Vor Konzeptverfahren - Warum Berlin den ICC-Neustart jetzt in München bewirbt
Der nächste Versuch, das ICC im Westen Berlins wiederzubeleben, beginnt in München – inoffiziell zumindest. Bei der großen Immobilienmesse ExpoReal stellt die Hauptstadt das geplante Konzeptverfahren vor. Von S.Schöbel
Nach Herzenswunsch einrichten können sich willige Investoren im ICC schon jetzt – zumindest virtuell und mit ein wenig Vorstellungskraft. Dafür müssen sie nur eine VR-Brille aufsetzen und den digitalen Rundgang durch das riesige Kongresszentrum machen. Auf der großen Immobilienmesse ExpoReal, die an diesem Montag in München beginnt, ist das ICC als "Virtual Reality Experience" auf jeden Fall eines der Highlights am gemeinsamen Stand von Berlin und Brandenburg. "Interesse geweckt?" fragt der dazugehörige Flyer, mit dem die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) das seit 2014 stillgelegte Gebäude bewirbt und auf das anstehende Konzeptverfahren hinweist. 45 Jahre altes Kongresszentrum in Erbpacht abzugeben: Es ist der inoffizielle Startschuss für den nächsten - und vielleicht letzten - Versuch, eine Berliner Architekturikone in neue Besitzverhältnisse zu bringen.
Gedreht wurden die Aufnahmen für den virtuellen Rundgang, als die Fassade gerade für Berlins neuen Werbespruch herhalten musste. "Wenn wir nix auf die Reihe kriegen, warum stehen dann alle Schlange?" fragte es patzig von der Stirnseite an der Kantstraße. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Im ICC stand schon lange niemand mehr Schlange, und die Vergabe an einen Investor haben gleich mehrere Senate nicht auf die Reihe bekommen.
Der nächste Anlauf kommt mit VR-Brille
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey will es besser machen, deswegen reist die SPD-Politikerin auch persönlich nach München. Das ICC per VR-Brille begehen wird sie dort sicherlich auch, wenn auch nur für die Bilder. Denn die politische Herausforderung des Gebäudes, das so schwer zu vermarkten ist, kennt sie genau: Vor Giffey sind schon mehrere andere Wirtschaftsenator:innen am Westberliner "Raumschiff" gescheitert. Den letzten Versuch, einen Käufer für das ICC zu finden, hatte die Grüne Ramona Pop gestartet. Außer ein paar recht wilden Ideen, etwa die Verwandlung des ICCs in eine Art Biotop unter Folie oder der Ankauf mit mexikanischem Gold, kam nichts Zählbares dabei heraus. Stattdessen wurden erst Flüchtlinge und dann ein Corona-Impfzentrum dort einquartiert. Danach gingen die Lichter wieder aus. Die Fassade sammelt Dreck, mehr gibt es nicht zu berichten. Ihren 100-jährigen Geburtstag feierte die IFA zuletzt ohne das ICC auf seinen Lageplänen auch nur zu erwähnen. Nicht einmal als Orientierungspunkt taugte es noch. Die Türen zur Fußgängerbrücke über den Messedamm waren verschlossen.
Mit einem Konzeptverfahren soll nun erneut ein Investor gefunden werden, der dem ICC neues Leben einhaucht. Bis 2026 soll es abgeschlossen sein - mit einem Investor, der laut Werbebroschüre "die Verpflichtung zur Wiederinbetriebnahme des ICC für eine vom Land Berlin mitgetragene Nutzung für Kunst, Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Innovation und Technologie" übernimmt.
Der entscheidende Halbsatz ist der dann folgende: "ohne einen finanziellen Beitrag des Landes Berlin". Vom denkmalgerechten Umbau über die Schadstoffsanierung bis zum Betrieb des Gebäudes muss ein möglicher Investor alles alleine stemmen. Zuschüsse von bis zu 200 Millionen Euro, wie sie zum Beispiel noch unter dem rot-grün-roten Senat in Aussicht gestellt werden konnten, gibt es unter der schwarz-roten Koalition nicht mehr. Zumindest die Prüfung der Schadstoffbelastung hat das Land vorab übernommen. Der fertige Bericht wird, genauso wie die erstellte Machbarkeitsstudie, streng geheim gehalten, um niemandem einen Informationsvorsprung zu geben und die Vergabe nicht zu gefährden. Erst mit dem Start des Konzeptverfahrens wird die Öffentlichkeit erfahren, wie schadstoffbelastet das ICC wirklich ist.
Den Parkplatz gegenüber gibt es obendrauf
Locken will Berlin die Investoren mit einem Paketangebot: Zum ICC gibt es auch den Parkplatz auf der anderen Seite dazu, an der Ecke von Messedamm und Kantstraße. Hier könnte, so das Baukollegium, ein Neubau mit einem Sockel von 60 Metern und einem Turm mit bis zu 100 Metern entstehen - so, wie es das ICC-Architektenpaar einst selbst geplant aber nie verwirklicht hatte. Das könnte zudem darüber hinwegtrösten, dass am ICC selbst nicht in die Höhe gebaut werden soll: Das alte Parkhaus, so das Baukollegium, darf zwar in Teilen abgerissen beziehungsweise umgebaut werden, doch ein Neubau soll nicht höher werden als das ICC selbst. Im letzten Ideenwettbewerb hatten hier mehrere Architektenbüros Türme mit Hotel, Büros und Kongressräumen geplant, die das ICC teils deutlich überragen würden. Hier muss nun umgeplant werden.
Die größte Herausforderung aber bleibt das veraltete, unter Denkmalschutz stehende Innenleben des ICC. An radikalen Ideen gab es in der Vergangenheit keinen Mangel: Rechenzentrum, Teststrecke für E-Fahrzeuge, Außenterminal des Flughafens BER mit direkter Zuganbindung. Entscheidend dürfte am Ende jedoch sein, dass das Nutzungskonzept wirtschaftlich tragbar ist - was laut vielen Experten nur im Zusammenspiel mit den Neubauten drumherum möglich wird, also einem Hotel oder gar weiteren, deutlich moderneren Kongress- und Konferenzflächen.
Endgültige Vergabe 2028
Antworten soll das nun das Konzeptverfahren liefern. Das mehrstufige Verfahren ist bis August 2026 geplant. Dann soll es eine Entscheidung geben - gefolgt von einer fast zweijährigen "Anhandgabephase", in der bis mindestens Frühjahr 2028 letzte Details geprüft werden, bevor die Vergabe endgültig ist. Erst dann können Arbeiten am ICC also ernsthaft beginnen.
Bis dahin wird allerdings auch der Umbau des Autobahndreiecks Funkturm auf Hochtouren laufen. Das ICC wird dann also nur eine Großbaustelle von vielen sein im Berliner Westen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 07.10.2024, 19:30 Uhr