunftsbranchen: Energie, Hochtechnologie, Datenverarbeitung. 100 Milliarden Euro weniger erwirtschaftet Deutschland deswegen.

Und der Mangel wird sich weiter verschärfen, auch in Berlin und Brandenburg. Wohin die Region steuert, zeigt das "Fachkräftemonitoring" [fkm-brandenburg.de] - ein Prognose-Instrument, das in allen Kammerbezirken eine ähnliche Entwicklung voraussagt: Auf der einen Seite sinkt die Zahl verfügbarer Arbeitskräfte in den nächsten Jahren stark. Auf der anderen Seite geht die Nachfrage nach ihnen nur ganz allmählich zurück.

In Zahlen heißt das: Im Land Brandenburg dürfte sich die Fachkräftelücke von derzeit gut 40.000 binnen zwölf Jahren auf 160.000 unbesetzte Stellen ausweiten. Auch für Berlin wird eine Vervierfachung erwartet - von jetzt 100.000 auf 400.000 unbesetzte Arbeitsplätze, sagen die Prognostiker. 400.000 Menschen weniger, die Lohnsteuern zahlen oder eine Familie ernähren und die Wirtschaft am Laufen halten.

Berlin nützt seine Attraktivität wenig

Die Berliner Wirtschaft sei durch eine hohe Dichte personalintensiver Branchen besonders von dieser Entwicklung betroffen, betont Nicole Korset-Ristic, Vizepräsidentin der Berliner IHK. Wie schon in Potsdam, heißt es auch hier: "Wir sprechen nicht mehr nur über begehrtes Fachpersonal, sondern über fehlende Arbeitskräfte für Basisarbeiten in Bereichen wie Handel, Gastgewerbe, Reinigung, oder Logistik."

Die Attraktivität der Stadt gerade für viele junge Leute helfe da wenig. "Kommen 400.000 junge Leute in die Stadt?", fragt die IHK Berlin. "Und bleiben sie nach dem Studium?"

Personalgewinnung als Dauerlauf

Wer kann, versucht durch Ausbildung und Umschulung eigene Kräfte aufzubauen. Beim Berliner Betreiber "Kindergärten City" mit 56 Kitas im Stadtzentrum sind dennoch 40 bis 50 der rund 1.400 Stellen dauerhaft unbelegt, sagt die pädagogische Geschäftsleiterin Katja Renner. Es wären möglicherweise noch deutlich mehr, wäre nicht inzwischen fast jede fünfte Stelle mit Quereinsteigern in Umschulung oder Auszubildenden besetzt. Darunter leide aber zwangsläufig die Qualität, räumt Katja Renner ein. "Wir betreuen die Kinder." Dem Bildungsauftrag könne man so oft nur eingeschränkt nachkommen.

Überhaupt müsse der städtische Betrieb immer mehr Zeit und Mühe investieren, um seine Mannschaftsstärke einigermaßen zu halten. "Wir haben ununterbrochene Bewerbungs- und Auswahlverfahren und versuchen bei der Rekrutierung alles nur Mögliche", sagt Renner. Doch mit einer erfolgreichen Einstellung ist die Schlacht noch längst nicht geschlagen. Parallel muss sie dafür kämpfen, dass die, die angefangen haben, auch bleiben. Denn heute sei der Arbeitgeber oft nur einer von vielen. Die neue Stelle wird von vielen nicht mehr als Berufung, sondern als "Lebensphase" gesehen, sagt die Geschäftsleiterin.

Die beginnende Verrentungswelle der "Babyboomer" kommt da zur Unzeit: "Menschen, die lange bei uns waren und Vollzeit arbeiteten, durch solche zu ersetzen, die nicht so lange bleiben und auch nicht voll arbeiten wollen - das ist eine Herausforderung für die Qualitätssicherung."

Streit um Ausbildung

Die hohe Fluktuation und die angespannte Situation in vielen Betrieben gefährde auch den Betriebsfrieden, sagt Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin. Teilweise seien die Probleme aber auch hausgemacht, erklärt er. "Gerade in Berlin müssen die Unternehmen endlich mehr ausbilden", fordert Otto. Nirgendwo in Deutschland sei der Azubi-Anteil an den Beschäftigten geringer, nämlich bei 3,2 Prozent.

Der Vorwurf der Gewerkschaften, dass nicht genug ausgebildet werde, erheben die Gewerkschaften jedes Ausbildungsjahr aufs Neue - die Arbeitgeber verweisen auf Unzulänglichkeiten vieler Bewerber. Doch selbst wenn die Wirtschaft ihre Anstrengungen vervielfachen würde - die Arbeitskräftemisere könnte sie allein dadurch kaum mehr beheben.

"Man muss ein guter Arbeitgeber sein."

Im IHK-Bezirk Frankfurt/Oder tut sich hingegen etwas: Von einem "positiven Trend" bei der Ausbildung und einem Plus um sieben Prozent im aktuellen Ausbildungsjahr berichtet Michael Völker, bei der ansässigen IHK für Aus- und Weiterbildung zuständig ist. Doch könnten 1.500 Azubis nicht einmal die altersbedingten Abgänge ausgleichen, räumt er ein. Die bestehende Fachkräftelücke von derzeit etwa 5.000 Menschen im Brandenburger Osten schließen, könnten sie erst recht nicht.

Ist also alles schon verloren? Einige Unternehmen setzen auf Automatisierung, andere darauf, dass Deutschland doch irgendwann eine qualifizierte Einwanderung nach Vorbild Kanadas hinbekommt. Und: "Man muss halt ein guter Arbeitgeber sein“, sagt Kita-Betreiberin Renner.

Personalgewinnung für viele Unternehmen zu teuer

Die Berliner S-Bahn setzt derweil vor allem auf große Investititonen in der Personalgewinnung. Laut einer Sprecherin spürt das Unternehmen den Arbeitskräftemangel deswegen kaum: "Im Gegenteil, wir bauen aus und stellen jährlich 200 Lokführer ein." Als Erfolgsgeheimnis verweist sie auf besonders kreative Rekrutierungsaktionen, aufs "Speed-Dating im Zug" etwa. Größere Unternehmen sind auch auf Messen und an den Hochschulen präsent - und holen sich hier ihren Nachwuchs ab.

In der kleinteiligen Berliner Wirtschaft aber, geprägt von Firmen mit 10 bis 50 Mitarbeitern, können sich nur wenige einen derartig dauerhaften und preisintensiven Aufwand im Kampf um die Köpfe leisten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.01.2023, 14:35 Uhr

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Beitrag von Jan Pallokat

63 Kommentare

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  1. 63.

    Tja das hat man nun davon dass man ständig solche Typen wie die von den klimakläbern überall hofiert, anstatt denen alle geldmittel zu entziehen damit sie arbeiten gehen müssen.
    Und es muss ja auch jeder studieren mittlerweile um dann nach der Ausbildung eine 20 Stunden Woche zu haben.
    Naja mir soll es egal sein ich werde auf jeden Fall auswandern damit fällt auf jeden Fall eine weitere 50 Stunden - Woche Kraft weg.
    Deutschland und vor allem links grün haben es so gewollt.

  2. 62.

    Also irgendwas verstehe ich dann wohl tagtäglich in den Medien falsch, hmmm...

    Seit 2015 wird immer wieder von den Unzähligen Fachkräften berichtet die seitdem tagtäglich in unser Land kommen und dieses damit bereichern !!!

    Und unsere Regierung wird uns doch wohl nicht belügen, oder ??? ;o)

    Also wo ist dann das Problem, dann müsste es doch eher heißen wir haben Arbeitsplatzmangel, auf Grund der zu vielen Fachkräfte !!!
    Hmm... verstehe ich nicht...

  3. 61.

    Genau so ist es, seit diesen Jahr verschärft die Politik die Situation noch weiter mit den Arbeitsverhinderungsgesetz (Bürgergeld). Es wird damit ausschließlich die Motivation gefördert weiterhin auf der TV Couch sitzen zu bleiben. Die die Arbeiten gehen müssen Steuern und Abgaben zahlen, sie trifft auch die Inflation viel härter, da sie für Alle Ausgaben selber aufkommen müssen. Also der Arbeitskräftemangel ist politisch genau so gewollt.

  4. 59.

    Glauben Sie wirklich, dass nur Blutdeutsche arbeiten wollen und Werte haben? Warum trifft man dann z.B. auf den schlecht bezahlten Arbeitsplätzen in Pflegeheimen oder bei den Reinigungsfirmen vor allem Migranten? Wie viele Migranten kennen Sie persönlich?

  5. 58.

    Ich habe eine multinationale Familie und war vor 45 Jahren einige Zeit selbst Migrantin im Ausland. Dort wurde mein Studienabschluss auch nicht anerkannt. Einiges hat sich zwar durch das Schengen-Abkommen etwas verbessert. Aber vielfach ist die Situation genau wie von Ihnen beschrieben. Bei meinem Mann dauerte es sieben Jahre, bis er Anfang der 1990er Jahre endlich eine Arbeitserlaubnis erhielt. Aber seine Studienabschlüsse wurden nicht anerkannt und mit damals Anfang 40 galt er als zu alt für den Arbeitsmarkt. Kurz nach der Wende hatten Migranten ohnehin kaum Chancen auf einen Arbeitsplatz. Aber das ist 30 Jahre her. Leider hat sich nicht allzu viel geändert. Die bürokratischen Hürden sind für Migranten noch immer unglaublich hoch. Und wer versucht, ohne Arbeitserlaubnis zu arbeiten, riskiert, wenn er erwischt wird, seine Ausweisung als Straftäter inklusive Einreisesperre.

  6. 57.

    Na wir haben es doch. Deutschland ist ein reiches Land und vor allem haben wir noch viel Platz .

  7. 56.

    Als wenn dann Bürgergeldempfä her anfangen unqualifizierte Arbeit nach zu gehen. Es fehlt doch an Identifikation und den Werten. Es sind andere Kulturkreis, da wird nichts auf den Staat gegeben, nur auf die Familie.

  8. 55.

    Ja, ein Freibrief für Missbrauch. Ob das die Gründungsväter des GG im Hinterkopf hatten?

  9. 54.

    CDU Chef Merz hatte es doch gesagt, die Zuwanderung von Migranten hat eine Million weiterer Sozialleistungsbezieher in Deutschland entstehen lassen.

  10. 53.

    Tja, in einer Gesellschaft, wo ein Youtuber/-in mit 500.000 Followern mehr verdient als ein Mechatroniker bei VW ist das so, dass alle nur noch Blogger werden wollen. Mit hipp/hop dem wirtschaftlichen Kollaps entgegen.

  11. 52.

    Als Erzieher habe ich die Tage an verschiedenen Einstellungsgesprächen teilgenommen. Getränke standen auf dem Tisch, angeboten hat man mir nichts. Das macht was mit einem und rückt den potentiellen Chef in eine Ecke, in der er sich wohl eher nicht sehen will.
    Die "Zeitenwende" auf dem Arbeitsmarkt ist in den Köpfen vieler Personaler noch nicht angekommen. So wird es sich verschieben, hin zu den Arbeitgebern mit Profil und Attraktivität.

  12. 51.

    Hartz 4 lässt grüßen!

  13. 50.

    Heute Morgen im INFO-Radio gehört ,Deutschland hat z.Zt. 84 Mio. Einwohner , soviele wie noch nie .
    Wie kann es da Arbeitskräftemangel geben ?
    Irgendwas läuft da schief !

  14. 49.

    "Wer nach der 3 . Arbeitsvermittlung die Arbeit ablehnt, wird das Bürgergeld gestrichen," Yep, auf dem Papier. In der Realität kommt dann der Gelbe Schein. Das "Bürgergeld" wird dann lieber genommen, statt eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

  15. 48.

    Vielen Dank für Ihren Hinweis. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen!
    Liebe Grüße,

    Ihr rbb24-Team

  16. 46.

    Aktuell gibt es mit 45,9 Millionen Beschäftigten in Deutschland eine Rekord-Quote wie nie zuvor.
    Dazu 3 Millionen Arbeitslose + die verdeckte Arbeitslosigkeit.
    Offenbar mangelt es also nicht an Menschen, die die Arbeit verrichten können.
    1. Die Wirtschaft hat vergessen, genug Menschen rechtzeitig auszubilden.
    2. Die Politik fördert nicht vorrangig die Jobs, die wir brauchen. Es werden Millionen ins Ideologie-Segment gekippt.
    3. Politiker sorgen mit zu hohen Steuern und SV-Abgaben für Geringverdiener bei gleichzeitig nahezu bedingungslosen Sozialleistungen dafür, dass für viele Wohnkonstellationen gar kein Anreiz zur Arbeitsaufnahme besteht.

  17. 45.

    Liebes RBB Team,
    die pädagogische Geschäftsleitung heißt Katja Grenner und nicht Katja Renner.
    Mfg. eine pädagogische Fachkraft des Eigenbetriebes Kindergärten City

  18. 44.

    Also, wenn Sie einen Abschl. einer Staatl. Universität o. Staatl. Hochschuleinrichtung besitzen, stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Nur ist es prakt. so, dass ein Flüchtling andere Umstände erlebte, als an die Mitnahme seines Originalpapiers des Bildungsabschlusses zu denken. Es gibt Schwierigkeiten bei digitalen Aufnahmen & Papier-Kopien. Auch die Frage, welcher Art, diplomat. Abkommen der Länder mit D sind, die dann eine Entscheidung dt. Seite erlauben. Das kann Bürger kaum beeinflussen. Ich habe aber auch Personen aus Syrien erlebt, m. Originalpapieren wie ein Kunstwerk, in dem aber wesentl. Angaben zur Zeit der Ausbildung von-bis, Ort & Namen der Bildungseinrichtung fehlten(Festgest. bei der Übersetzung)durch vereid. Übersetzer. Also nicht einf., aber auch nicht ganz hoffnungslos. Einzelfallentsch. d. Behörden. Aber nur Mut, auch ehem. DDR-Bürger hatten derart Schwierigkeiten u. mussten tw. fehl. Prüfungen nachholen. Oder umschulen.

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