US-Eigentümer entscheidet jetzt - Studio Babelsberg gibt seine Unabhängigkeit auf
Das Studio Babelsberg tritt seine Entscheidungsgewalt an den US-Eigentümer ab - das wurde am Freitag auf einer außerordentlichen Hauptversammlung beschlossen. Während sich die einen finanzielle Sicherheit erhoffen, fürchten andere unabsehbare Folgen.
Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung hat am Freitagabend ein Großteil der Aktionäre der Studio Babelsberg AG einem sogenannten "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" zugestimmt. Das bestätigte am Samstag eine Studiosprecherin gegenüber rbb|24. Laut Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), der Kleinaktionäre des Studios vertritt, verliert das Studio Babelsberg damit seine Eigenständigkeit.
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger bestürzt
Mehrheitseigner von Studio Babelsberg ist die deutsche Firma Kino Bidco, eine hundertprozentige Tochter der Cinespace-Gruppe. Das Unternehmen gehört wiederum dem Immobilienfonds TPG Real Estate Partners (TREP). Der Schwerpunkt des US-Konzerns liegt auf Hotelbetrieben und Filmstudios in Nordamerika mit insgesamt 90 Filmstudios in Toronto und Chicago. TREP hatte die Studios im Januar 2022 übernommen.
Die Stimmen des US-Konzerns TREP machen mehr als die notwendigen 75 Prozent der Studio Babelsberg-Anteile aus.
Suche nach internationalen Partnern
Mit einem Beherrschungsvertrag kann der Vorstand der Studio Babelsberg AG keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen, ohne diese von der Muttergesellschaft in den USA absegnen zu lassen. Außerdem werden alle Gewinne an den US-Haupteigner abgeführt. Verluste der Studios werden durch den Mutterkonzern ausgeglichen.
Vor allem der letzte Punkt könnte ein Beweggrund für die deutschen Studiochefs gewesen sein, den Deal einzugehen. Carl L. Woebcken und Christoph Fisser, die die Studios 2004 übernahmen, hatten bereits seit längerem nach internationalen Partnern gesucht. Das Filmgeschäft sei zu unsicher, in dem große Produktionen schnell mal absagten, wenn andere Standorte in Ungarn oder Großbritannien bessere Bedingungen oder Förderung böten, sagten sie dem rbb mehrfach.
Mehr Produktionen für Fernsehen und Streamingdienste
Dem Vorstand gehören seit 2022 auch Andy Weltman, früher US-Repräsentant der britischen Pinewood-Filmstudios und Geschäftsführer der weltweit wichtigen Filmagentur APA, Ashley Rice, Vorstand der Cinespace Studios, sowie André Bleeker von A&O Hotels und Hostels, die ebenfalls zu TREP gehören.
Der Abschluss des Vertrages biete die Möglichkeit, "neue Ressourcen und Expertise zu nutzen", hieß es am Samstag in einer Pressemitteilung der Studio Babelsberg AG. Damit könne das Geschäft langfristig weiterentwickelt werden. Neben Kinofilmen könnten die Erfahrungen der Cinespace Studios im Bereich Streaming und Fernsehen genutzt werden.
Vertreter der Kleinaktionäre erwartet jahrelanges Verfahren
Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger zeigte sich hingegen bestürzt über das Abstimmungsergebnis. Nach wie vor sei nicht klar, welche Pläne die US-Investoren mit den Studios hätten, kritisierte Kunert in einem Statement. "Es fehlen Informationen und Transparenz, die auch nicht bei der Hauptversammlung geklärt werden konnten." Fragen würden zum Teil unbeantwortet bleiben - auch ob es Umstrukturierungen geben könnte. Es werde lediglich darauf verwiesen, dass mit dem Vertrag "alles einfacher" werde.
Kunert rät den Aktionären der Studio Babelsberg AG davon ab, ihre Aktien zu einem Preis von 3,65 Euro an die Kino BidCo zu veräußern. Im Gespräch mit rbb|24 sagte Kunert am Samstag, er gehe davon aus, dass das zuständige Landgericht bei dem folgenden Spruchstellenverfahren zu dem Ergebnis eines höheren Preises je Aktie kommen wird. Er ergänzte, dass dieses Verfahren allerdings voraussichtlich Jahre in Anspruch nehmen werde.
Wirtschaftsministerium fordert Arbeitsplatzerhalt
Für das Brandenburger Wirtschaftsministerium, das die Entwicklung von Studio Babelsberg seit der Übernahme durch US-Investoren genauestens verfolgt, zählen vor allem zwei Aspekte: den Erhalt der gut 100 Arbeitsplätze am Standort Babelsberg und die Weiterentwicklung der Studios. "Das bedeutet, dass weiterhin verstärkt in den Standort investiert werden muss. Gewinne sollten nicht nur abfließen, sondern auch in die Weiterentwicklung der Studios gesteckt werden", teilte Staatssekretär Henrik Fischer vorab mit.
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger befürchtet wiederum, dass für den Mutterkonzern leerstehende Hallen auch eine Verlockung sein könnten, sie abzureißen und lukrativere Objekte wie Wohnungen oder Bürokomplexe an ihrer Stelle zu errichten, meinte Michael Kunert im Vorfeld der Hauptversammlung.
Auch für virtuelle Produktionen ausgestattet
Im Februar 1912 wurde im Studio Babelsberg der erste Stummfilm gedreht: "Der Totentanz" mit Asta Nielsen. Damit gilt es als das älteste Großfilm-Atelier der Welt. Zu DDR-Zeiten betrieb die Defa die Filmstudios. Nach der Wende verkaufte die Treuhandanstalt die Filmstudios an den französischen Konzern Compagnie Générale des Eaux - heute Vivendi Universal. In den folgenden Jahren wurden etwa 500 Millionen Euro in Filmstudio und Medienstadt investiert. 2004 verkaufte Vivendi an die Beteiligungsgesellschaft FBB - Filmbetriebe Berlin Brandenburg GmbH mit den Gesellschaftern Carl L. Woebcken und Christoph Fisser. Seit 2005 ist es eine Aktiengesellschaft.
Mittlerweile sind die Studios überwiegend Dienstleister, eigene Filmproduktionen sind eher selten. Kunden sind vor allem US-Produktionen. Regisseure wie beispielsweise Quentin Tarantino ("Inglourious Basterds") oder Steven Spielberg ("Bridge of Spies") drehten hier. Im Jahr 2021 kam ein Filmstudio für virtuelle Produktionen hinzu. Es entstanden zuletzt internationale Serien wie "Dark" oder "1899" für Streamingdienste.
Nach eigenen Angaben verfügt das Studio Babelsberg über 21 Ateliers und Studios sowie diverse Außenkulissen. 107 Mitarbeiter sind dort beschäftigt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 31.03.2023, 19:30 Uhr