Berliner Verwaltung - Neue Arbeitssenatorin erwägt Modellprojekt für Vier-Tage-Woche
Statt fünf Tagen nur vier Tage arbeiten pro Woche: Diese Forderung von Gewerkschaften wird derzeit breit diskutiert. Der neue Berliner Senat steigt auf den Zug auf - und denkt zumindest über ein Modellprojekt nach. Von Jonas Wintermantel
Die Debatte um die Einführung einer Vier-Tage-Woche wird lauter. Die neue Berliner Senatorin für Arbeit und Soziales, Cansel Kiziltepe (SPD), begrüßte die Diskussion in Hinblick auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes: "In den kommenden acht Jahren werden mehr als 44 000 Mitarbeitende der Berliner Verwaltung in Rente gehen", sagte Kiziltepe dem "Tagesspiegel". "Wenn wir als Land Berlin ein attraktiver Arbeitsgeber sein wollen, müssen wir jungen Menschen gute Angebote machen, wenn wir sie für Jobs in der Verwaltung begeistern wollen." Sie erwäge deshalb ein Modellprojekt für die Berliner Verwaltung.
Die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche ist nicht neu, hat aber in den vergangenen Monaten an Fahrt aufgenommen. Senatorin Cansel Kiziltepe reagiert damit auch auf sich verändernde Erwartungen an die eigene Arbeitsstelle. "Viele junge Menschen und vor allem Eltern mit Kindern wünschen sich eine bessere Balance von Arbeit und Freizeit. Diese Wünsche sollten wir berücksichtigen", sagte Kiziltepe dem "Tagesspiegel" weiter. Zuvor hatte sich auch die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken für eine Vier-Tage-Woche ausgesprochen.
Anteil von Teilzeit-Modellen in der Verwaltung steigt stetig
Bereits seit den 1990er Jahren fördert das Land Berlin die Möglichkeiten der Beschäftigung auch abseits der klassischen Vollzeit-Arbeit. Der für das Verwaltungspersonal zuständige Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sagte auf rbb-Anfrage: "Wir haben uns frühzeitig auf den Weg gemacht, die Attraktivität Berlins als Arbeitgeber zu verbessern. Flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten oder Sabbatical-Modelle sind beispielsweise fester Bestandteil dieses Angebots." Und weiter: "Wir müssen uns mit Blick auf zeitgemäße, familienfreundliche Arbeitsformen nicht verstecken - erst recht nicht, wenn es darum geht, rund 40 Wochenarbeitsstunden auf vier Tage zu verteilen." Tatsächlich ist die Teilzeitquote im Land Berlin von 2015 bis 2022 von 19,6 Prozent auf 24,9 Prozent kontinuierlich angestiegen.
Auch IG Metall für die Einführung
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte schon vor dem 1. Mai seine Forderung nach einer Vier-Tage-Woche für Arbeitnehmer bestimmter Branchen bekräftigt. Wie bereits im April angekündigt, will die IG Metall die Senkung der Wochenarbeitszeit in der Stahlindustrie von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich in den kommenden Tarifverhandlungen im Herbst durchsetzen.
Die Tarifverhandlungen in Nordrhein-Westfalen könnten auch Auswirkungen auf die Branche im Rest Deutschlands haben. Die Stahlindustrie befindet sich in einer besonderen Situation - die bisher kohlebasierte Industrie steht vor einem Umbau hin zu grünem, klimaneutral produziertem Stahl. Mit der Forderung nach einer Vier-Tage-Woche will man daher auch einem Abbau von Arbeitsplätzen zuvorkommen.
Forderung bald auch für Berlin und Brandenburg?
Auch Markus Sievers, der Sprecher der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, steht einer flächendeckenden Einführung der Vier-Tage-Woche grundsätzlich positiv gegenüber. Ob dies als konkrete Forderung in die nächste Tarifrunde im Herbst genommen wird, müssten die Gewerkschaftsmitglieder in den kommenden Monaten entscheiden. Die IG Metall vertritt im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen mehr als 100.000 betriebliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Befürworter der Vier-Tage-Woche verweisen auf verschiedene positive Effekte für Arbeitnehmer - darunter die Produktivität, Zufriedenheit, Arbeitsbelastung und Gesundheit der Mitarbeiter. In der bislang größten Studie zum Thema [autonomy.work] haben 61 britische Unternehmen das neue Modell getestet. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter sind ausgeruhter, gehen motivierter zur Arbeit und die Unternehmen verzeichnen weniger Fehlzeiten. 56 der beteiligten Unternehmen wollen die Vier-Tage-Woche beibehalten.
Aber es handelt sich hierbei um keine repräsentative Studie. So nahmen vor allem Dienstleistungs-Unternehmen teil, die ohnehin an der Einführung und Erprobung interessiert waren. Und: Die Arbeit in diesen Unternehmen ist stark von Büro-Arbeit geprägt. Eine Übertragung auf andere Branchen ist dehalb nicht ohne Weiteres möglich.
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.05.2023, 9 Uhr