Oranienburger Gaststätte vor dem Aus - Zwischen Krautwickel und Crowdfunding

Do 30.11.23 | 09:26 Uhr | Von Karsten Zummack
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Symbolbild: In der Kneipe in Oranienburg (Brandenburg). (Quelle: dpa/Mehlis)
Bild: dpa/Mehlis

Die Gastronomie steckt in der Dauerkrise. In den Pandemiejahren wurden bundesweit etwa 36.000 Betriebe geschlossen, 15.000 weitere gelten als akut gefährdet. Zum Jahresende droht auch der ältesten Gaststätte Oranienburgs das Aus. Von Karsten Zummack

Dünn, zart und saftig sollen sie sein. Deshalb werden die Schnitzel vor dem Panieren gründlich bearbeitet mit dem Fleischklopfer. Mit deutscher Hausmannskost kennen sie sich aus in der Oranienburger Altstadtklause: Viel Fleisch, Rouladen, Sülze, Gänsekeule. Das zieht nach wie vor. Selbst mitten in der Woche haben Inhaber Eugen Dingler und sein Team gut zu tun. Bis zu 150 Essen werden täglich serviert oder außer Haus verkauft.

Abschiedsbrief der "Altstadtklause" am Eingang

An fehlender Nachfrage liegt es nicht, dass der Traditionsbetrieb Ende des Jahres schließen soll. "Ich bin schwer krank und darf nicht weitermachen", erklärt der 67-jährige Inhaber. Auch die Kinder könnten das Geschäft nicht weiter betreiben, die Angestellten wollten die Gaststätte ebenso wenig fortführen. Deshalb kündigte Dilger schon vor einigen Wochen an, dass Ende des Jahres Schluss ist. Der Brief hängt draußen in der Speisekarten-Vitrine.

Der Tresen ist holzvertäfelt, auch die meisten Möbel sind aus hellem Holz. Seit etwa drei Jahrhunderten gibt es die Gaststätte. 2008 hatte der aus dem Schwarzwald stammende Eugen Dilger das Haus übernommen. Das Angebot hebt sich in Oranienburg merklich ab von der Konkurrenz. Auch in Brandenburgs fünftgrößter Stadt dominieren inzwischen italienische und asiatische Restaurants und Bistros. "Gutbürgerliche deutsche Küche gibt es ja kaum noch", sagt Altstadtklause-Stammgast Werner Adam. Und Tom von Glischinski, der hier in der Nähe lebt, lobt "kurze Wege, gutes Essen". Zu den Kunden zählen auch viele ältere Menschen, die sich das Mittagessen liefern lassen.

Vielleicht doch noch Hoffnung?

"Das ist eine Traditionsgaststätte, die Altstadtklause gehört zu Oranienburg. Und das darf einfach nicht sterben", sagt Adrian Wittstock aus dem eine dreiviertel Autostunde entfernten Zehdenick. Der 41-Jährige mit Brille und Vollbart ist gelernter Koch, arbeitet als Mietkoch. Das heißt: Er zaubert Gerichte und Menüs auf Kundenwunsch vor Ort, beispielsweise bei Familienfeiern. Er hat von der drohenden Schließung der Gaststätte gehört und Kontakt zum Inhaber aufgenommen.

Crowdfunding für das Wir-Gefühl

Wittstock will die Gaststätte übernehmen. Allerdings fehlte ihm bislang das nötige Geld, um das Inventar abzulösen. Deshalb hat er unter dem Titel "Deutsche Traditions-Gaststätte retten" im Internet eine Spendenkampagne gestartet. 5.000 Euro hat er als Ziel angepeilt. Mehr als 300 Euro sind in recht kurzer Zeit bereits zusammengekommen. "In anderen Ländern klappt sowas auch", begründet er seine außergewöhnliche Idee.

Die Resonanz sei sehr positiv. Inzwischen geht es Adrian Wittstock dabei nicht mehr allein um das nötige Startkapital. "Das ist einfach, um das Wir-Gefühl ein stückweit zu stärken." Jeder, der mitmacht, könne sagen: "Ich habe bei der Rettung geholfen."

Die Spendenaktion jedenfalls ist nach Wittstocks Meinung gut angelaufen, zudem ist er mit dem Noch-Inhaber in guten Gesprächen über eine mögliche Übernahme der Traditionsgaststätte. Damit steigen die Chancen, dass die Oranienburger Altstadtklause doch noch überleben könnte.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 29.11.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

19 Kommentare

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  1. 19.

    Ist das bescheuert. Im Bericht steht nix von miesen Löhnen, sondern "nur" was von schiet Bedingungen für das Lokal, wohl stellvertretend für einige Andere. Sogleich wird die Lohn- und Ideologiekeule ausgepackt. Man geht raus, esst 'n Schnitzel.

  2. 18.

    ...irgendwie, sorry, aber ich frage Sie: Sind abhängige Lohnnehmer, oft langjährige Beschäftigte und also zahlend in Sozialbeiträgen und Steuern ... etwas das man nicht gut heißt? Urlaub, mehrwöchig, nehmen die auch noch. Ja Herrgott..., was ist das für eine Einstellung Fleiß gegenüber. Wünsche dem Restaurant und den Bemühungen zur Erhaltung, auch mit ungewöhnlichen Aktionen, Erfolg und nicht nur an der Pfanne.

  3. 17.

    Am Ende will keiner mehr irgendwas machen und es gibt für alle Bürgergeld, oh wait...

  4. 16.

    Der Betrag ist doch für eine Gaststätte lächerlich. Ohne jegliches Eigenkapital so etwas betreiben zu wollen ist doch wohl nicht der Weisheit letzter Schuß? Den edlen Spendern sollte man bei (hoffentlich) florierendem Geschäft eine gewisse Kulanz zukommen lassen.

  5. 15.

    ".. Und der Gipfel der Unverschämtheit ist, die wollen auch noch regelmäßig bezahlt werden. Und das, möglichst über Mindestlohn! So weit sind wir schon gekommen!

    Ja, ick lach ma tot. So eine Unverschämtheit !!!
    Nee, im Ernst... dass war doch nur Ironie oder ein klein wenig Zynismus !
    Schönen Tag noch Ines

  6. 14.

    Ich habe 30 Jahre Gastroerfahrung. Ausbeutung ist sehr wohl ein wirtschaftlicher Grundsatz im Gastgewerbe. Es wird das Personal ausgebeutet, nicht einmal 30% der gastgewerblichen Betriebe zahlen Tariflohn (die meisten sind Hotels). Die Arbeitszeiten wären generell nicht schlimm, wenn denn überhaupt Sonntags- und Nachtzuschläge gezahlt werden würden.

  7. 13.

    Das habe ich nicht bei Karl Marx gelesen, sondern live bei zahlreichen Personen im Bekanntenkreis erlebt, die während der letzten 10-15 Jahren voll oder Teilzeit in der Gastro beschäftigt waren. Das waren teilweise (nicht immer!) Arbeitsbedingungen, die ich als Ausbeutung bezeichnen würde.

  8. 12.

    Ich glaube ganz sicher, dass sie übertreiben. Die Mitarbeiter ausgebeutet, dass haben sie wohl bei Karl Marx gelesen. Es haben viel keine Lust auf die Arbeitszeiten.

  9. 11.

    im Gegensatz zu den abhängig Beschäftigten mit ihrer umfassenden Sozialversicherung inkl..."

    Und der Gipfel der Unverschämtheit ist, die wollen auch noch regelmäßig bezahlt werden. Und das, möglichst über Mindestlohn!
    So weit sind wir schon gekommen!

  10. 10.

    Jahrelang hat die Gastro ihre MitarbeiterInnen teils offen ausgebeutet, aber mindestens mal sehr schlecht bezahlt. Gewinne waren wichtiger. Dieses Image wird eine Branche dann, wenn sich die gesellschaftlichen Gegebenheiten ändern oder Ereignisse von außen dazukommen (Pandemie, Krieg), nur schwierig wieder los. Menschen haben gekündigt oder wurden entlassen und haben gesehen, dass woanders fairer bezahlt wird. Keine Ahnung, warum Sie das verdrängen.

  11. 9.

    Lies nochmal, im Bericht wird man fündig. Dies ist an Voraussetzungen geknüpft, die man schon erfüllen sollte.... *Ironieoff*

  12. 8.

    Wenn Sie das so sehen wollen...! Auf jeden Fall ist er durch freie und geheime Wahlen von der Mehrheit legitimiert.

  13. 7.

    „Raubtierkapitalismus“?
    Das ist das ganz normale Leben. Nicht perfekt. Rauf und runter.
    Und: Glauben Sie es ruhig. Es gibt da Gesellschaftsformen, die wollen die Meisten bestimmt nicht.

  14. 6.

    Nein, das ist Raubtierkapitalismus.
    Und den haben Sie offenbar bestens verinnerlicht.

    Jahrzehntelang wurde dem Bundesbürger "Geiz ist geil" beigebracht, egal ob auf Kosten des Klimas, der Arbeitsplätze, der Gehaltsgefüges, der Gesundheit etc. Die Selbstausbeutung der Selbstständigen wurde als selbstverständlich hingenommen. Und nun das große Staunen, dass das Konstrukt "Ich will alles und das sofort. Und zwar für lau." zusammenbricht. Das ist bigott.

  15. 5.

    Ja, aber hier geht es dem Bericht zufolge nicht darum, dass die Nachfrage zu gering ist, also ein nicht wettbewerbsfähiges Unternehmen vom Markt verschwindet (ein Mechanismus, der tatsächlich zu den vielen Vorzügen der Marktwirtschaft gehört).

    Es geht darum, einen neuen Betreiber zu finden, also einen Unternehmer (der auch ein Risiko auf sich nimmt, im Gegensatz zu den abhängig Beschäftigten mit ihrer umfassenden Sozialversicherung inkl. Arbeitslosenversicherung, mehrwöchigem bezahltem Jahresurlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw.), und im konkreten Falle um die Ablösesumme von fünftausend Euro - was eigentlich ein lächerlicher Betrag ist.


  16. 4.

    Lieber Nutzer, leider verlinken wir auf unserer Seite nicht auf Crowdfunding Programme. Danke für Ihr Verständnis.
    Viele Grüße aus der rbb|24-Redaktion.

  17. 3.

    Bei allem Mitgefühl: Das ist Marktwirtschaft.

  18. 1.

    Worüber wundern wir uns eigentlich?? Viele glauben als Inhaber einer Gaststätte wird man in kurzer Zeit Millionär und das Personal wird ausgebeutet. Den Job als Koch oder Kellner möchte man nicht machen. Immer am Wochenende und abends arbeiten, ne da braucht man ja seine Freizeit. Essen gehen und freundlich bedient werden möchten aber alle. Hinzu kommen die endlose Bürokratie in Form von zahllosen Vorschriften bezüglich der Zutaten. Ich kann verstehen das viele Wirte nicht mehr wollen.

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