Gewerbeflächen - Berliner Unternehmen wandern ins Brandenburger Umland ab

Sa 08.06.24 | 08:00 Uhr | Von Karsten Zummack
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Archivbild: Der Berliner Unternehmer Mathis Menzel steht am 2. April 2020 in der Werkshalle seines Unternehmens Menzel Elektromotoren in Berlin Moabit. (Quelle: Imago Images/Joerg Krauthoefer)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.06.2024 | Karsten Zummack | Bild: Imago Images/Joerg Krauthoefer

Hohe Gewerbemieten, wenig Platz für Expansion - darüber klagen viele Berliner Unternehmen. Deswegen ziehen einige ins Umland. Jüngstes Beispiel: Der Elektromotorenbauer Menzel, der kürzlich sein neues Werk in Hennigsdorf eingeweiht hat. Von Karsten Zummack

Hier wird lackiert, das ist schon aus einiger Entfernung zu riechen. In einer Kabine, fast so groß wie eine Drei-Zimmer-Wohnung, ist ein Industriemotor aufgebockt. Der Mitarbeiter mit Mund- und Ohrenschutz muss auf eine Leiter klettern, um auch von oben heranzukommen. In seiner Hand hält er eine Sprühpistole mit langem Schlauch.

Mitarbeiter in der neuen Lackierkabine (Bild: rbb/Karsten Zummack)
Neue Lackierkabine der Firma Menzel | Bild: rbb/Karsten Zummack

Neue XXL-Krananlagen

"Wir können die Kabine auf bis zu 90 Grad vorheizen", erklärt Firmenchef Mathis Menzel. Damit ließe sich der Lack einbrennen. Die neue Lackierkabine ist dreimal so groß wie die alte, die das Unternehmen vom Standort in Berlin-Moabit nach Hennigsdorf mitgebracht hat – und Menzels Stolz. Er konnte sich die Produktion hier so einrichten, wie er es schon lange wollte.

Viele Maschinen sind mit umgezogen, neue wurden angeschafft. Da sind beispielsweise die Krananlagen, die bis zu 80 Tonnen Gewicht durch die Werkshallen hieven können. "Wir kriegen mehr Durchsatz hin und können schnellere Abläufe sicherstellen", freut sich der 45-Jährige. "Wo wir früher an unsere Grenzen gekommen sind, haben wir jetzt noch Luft nach oben".

Berliner Unternehmen wandern ins Brandenburger Umland ab. (Quelle: rbb/Karsten Zummack)
Firmenchef Mathis Menzel | Bild: rbb/Karsten Zummack

Alter Standort zu klein

Seit 1927 hatte der Elektromotorenbauer Menzel in Berlin-Moabit produziert. Doch das Grundstück am Spreeufer war in die Jahre gekommen. Der Hof dort wurde allmählich zu klein für Lkw, das Wenden immer schwieriger. Auch die Hallen waren dunkel und eng. Für die angestrebte Expansion des Unternehmens reichte das nicht mehr aus. Menzel kam zu dem Urteil, "dass die Innenstadt ein suboptimaler Standort für große Industriemaschinen ist, die in die ganze Welt gehen".

Eigentlich wollte das Unternehmen mitsamt seiner 100 Mitarbeiter auf den ehemaligen Flughafen Tegel umziehen. Doch das verzögerte sich wegen des BER-Desasters ständig. Am Ende kristallisierten sich zwei mögliche neue Standorte in Brandenburg heraus: einer in Ludwigsfelde, der andere in Hennigsdorf. Der Chef ließ die Belegschaft abstimmen. Das Ergebnis war eindeutig: "Dreiviertel unserer Mitarbeiter haben sich für Hennigsdorf entschieden". Der traditionsreiche Industriestandort konnte vor allem mit einer guten Autobahn- und S-Bahn-Anbindung punkten.

Berlin braucht Gewerbeflächen

Menzel ist keineswegs ein Einzelfall. Wie viele Berliner Unternehmen ins Umland gezogen sind, wird statistisch nicht erfasst, heißt es von der Senatswirtschaftsverwaltung und der Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) hat seit 2018 mehr als 50 solcher Verlagerungen begleitet. "In der Regel war das Motiv, dass diese Firmen größere Flächen brauchen, als sie in Berlin bekommen konnten", bestätigt WFBB-Sprecher Alexander Gallrein. In der Regel würden sich aber die Wirtschaftsförderer mit ihren Kollegen in der Hauptstadt abstimmen und besprechen, um Unternehmen überhaupt in der Region zu halten.

"Die Wirtschaftsverwaltung arbeitet daran, dass Unternehmen, die nach Berlin ziehen oder bereits in Berlin sind und sich erweitern wollen, auch den notwendigen Raum beziehungsweise die notwendigen Flächen finden", teilt das Wirtschaftsressort der Hauptstadt mit. So sollen neue Gewerbehöfe entwickelt, Flächen in Neubaugebieten gesichert werden. "Die wachsende Berliner Wirtschaft benötigt pro Jahr 30 bis 40 Hektar an zusätzlichen Gewerbeflächen", sagt IHK-Vizepräsident Robert Rückel.

Zu wenig Platz, zu viel Bürokratie

Laut Statistischem Bundesamt sind in Berlin im vergangenen Jahr 114 mehr Unternehmen weg- als zugezogen. Wohin es sie zog, ist nicht erfasst. Die Zeiten, in denen ein Bundesland dem anderen mit Förderzusagen Unternehmen abgeworben hat, sind aber offenbar vorbei. Trotzdem suchen Berliner Firmen zunehmend ein neues Zuhause hinter der Landesgrenze in der Mark, beobachtet der Stahnsdorfer Grundstücks- und Immobilienmakler Andreas Arlt.

Der 62-Jährige erhält verstärkt Nachfragen von wechselwilligen Betrieben. Die meisten wollen sich vergrößern. "Die Möglichkeiten, das in Berlin zu tun, sind sehr gering", so Arlt. Als Motive hinzu kommen niedrigere Grundstückspreise, geringere Gewerbesteuersätze sowie die Scheu vor zu viel Bürokratie. "In Berlin ist das schon manchmal ein Procedere, wo man die Hände über den Kopf zusammenschlagen kann", konstatiert der Makler. Er hat dem Pumpenhersteller InLine Hydraulik aus Marienfelde ein zweites Grundstück in Stahnsdorf vermittelt, auf dem künftig 200 Beschäftigte arbeiten sollen.

Mitarbeiter an Werkbank (Bild: rbb/Karsten Zummack)
Mitarbeiter der "Blechprofis" an der Werkbank | Bild: rbb/Karsten Zummack

Roter Teppich für Unternehmen

Karsten Kruschke hat mit seinem Metallbearbeitungsunternehmen "Die Blechprofis" Berlin schon vor zehn Jahren den Rücken gekehrt. "Wir wurden von Hennigsdorf sehr freundlich empfangen", sagt der 60-Jährige. Beim Kauf des Grundstücks auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks sei er gut unterstützt worden. Das Unternehmen versteht sich als verlängerte Werkbank, unter anderem für Gewerbekunden aus Maschinenbau und Autoindustrie. Sieben Mitarbeiter biegen, polieren, schleifen und schweißen hier Bleche.

Im Jahr 2000 hat Kruschke die Firma gegründet, in Berlin-Neukölln. Doch irgendwann stand die Werkstatt dort einer Hotel-Erweiterung im Weg. Deshalb zog sie um nach Hennigsdorf. "Die Kernmannschaft ist stabil geblieben", bilanziert der Unternehmer — selbst, wenn es 36 Kilometer nordwärts ans andere Ende der Stadt ging. Und auch wenn es mitunter schwieriger ist, Fachkräfte ins Umland zu locken, hat er den Umzug hierher nie bereut.

Motorenbauer will weiterwachsen

Zu einem ähnlichen Urteil kommt Mathis Menzel vom Elektromotorenbauer Menzel nach den ersten Wochen auf der gegenüberliegenden Straßenseite, auch wenn der Umzug einem logistischen Kraftakt gleichkam. 300 Lkw-Ladungen, 3.000 Umzugskisten mussten gepackt werden. Zudem seien ca. 10.000 Nervenstränge gerissen, wie das Unternehmen launig mitteilte. Immerhin wurden inklusive Maschinen-Neukäufe insgesamt mehr als 20 Millionen Euro investiert.

Am Ende hat alles geklappt. Die Motoren werden jetzt in Hennigsdorf hergestellt. Kaum angekommen, will Menzel schon wieder erweitern. Das Unternehmen will auch das leere Nachbargrundstück kaufen. Die Zahl der Mitarbeiter soll perspektivisch von 100 auf 150 wachsen.

Berliner Unternehmen wandern ins Brandenburger Umland ab. (Quelle: rbb/Karsten Zummack)

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.06.2024, 08:35 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ja, Maschinenbau war, gemessen am Umsatz, der zweitstärkste Industriezweig. Diesen Platz hat nun die chemisch-pharmazeutische Industrie inne. Die Elektroindustrie hält den Platz 3.
    An den "Top 10" in DE hängen Millionen von Arbeitsplätzen dran und es wäre schön, wenn irgendwann bei der Bezeichnung "Made in Germany" nicht mehr an diesen knochenlosen Schmarotzer gedacht wird.

  2. 20.

    Kann Deutschland auch etwas anderes als Autobau?

  3. 19.

    Antwort auf "Oliver " vom Sonntag, 09.06.2024 | 13:39 Uhr
    "Jedes Unternehmen ist in Brandenburg gerne gesehen und herzlichst willkommen." Jo, sofern es nicht beabsichtigt, Grund und Boden zu beanspruchen, einen Baum zu fällen, Wasser zu verbrauchen, die Ruhe der beschaulichen Dörfchen zu stören und einen seltenen Regenwurm seiner Heimat zu berauben....

  4. 18.

    Antwort auf "Oliver " vom Sonntag, 09.06.2024 | 13:39 Uhr
    "Jedes Unternehmen ist in Brandenburg gerne gesehen und herzlichst willkommen." Jo, sofern es nicht beabsichtigt, Grund und Boden zu beanspruchen, einen Baum zu fällen, Wasser zu verbrauchen, die Ruhe der beschaulichen Dörfchen zu stören und einen seltenen Regenwurm seiner Heimat zu berauben....

  5. 17.

    Jedes Unternehmen ist in Brandenburg gerne gesehen und herzlichst willkommen. Da Berlin nur noch aus Künstlern und Hipstern besteht, werden die Steuereinnahmen rapide abnehmen.

  6. 16.

    Umzug ist doch ein völlig normaler Vorgang in der Wirtschaft.
    Die einen ziehen von Berlin nach Brandenburg, andere von Deutschland nach China oder in die USA!
    Unternehmen gehen dorthin wo sie die besten Konditionen für ihre Produktion finden!

  7. 15.

    Macht der Bericht doch - von Brandenburg. ... und das ist auch gut so ;-).

  8. 13.

    Ein ganz normaler Vorgang löst Empörung aus? Eher müsste man von einem Bundesland sprechen...?

  9. 12.

    Stimmt, doch wie kommt man am schnellsten von der A10 zur Bitterfelder Straße? Genau, über die Staufalle B158, die seit über 30 Jahren darauf wartet ausgebaut zu werden.
    Von der TVO von Köpenick nach Marzahn fange ich erst gar nicht an.

  10. 11.

    Unser Gewerbehof mit ca 25 Firmen wird in den nächsten Jahren platt gemacht ,soviel dazu das Berlin Standorte schafft

  11. 10.

    Brandenburg hat sehr viel Platz für Industrie/Gewerbe.
    Hier könnten noch Zehntausende Neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
    Brandenburg hat seit der Wende, schließlich Hunderttausende Arbeitsplätze verloren.

  12. 9.

    Wow. Können sie ihren Kommentar nochmal überarbeiten? Ich verstehe kein Wort.

  13. 7.

    Sie versuchen die Aussage zu widerlegen, indem Sie eine Fläche nennen, die nur um 5km nicht im Brandenburger Umland liegt, aber über 20km von Charlottenburg entfernt ist? Dann gibt es wohl kein echtes Gegenargument.

  14. 6.

    Eigentlich ist es ganz gut wenn Firmen ins Umland ziehen. Würde den Pendelverkehr reduzieren.

  15. 5.

    Das war doch am Ende absehbar. Berlin will hip sein, brauch viel Platz für Wohnungen. Da dürfte der Weggang von Industrie nur recht sein und sehr gelegen kommen. Ich würde auch nicht in die Stadt wollen. Selbst am Stadtrand sehe ich wenig Platz für Expansion. Folgerichtig würde auch ich in Brandenburg suchen. Viel Platz und Berlin ist nicht weit. Soll Berlin mal schön hip werden.

  16. 4.

    Manche Kommentare kann man nicht ganz verstehen?
    Der eine möchte gewerbegebiete mitten in wohnviertel Nachrichten. Am besten mit schwertransport von Montag bis Samstag werktags. Das hebt natürlich die lebensqualität.
    Für alle stadtbewohner auf dem Land ist es so, dass in einer Gemeinde oder in einer Stadt auch kein gewerbegebiet mittendrin errichtet wird, sondern eine eigens dafür. Ausgewiesene gewerbefläche.
    Die anderen jammern über nicht bebaute grundstücke, aber wir müssen uns entscheiden. Wohnraum oder Firmen haben wir keinen wohnraum. Werden wir auch keine Arbeiter haben, die dort arbeiten.
    Und Berlin macht keine mieten. Es kann mieten entscheiden über seine landeseigenen Wohnungen auf der Rest sein. Marktwirtschaft Berlin gibt auch nicht vor, welche Gewerbe mieten verlangt werden. Das verlangt der Besitzer hat was mit das Gesetzgebung zu tun und da muss ich ja Berlin dann auch nach dem Bund richten.

  17. 3.

    Aha aber Berlin hat doch riesen Flächen, wenn da an die Fläche an der Bitterfelder Str. denke wo seit Jahren nichts passiert.

  18. 2.

    Berlin braucht doch keine Industrie. Es reicht doch wenn Hotels und Büro Türme gebaut werden.

  19. 1.

    Wen wundert es. Berlin hat doch schon lange auf Grund von Bürokratie, überteuerte Mieten und Unsicherheiten in den Standorten an Attraktivität verloren. Hinzu kommt die Verkehrspolitik die ja auch alles andere als klar ist. Ich kann jedes (wirtschaftlich normal denkendes) Unternehmen verstehen welches abwandert.

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