Bündnis "Bahn für alle" - "Buchungs-Plattformen für Nachtzüge sind eine mittlere Katastrophe"
Mit dem Nachtzug von Berlin nach Paris - das ist nun möglich. Doch die Tickets sind teuer, wenn man es überhaupt schafft, länderübergreifend zu buchen. Stellschrauben bei Nachtverbindungen gebe es genug, sagt Carl Waßmuth von "Bahn für alle".
rbb|24: Herr Waßmuth, mit der Verbindung Berlin-Paris wird eine Wunschstrecke vieler Nachtzug-Liebhaber nun Realität. Ist das aber auch was für Leute, die sich normalerweise einen Flug nach Paris buchen würden?
Carl Waßmuth: Ich denke ja, unbedingt. Das sind die beiden Hauptstädte von zwei großen Ländern in Europa. Wir als "Bahn für alle" standen 2016 am Hauptbahnhof und haben quasi mit Tränen in den Augen die Einstellung des letzten Nachzugs Berlin-Paris begleitet und dagegen protestiert.
Jetzt ist es so, dass Fliegen ja durchaus auch seine Implikationen hat. Das heißt also, nicht immer klappt es mit den Flügen. Es klappt zwar auch nicht immer mit den Zügen, aber das ist eine enorme Alternative zu Flugreisen, wobei es jetzt erst mal nur die Verbindung zwischen zwei Metropolen ist. Wir als "Bahn für alle" fordern, dass ein wesentlich größerer Aufschlag gemacht wird für den Nacht- und Fernreisezug in Europa.
Wird aber ein Otto Normalverbraucher, der vier oder fünf Tage nach Paris reisen möchte, sich genauso einfach ein Nachtzug-Ticket buchen können wie einen Flug?
Die Buchungs-Plattformen für Nachtzüge in Europa sind eine mittlere Katastrophe, da sind wir noch lange nicht da, wo wir hin müssen. Wir brauchen eine einheitliche Buchungs-Plattform für alle Nachtzüge, sodass ich mir jetzt nicht erst eine Ausbildung zulegen muss, um herauszufinden wo ich diesen Nachzug buchen kann.
Es sind ja meistens zwei Länder, und ich muss dann herausfinden, über welches Land oder vielleicht noch über ein drittes ich reisen muss. Das ist überhaupt noch nicht so, wie es sein muss. Wir fordern deswegen eben als gemeinsame Initiative der Länder in Europa eine übergreifende Buchungs-Plattform.
Tickets buchen ist nicht nur schwierig, sondern auch teuer. Möchte man im Januar im Liegewagen mit dem Nachtzug nach Paris, kostet das so viel wie ein Flug mit Air France oder KLM - und das bei einer 14-Stunden-Fahrt. Ist das denn konkurrenzfähig?
Na ja, beim Nachtzug fährt man über Nacht und die Reisezeit im Schlaf rechnet man üblicherweise nicht mit. Das heißt, Sie können abends einsteigen und sind morgens da, Sie sind sogar wahrscheinlich früher da als mit dem ersten Flug, wenn sie früh morgens zum Flughafen gehen würden.
Dagegen ist also nichts einzuwenden, aber die Preise sind definitiv zu hoch. Das liegt aber daran, dass der Flugverkehr massiv subventioniert wird, obwohl er so klimaschädlich ist, und der Zugverkehr in den Subventionen benachteiligt wird. Wir fordern deswegen, dass es Garantie für günstigere Zug- als Flug-Verbindung geben muss. Als Richtpreis stellen wir uns vor, dass es keinen innereuropäischen Flug unter 100 Euro geben darf.
Das ist absurd. Diese günstigen Kosten gibt es nur, weil andere das bezahlen, nicht die Flugreisenden, sondern die Steuerzahlenden und wir alle über die Klimaschädigung. Eigentlich sollte auch keine innereuropäische Zugfahrt über 85 Euro kosten. Dann erst bekommen wir es hin, dass wirklich eine Verlagerung stattfindet.
Wie werden aber jetzt die Zugpreise bestimmt?
Für uns ist das nicht wirklich transparent. Wir wissen, dass es Kosten gibt, die eingerechnet werden müssen - und das sind die sogenannten Trassenpreise. Das heißt also, die Deutsche Bahn AG verlangt zum Beispiel von der ÖBB, die viele Nachtzüge bereitstellt, dass sie Trassenpreise bezahlt. Wir halten diese Trassenpreise für deutlich zu hoch.
Wenn man viel Bahnverkehr haben will, muss man günstige Trassenpreise anbieten und das im Zweifel auch staatlich subventionieren. Dann fährt da viel.
Wenn es mit so hohen Trassenpreisen verbunden ist, rechnet sich das Nachtzugsgeschäft überhaupt für die Betreiber?
Dieses sich Rechnen ist ein schwieriger Begriff. Tatsächlich ist es einfach so, dass bestimmte Kosten vorproduziert werden durch Rahmenbedingungen. Diese vorproduzierten Kosten - wie eben die Trassenpreise - bewirken, dass ein Verkehrsträger teuer oder günstig ist. Wir haben im Moment die Situation, dass die Bahn benachteiligt wird in dieser Kostenvorproduktion. Das heißt, mit Mühe und Not können jetzt einzelne Betreiber eine Handvoll Nachtzugverbindungen anbieten.
Sehr viele sind das allerdings nicht. Wir feiern jetzt zwar den Nachzug Berlin-Paris, aber das ist bisher nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wenn wir uns ansehen, was es an innereuropäischen Flugverkehr alles gibt und wenn wir das auf die Schiene verlagern wollen, dann müssen auf diesen Strecken jede Nacht drei oder fünf Zugpaare verkehren.
Das Land Berlin hat vergangenes Jahr einen Zielfahrplan für Nachtzüge für 2030 ausgeschrieben. Wie sehen die Nachtzug-Verbindungen bis dahin Ihrer Meinung nach aus?
Bisher ist das Prinzip unserer Bundesregierung, den Fernverkehr im Wettbewerb stattfinden zu lassen. Und der Wettbewerb ist einfach keine Einrichtung, die flächendeckende Daseinsvorsorge bereitstellt, sondern da entstehen immer Angebote für bestimmte Zeit und das war es.
Wir brauchen aber ein flächendeckendes Angebot. So wie wir irgendwann mal auch Europa flächendeckend mit Autobahnen versorgt haben und mit Flughäfen, müssen wir jetzt ein flächendeckendes Nachtzug- und Fernreise-Verkehrsangebot bekommen, damit wir herauskommen aus den sehr schädlichen Verkehrsformen Flugzeug, Auto und Lkw.
Dann wäre da noch ein Punkt, an den wir auch denken müssen: dass am Ende diese Nachtzüge von Menschen gefahren werden. Das heißt also, es muss Personal geben und man kann nicht einfach 2030 sagen, "Ach, wir verdoppeln unser Nachtzug-Angebot". Und dann stellt man fest, man hat überhaupt keine Zugführer ausgebildet.
Das heißt also, wir brauchen jetzt schon eine Ausbildungsoffensive. Und wir müssen eine gute Bezahlung anbieten, zum Beispiel so, dass Zugbegleiter so bezahlt werden, wie Flugbegleiter und Lokführer so wie Piloten. Die Verantwortung ist durchaus vergleichbar.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Efthymis Angeloudis.