Oranienburger Gaststätte vor dem Aus - Zwischen Krautwickel und Crowdfunding
Die Gastronomie steckt in der Dauerkrise. In den Pandemiejahren wurden bundesweit etwa 36.000 Betriebe geschlossen, 15.000 weitere gelten als akut gefährdet. Zum Jahresende droht auch der ältesten Gaststätte Oranienburgs das Aus. Von Karsten Zummack
Dünn, zart und saftig sollen sie sein. Deshalb werden die Schnitzel vor dem Panieren gründlich bearbeitet mit dem Fleischklopfer. Mit deutscher Hausmannskost kennen sie sich aus in der Oranienburger Altstadtklause: Viel Fleisch, Rouladen, Sülze, Gänsekeule. Das zieht nach wie vor. Selbst mitten in der Woche haben Inhaber Eugen Dingler und sein Team gut zu tun. Bis zu 150 Essen werden täglich serviert oder außer Haus verkauft.
Abschiedsbrief der "Altstadtklause" am Eingang
An fehlender Nachfrage liegt es nicht, dass der Traditionsbetrieb Ende des Jahres schließen soll. "Ich bin schwer krank und darf nicht weitermachen", erklärt der 67-jährige Inhaber. Auch die Kinder könnten das Geschäft nicht weiter betreiben, die Angestellten wollten die Gaststätte ebenso wenig fortführen. Deshalb kündigte Dilger schon vor einigen Wochen an, dass Ende des Jahres Schluss ist. Der Brief hängt draußen in der Speisekarten-Vitrine.
Der Tresen ist holzvertäfelt, auch die meisten Möbel sind aus hellem Holz. Seit etwa drei Jahrhunderten gibt es die Gaststätte. 2008 hatte der aus dem Schwarzwald stammende Eugen Dilger das Haus übernommen. Das Angebot hebt sich in Oranienburg merklich ab von der Konkurrenz. Auch in Brandenburgs fünftgrößter Stadt dominieren inzwischen italienische und asiatische Restaurants und Bistros. "Gutbürgerliche deutsche Küche gibt es ja kaum noch", sagt Altstadtklause-Stammgast Werner Adam. Und Tom von Glischinski, der hier in der Nähe lebt, lobt "kurze Wege, gutes Essen". Zu den Kunden zählen auch viele ältere Menschen, die sich das Mittagessen liefern lassen.
Vielleicht doch noch Hoffnung?
"Das ist eine Traditionsgaststätte, die Altstadtklause gehört zu Oranienburg. Und das darf einfach nicht sterben", sagt Adrian Wittstock aus dem eine dreiviertel Autostunde entfernten Zehdenick. Der 41-Jährige mit Brille und Vollbart ist gelernter Koch, arbeitet als Mietkoch. Das heißt: Er zaubert Gerichte und Menüs auf Kundenwunsch vor Ort, beispielsweise bei Familienfeiern. Er hat von der drohenden Schließung der Gaststätte gehört und Kontakt zum Inhaber aufgenommen.
Crowdfunding für das Wir-Gefühl
Wittstock will die Gaststätte übernehmen. Allerdings fehlte ihm bislang das nötige Geld, um das Inventar abzulösen. Deshalb hat er unter dem Titel "Deutsche Traditions-Gaststätte retten" im Internet eine Spendenkampagne gestartet. 5.000 Euro hat er als Ziel angepeilt. Mehr als 300 Euro sind in recht kurzer Zeit bereits zusammengekommen. "In anderen Ländern klappt sowas auch", begründet er seine außergewöhnliche Idee.
Die Resonanz sei sehr positiv. Inzwischen geht es Adrian Wittstock dabei nicht mehr allein um das nötige Startkapital. "Das ist einfach, um das Wir-Gefühl ein stückweit zu stärken." Jeder, der mitmacht, könne sagen: "Ich habe bei der Rettung geholfen."
Die Spendenaktion jedenfalls ist nach Wittstocks Meinung gut angelaufen, zudem ist er mit dem Noch-Inhaber in guten Gesprächen über eine mögliche Übernahme der Traditionsgaststätte. Damit steigen die Chancen, dass die Oranienburger Altstadtklause doch noch überleben könnte.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 29.11.2023, 19:30 Uhr